Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
WIRRWARR. Ein Thema, das neben Monty Pythons Brexit-Zirkus und den rechtsradikalen Yuppies, Zweigstelle Österreich, derzeit untergeht, ist die Zeitumstellung. Besser: Das Ende der Zeitumstellung, das am Horizont dräut.
Eine breite Mehrheit der Straßburger Abgeordneten sprach sich am Dienstag dafür aus, die Uhren 2021 das letzte Mal auf dauerhafte Sommer- oder Winterzeit umzustellen. Die europaweit drohenden chronometrischen Turbulenzen werden sträflich unterschätzt.
Wald- und Wiesenthemen wie die Sommer-Winter-Zeit sind auch jene, zu denen nun wirklich jeder eine Meinung hat. Nicht wie beim Cum-Ex-Skandal, nicht wie beim BVT-Ausschuss, nicht wie bei der Fusion der Krankenkassen. Und, wer aufmerksam liest, merkt bereits, wo und wie tief sich die Gräben auftun.
Da gibt es die wertkonservative Fraktion, die – mittags hat die Sonne im Zenit zu stehen – auf fundierte Tradition verweist. Da gibt es die Freigeister, die – nach der Arbeit noch im Gastgarten, das ist fein – den Hedonismus ins Zentrum ernsthafter Debatten verfrachten wollen. Da sind die Herren und Damen aus den Bundesländern, die – die Weana sollen halt ihren Hintern früher aus dem Bett schwingen – immer schon gewusst haben, dass, wo keine Hähne krähen, die Arbeitsmoral sinkt. Da sind auch die Sensiblen, die den sechsmonatlichen Jetlag ebenso heftig verspüren wie Vollmond, Chemtrails und Elektrosmog. Und da sind Branchen wie Transport und Logistik, die das Grauen schüttelt, wenn Europa endgültig in einen Fleckerlteppich der Zeitzonen zerfällt.
Politische Konsequenzen drohen aus dem bekannten Eck: Wolle man Zeitumstellungswirrwarr zwischen Nord- und Südirland vermeiden, bliebe nur die Option, Nordirland mit dem Rest der Insel in der EU-Zeitzone zu belassen, analysierte kürzlich der Spiegel – „eine Alternative, die protestantische Hardliner in Nordirland, denen die ‚Union' heilig ist, niemals hinnehmen würden”. Die harten Gegner des Backstops würden wohl auch gegen einen „Clockstop” Sturm laufen.