Wenn Fakten nur stören
© APA/Tobias Steinmaurer
Gerald Grünberger im Talk über den Kampf gegen Fake News & Co.
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.02.2025

Wenn Fakten nur stören

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger über das Kürzen der Faktenchecks bei Meta, X,TikTok & Co. – und wie man national darauf reagieren könnte.

WIEN. Immer mehr Plattformen kündigen ihre Moderatoren und verabschieden sich de facto vom Faktencheck. Die Auswirkungen sind global spürbar. Hass im Netz und Fake News sind im Steigen begriffen. Was man dagegen auf nationaler Ebene tun kann, das hat medianet VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger gefragt.

medianet:
Kurz nach Donald Trumps Wahl hatten schon Meta und die Plattform X angekündigt, ihre Faktencheck-Programme deutlich zu reduzieren. Nun entlässt auch TikTok massenhaft Moderatoren. Wie sieht der VÖZ diese Tendenz?
Gerald Grünberger: Wir sehen diese Tendenz sehr kritisch. Wer Massenkommunikation ermöglicht, soll Verantwortung dafür übernehmen, dass keine rechtswidrigen Inhalte verbreitet werden. Social Media-Plattformen brauchen daher Mechanismen zur Identifikation unwahrer und vor allem rechtsverletzender Information, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Hier ist die Europäische Union gefordert. Denn der Digital Services Act schreibt leider ein ursprünglich im Jahr 2000 geschaffenes Paradoxon fort: Während Medienunternehmen der ‚alten Schule', die ihre Inhalte vor Veröffentlichung redaktionell kontrollieren, eine verschuldensunabhängige Haftung trifft, werden Social Media-Unternehmen für die Unterlassung jeglicher redaktioneller Kontrolle mit einer Haftungsbefreiung belohnt. Das ist ein rechtspolitischer Fehler – mittlerweile sollte außer Streit stehen, dass durch die Verbreitung unwahrer Information über Social Media mindestens genauso großer Schaden entstehen kann, wie wenn eine solche über die ‚klassischen' Medien erfolgt.


medianet:
Was könnte man auf nationaler Ebene tun, um Fake News auf diesen Plattformen, die ja auch in Österreich konsumiert werden, einzudämmen?
Grünberger: Auf gesetzgeberischer nationaler Ebene gibt es da wenig Spielraum, den Rahmen zieht hier vor allem der bereits erwähnte Digital Services Act. Ein wesentliches Instrument des Digital Services Act zur Bekämpfung von Fake News sind die ‚vertrauenswürdigen Hinweisgeber', neudeutsch ‚Trusted Flagger'.

Das sind unabhängige Institutionen mit besonderer Sachkenntnis und Kompetenz in Bezug auf die Erkennung, Feststellung und Meldung rechtswidriger Inhalte. Der Status als Hinweisgeber-Institution wird in Österreich von der Medienbehörde KommAustria zuerkannt. Meldungen von zertifizierten Trusted Flaggern – Institutionen müssen von den Plattformbetreibern vorrangig behandelt und einer Entscheidung zugeführt werden. Solche Institutionen sollten vor allem auch finanziell unabhängig von den Plattformbetreibern sein – hier könnte auf nationaler Ebene also insbesondere durch adäquate Förderung der Tätigkeit unabhängiger Trusted Flagger das Aufkommen von Fake News eingedämmt werden.


medianet:
Was noch könnte man tun?
Grünberger: Man könnte auch auf nationaler Ebene hinterfragen, ob Social Media-Dienste, die keine redaktionelle Verantwortung übernehmen und dadurch ein Umfeld für Rechtsverletzungen und Desinformation bieten, ein geeigneter Ort für aus öffentlichen Mitteln, also vom Steuerzahler, finanzierte Kommunikation sind.

medianet:
Und, sind sie es?
Grünberger: Ich denke nein – das Geld des Steuerzahlers und auch die Reputation der Republik Österreich sind es wert, dass Kommunikationsbudgets der öffentlichen Hand und ihrer Institutionen in redaktionell verantwortetes Umfeld fließen. Die Brand Safety der Republik sollte nicht durch Schaltungen in einem Umfeld, wo nichts zur Prävention von Desinformation und Rechtsverletzungen getan wird, entwertet werden.

medianet:
Manche fordern nach dem Angriff in Villach, wo sich der Täter vor allem auf TikTok radikalisiert haben soll, diese und andere Plattformen zu sperren. Wie sieht der VÖZ generell solche Forderungen?
Grünberger: Auf Plattformen wie TikTok findet sehr viel harmlose bis unterhaltende Kommunikation statt, sei es privat, kommerziell oder auch politisch. Aber es gibt eben auch problematische Inhalte. Der Verband Österreichischer Zeitungen ist seit seiner Gründung 1946 der Kommunikationsfreiheit verpflichtet. Vorschnelle Totalverbote von zu rechtskonformer Kommunikation genutzter Plattformen als Maßnahme gegen Radikalisierung Einzelner durch einzelne ist tendenziell überschießend. Hier braucht es jedenfalls andere Maßnahmen.

medianet:
Nämlich …?
Grünberger: Wie bereits ausgeführt, sind wir der Auffassung, dass die Plattformbetreiber viel stärker in die Verantwortung genommen werden müssen. Gezieltes Wegschauen darf nicht mit einer Haftungsfreistellung belohnt werden. Plattformbetreiber müssen Verantwortung übernehmen und diese muss angemessen mit den Mitteln des Zivil- und Strafrechts – also Entschädigungen und Strafen – sanktioniert sein.

Das Abschalten einer ganzen Plattform kommt als Ultima ratio in Betracht, wo eine Plattform vorsätzlich die Verbreitung rechtswidriger Inhalte begünstigt und davon durch diese Sanktionen nicht abgehalten werden kann. (fej)

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