Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
ZUM TROTZ. Herzlichen Glückwunsch, falls Sie in Wien wohnen. Wien ist laut diesjährigem Index der britischen „Economist”-Gruppe, der eben veröffentlicht wurde („ The Global Liveability Index 2022”), die lebenswerteste Stadt der Welt. Die Bundeshauptstadt ist nach dem Absturz im Vorjahr wieder um insgesamt elf Plätze hochgerattert. Hinter Wien landen Kopenhagen, Zürich, Calgary, Vancouver und Genf, Frankfurt, Toronto, Amsterdam … Insgesamt verglich man 172 Großstädte nach Kriterien wie Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsversorgung, politischer Stabilität, Kriminalitätsrate und Kultur. Im Vorjahr hatte sich der Lockdown der Kulturstätten – ohne Wertung der Sinnhaftigkeit – negativ auf die Bescheinigung der Wiener Lebensqualität ausgewirkt.
Juriert wurde übrigens nicht von Expats, denen man von der Normalbevölkerung streng abweichende Lebensbedingungen unterstellt, sondern von der Economist Intelligence Unit (EIU), einem Unternehmen mit Büros in 24 Ländern, das Prognose- und Beratungsdienste für Firmen, Organisationen und Regierungen anbietet.
Interessant ist in diesem Kontext, dass in normalen Tourismusjahren Hunderttausende Österreicher in Wien urlauben – und dennoch, wie jeder Zuagraste bestätigen kann, schon ein paar Meter außerhalb des Speckgürtels eine oft gar nicht so unterschwellige Abneigung allem Wienerischen gegenüber besteht. Rätselraten im Freundeskreis ergab ein Image-Destruktions-Ranking, das von „Ein echter Wiener geht nicht unter” und „Kaisermühlen Blues” angeführt wird. Die beiden Serien hätten – von Babyboomer bis Gen Y – das als derb wahrgenommene „Mundl-Image” geprägt. Dicht gefolgt vom Wiener Charme, der sich in Handel und Gastro niederschlage. Wohingegen in Graz, so erzählt man, die Busfahrer noch jeden Fahrgast freundlich grüßen. Dass zuletzt die türkise Regierungspartei die neurotische Betonung des Ruralen zum Staatsziel erklärte, sei auch nicht förderlich gewesen. Aber wie auch immer: When will you realize, Vienna waits for you.