••• Von Sabine Bretschneider
Neujahrsvorsätze hat auch der Facebook-Chef: Für Facebook gebe es „viel zu tun”, schrieb Firmenchef Mark Zuckerberg auf seiner Seite im Unternehmensnetzwerk. Schutz vor Missbrauch und Hass stünden 2018 im Mittelpunkt, Schutz vor Einmischung einiger Staaten – und auch dafür zu sorgen, dass die auf Facebook verbrachte Zeit „gut angelegt” sei. Russische Propaganda, terroristische Agitation, Fake News, Steuerflucht, fehlplatzierte Anzeigen – das Soziale Netzwerk, das eigenen Angaben zufolge zwei Mrd. Nutzer hat, wurde im Vorjahr heftig kritisiert. Jetzt soll alles anders werden.
Viel Lärm um nichts oder späte Katharsis? Fest steht jedenfalls, dass es demnächst wieder mehr Katzenvideos geben wird – und weniger Nachrichteninhalte traditioneller Medien. Dafür werden nach und nach die Algorithmen verändert, die für die Anordnung der Neuigkeiten im „News Feed” verantwortlich sind. Beiträge von Freunden und Familie sollen wieder prominenter gereiht werden als jene von Unternehmen, Medien und politischen Gruppen.
Verlage in der Bredouille
Das könnte einen radikalen Einschnitt bringen. Facebook hatte in den vergangenen Jahren versucht, verstärkt zu der Plattform für Medieninhalte zu werden; viele Medien und Marken setzen darauf, Menschen fast ausschließlich über Facebook zu erreichen. Wer den Fehler gemacht hat, die Contentstrategie allzu sehr auf die Mega-Community im Netz auszurichten und daneben die eigenen Internet-Repräsentanzen hat schleifen lassen, fragt sich jetzt wohl, ob das weise war. Wer künftig wahrgenommen werden will, muss vermehrt in „gesponserte Postings” investieren. Damit strukturiert das Werbebudget die Nachrichtenlage auf Facebook.
Griss um die Werbeslots
Auch der bekannte US-amerikanische Journalistik-Professor Jeff Jarvis zeigte sich besorgt: Nachrichten- und Medienunternehmen, die sich überreden hätten lassen, ihren Content auf Facebook anzubieten oder sich vor allem auf Videocontent auszurichten, werde der Boden unter den Füßen weggezogen.
Was sei der Sinn dahinter, den Journalismus zu den Menschen zu bringen, wenn dort kein Geld damit verdient werden könne? „Es stimmt, dass die Verbreitung dieser Inhalte zurückgehen wird, und dies bedeutende Auswirkungen für das Ökosystem haben wird”, sagte Facebook-Manager John Hegeman der dpa. Die Zahl der Anzeigenplätze im Newsfeed werde zugleich nicht erhöht. Der steigende Druck auf die existierenden Werbeslots wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit verteuern.
Die Macht der wenigen
Ob Facebooks eben ausgerufener Fokus auf „bedeutsamere soziale Beziehungen” die Echokammern zementiert, wird die Zukunft zeigen. Wobei schon in der Vergangenheit der vermeintliche gesellschaftliche Diskurs der Millionen auf Facebook eine Schimäre war: Wie viele Menschen bestimmen den politischen Diskurs auf Facebook? Und: Zeigen die Kommentare der Facebook-User, was die Mehrheit in einem Land denkt?
Mit diesen Fragen hat sich die Datenjournalismus-Plattform mokant.at auseinandergesetzt und Unmengen von Daten (Facebook-Kommentare auf rund 40 Facebook-Seiten von Politikern und Medien von August bis Oktober 2017) zum österreichischen Wahlkampf 2017 gesammelt und analysiert. Ergebnis: Der überwiegende Teil der Kommentare stammt von einem Bruchteil der Facebook-Nutzer. Die Hälfte der Kommentare stammt von etwa 8.900 Personen; 38% der Kommentare stammen von nur 4.100 Usern (1% der Gesamtheit aller User, die kommentiert haben). Und: Sieht man sich jene User an, die mindestens 500 Kommentare gepostet haben, bleiben überhaupt nur 400 Personen übrig, von denen rund 360.000 (!) Kommentare stammen.
„Unsere Analyse zeigt, dass es eine kleine Minderheit war, die den Diskurs rund um den österreichischen Wahlkampf bestimmt hat”, kommentiert das mokant.at-Chefredakteurin Sofia Palzer-Khomenko. „Der Großteil der User liest nur mit”, das mache es „einfach, das Meinungsklima auf Facebook zu beeinflussen”.
Lesen Sie dazu auch Seite 18.
www.facebook.com/zuck
https://medium.com/@jeffjarvis
http://mokant.at/1802-facebook-user-wahlkampf-diskurs/