••• Von Britta Biron
WIEN. Vater Staat und seine Verwandten auf Landes- und Gemeindeebene sowie Sozialversicherung und Kammern sind für viele Unternehmen wichtige Wirtschaftspartner – natürlich auch in der Werbe- und Kommunikationsbranche. 2021 hat die öffentliche Hand allein für Inserate und Medienkooperationen knapp 225 Mio. € ausgegeben, um knapp ein Prozent mehr als der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2020. In diesem Betrag nicht inkludiert sind Schaltkosten unterhalb der Meldepflicht von 5.000 € pro Auftrag sowie sämtliche Agentur- und Beraterleistungen rund um Werbung und Kommunikation.
Von wo und nach welchen Kriterien diese zugekauft werden, sorgt mit schöner Regelmäßigkeit für Diskussionsstoff. Alexander Oswald, Präsident der Österreichischern Marketing-Gesellschaft (ÖMG) und Inhaber der Agentur Futura, zu deren Schwerpunkten die Pitch-Beratung zählt, kann das durchaus verstehen. Denn die Transparenz, die Ausschreibungen gegenüber freihändiger Vergaben bringen sollen, sieht er derzeit noch nicht. „Das beginnt damit, dass bei vielen Ausschreibungen kein konkretes Ziel und keine klaren Vergabekriterien definiert sind.”
Häufig hört er auch Klagen über zu aufwendige Verfahren; vor allem vermissen die Agenturen ein klares Feedback zu ihrer Performance. „Man möchte wissen, wie man bewertet wurde und warum es zu dieser Bewertung kam”, erklärt Oswald. Ein Vergabeverfahren ist ein guter Zeitpunkt für eine Selbstreflexion – sowohl für Auftraggeber als auch Agenturen.
Es brauche heute mehr denn je klare Regeln für die Vergabe, „denn seit Corona gibt es ein paar Punkte, die intensiver betrachtet werden sollten”. Zum Beispiel die Unterstützung regionaler Anbieter. Ein fairer Wettbewerb im Bieterprozess stehe ja nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit, die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich zu stärken und die heimischen Betriebe zu unterstützen.
Mehr Transparenz
Dass Aufträge ab einem gewissen Volumen EU-weit ausgeschrieben werden müssen, stehe dem nicht im Wege, ebenso wenig die Präferenz für bestimmte Auftragnehmer, ist der auf öffentliche Ausschreibungen mit dem Schwerpunkt Berater- und Kommunikationsleistungen spezialisierte Rechtsanwalt Martin Schiefer überzeugt: „Als Auftraggeber darf ich mit Menschen zusammenarbeiten, denen ich vertraue, und das muss sich in einem Vergabeverfahren abbilden.”
Schließlich sei bei Kreativprojekten – anders als zum Beispiel bei Bauvorhaben – das Miteinander von Auftraggeber und Auftragnehmer ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Zudem müsse man auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen: „Es geht (auch) um Reaktionszeiten und Verfügbarkeit. Es ist unrealistisch, zu glauben, dass für einen Etat von fünfzig- oder hunderttausend Euro eine Hamburger Agentur nach Wien fährt.”
Die fehlende Transparenz in den Vergabeverfahren bemängelt auch er. Dass es anders geht, zeigt etwa der Architekten-Wettbewerb: „Man sieht, welche Arbeiten eingereicht wurden, sowie wie und nach welchen Kriterien die Jury entschieden hat. Man kann die Ausschreibung durchaus öffentlich diskutieren. Dem Auftraggeber sagen, was er hätte besser machen können. Kein Mensch ist fehlerfrei, und es ist nicht schlecht, wenn man seine Ergebnisse einer kritischen Betrachtung unterzieht.”
Wirtschaftliche Aspekte
Oft vermitteln die kolportierten Volumina vor allem bei Rahmenvereinbarungen nur einen Teil der Wahrheit, denn die Obergrenze sagt ja nichts darüber aus, wie viele Leistungen dann schließlich abgerufen werden und was für die Agentur unter dem Strich übrig bleibt. „Diese Feigenblatt-Vergaben sollte man kritisch überlegen. Wenn man sich die Impfkampagnen ansieht, hat man einen Rahmen von 30 Mio. Euro. Jeder Profi sagt, man muss in der Krise kommunizieren, aber es wird nicht kommuniziert und der Frust ist auf beiden Seiten präsent: Der Auftraggeber bekommt keine Kommunikation und die Agenturen keinen Auftrag”, erläutert Schiefer die Problematik.
Das Argument, dass es für die öffentliche Hand zu aufwendig wäre, Kampagnen einzeln auszuschreiben, lässt Oswald nicht gelten: „Konzerne wie Rewe, Spar oder XXXLutz haben sicher Besseres zu tun, entscheiden sich aber trotzdem, zumindest ihren Etat in kreative Leistungen, etwa für Social Media oder Media, aufzusplitten.”
Bessere Vorbereitung
Zudem ließe sich sowohl Zeit als auch Geld sparen. „Meine Aufgabe als Pitch-Berater ist es, das Projekt zu überblicken, dem Auftraggeber kritisch-analytische Fragen zu stellen und zu erkennen, ob alles durchdacht ist und auf soliden Beinen steht. Wenn das nicht klar ist, sollte eine Ausschreibung nie das Licht der Welt erblicken”, erklärt Oswald. „Im Extremfall kann man sagen: Was wir dem Auftraggeber ersparen, ist, dass er eine Agentur hat, mit der er sich ein Jahr lang durch einen Vertrag quält, nur um anschließend zu sagen, es funktioniert nicht.”
Das sieht Schiefer ähnlich; er ortet bei der öffentlichen Hand aber noch Zurückhaltung: „Man hat Angst, dass der Rechnungshof kommt und sagt, der Prozess war zu teuer im Vergleich zur tatsächlichen Wirkung. Wir sind stark kontrollgetrieben, was in einem Kreativprozess schwierig ist. Wenn man den Weg aber richtig dokumentiert, kann der Rechnungshof kommen, wann er möchte.”
Sparen sollten Auftraggeber – ob öffentliche oder private – seiner Meinung auch an anderer Stelle nicht: „Es gibt einen Grundsatz: Du sparst dir keine Zeit, wenn du dich beim Vergabeprozess schlecht vorbereitest. Je weniger durchdacht der Vergabeprozess, desto mehr Aufwand gibt es danach in der Leistungsabwicklung. Für jede Stunde, die man sich vorbereitet, spart man hinten drei ein.”