Wenn weiße Riesen die Macht ergreifen
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.10.2019

Wenn weiße Riesen die Macht ergreifen

Viele Verbraucher unterschätzen den Effekt gut gemachter Werbung. Polit-Kommentatoren auch.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


GEKAUFT. „Österreichwahl: So siegt der Marketingprofi”, schreibt der Spiegel Online. „Weder Skandale noch ein weitgehend inhaltsleerer Wahlkampf haben die Österreicher davon abgehalten, Sebastian Kurz und seine ÖVP wieder an die Macht zu wählen. Seine Kritiker sind ratlos.” Das sei insofern typisch, so die Nachbarn, als auch die Skandale um Kurt Waldheims ruhmlose Wehrmachtvergangenheit und deren gefällige Verdrängung („Jetzt erst recht!”) wie auch die EU-Sanktionen gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel („Jetzt erst recht!”) als einziges soziales Deutungsmuster einen heftigen „Wir gegen die anderen”-Reflex ausgelöst hätten.

Von der Ibiza-Strache-Affäre ganz zu schweigen. Korruption und Kampf gegen die freie Presse? Na und was weiter? Erst die teuren Handtaschln für die Gattin des Ex-FPÖ-Chefs ließen kurz die Wogen hochgehen. Dann wurde gewählt. Jetzt, wo ruchbar wird, dass man die ehemalige Social Media- und Tierschutzbeauftragte mit allen Mitteln vom Nationalrat fernhalten will, beginnt sich die Stimmung wieder zu drehen. Weil, übertreiben muss man es nicht mit den Konsequenzen.

Wäscht weiß, spricht heilig

Zurück zum „Spiegel”: Dass „Kurz, nicht zuletzt mit Selfies über Instagram und mit staatsmännischer Pose in Fernseh-Duellen weit mehr Wähler erreichte als seine politischen Mitbewerber”, verrate viel über die Geheimnisse des Wahlkampferfolgs im digitalen Zeitalter.

Faktisch korrekt: Moderner Wahlkampf heißt (auch), seinen Kandidaten wie eine neue Waschmittelmarke am Markt zu positionieren. „Wäscht am weißesten” klingt banal, aber sobald die Message einmal gesickert ist und der zugehörige Kundenclub funktioniert, ist der Verkaufserfolg in Griffweite. Wer es dann noch schafft, das Produkt mit einem quasireligiösen Heilsversprechen zu verknüpfen („Wäscht am weißesten und pflegt mit Granderwasser”), der hat tatsächlich alles richtig gemacht. Und wird Bundeskanzler.

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