••• Von Georg Sander
Österreichs Nationalmannschaft war bei der WM in Russland nicht dabei. Qualifikationsgegner Serbien scheiterte in der Vorrunde, genau so wie Deutschland – das südkoreanische Cordoba wird für nicht wenige heimische Fans ein Trostpflaster gewesen sein. Doch es zeigt auch, wie schwierig die WM für Unternehmen ist, die daran verdienen wollen. Eine deutsche Brauerei gab an, dass der Bierbranche durch das frühe Aus des Weltmeisters 2014 40 Mio. € ausfallen, da das Interesse nicht mehr so groß ist.
Wer mit einem Auge für Werbung in die Stadien blickt, wird sich ohnehin wundern. Über den Smartphonehersteller Vivo mag man schon gestolpert sein, ferner über die Elektronikgeräte von Hisense, vermutlich gar nicht über den chinesischen Immobilienkonzern Wanda oder den ebenfalls aus China stammenden Milchproduzenten Mengniu, der mit Argentiniens Superstar Lionel Messi seine Milch von der mongolischen Kuh bewirbt. Der Fußballweltverband FIFA hat zwölf Hauptsponsoren und einige davon stammen wie auch Kia und Hyundai sowie die Genannten aus Asien. Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der Weltmeisterschaften in Russland dieses Jahr und Qatar 2022 ließen einige namhafte Sponsoren ihr Engagement beenden, darunter Sony, Emirates, Castrol oder Continental. Auch noch aktuelle Sponsoren wie Visa oder Coca-Cola machten im Zuge der Aufregungen, die 2015 über den Weltverband hereinbrachen, Druck auf die FIFA. Kein Wunder: Zwischen acht und 32 Mio. € jährlich zahlen die offiziellen Partner (siehe Kasten).
So meint etwa Lisa-Maria Moosbrugger (sie leitet die FIFA-Kampagne bei Coca-Cola Österreich) über den Großevent: „Der FIFA Worldcup zählt zu den größten weltweiten Kampagnen unseres Hauses in diesem Jahr. Das gilt auch für das Investmentlevel in Österreich.”
Eigenartiges
Mit den Sponsoren aus dem asiatischen Raum muss der Fußballfan leben. Immerhin erachtet man Asien als fußballerischen Wachstumsmarkt. Dort leben mehr Menschen als in den großen Fußballzentren in Südamerika und Europa zusammen. Und der kritischen Öffentlichkeit fallen dort auch einige eigenartige Dinge während der WM wohl nicht so auf. Nach dem emotionsgeladenen Duell zwischen Serbien und der Schweiz, die mit vielen albanisch-stämmigen Spielern angetreten war, sagte der serbische Coach Mladen Krstajic Richtung Schiedsrichter: „Ich würde ihn nach Den Haag schicken.” Also dorthin, wo die Kriegsverbrecher aus dem Jugoslawien-Krieg verurteilt wurden. Der Trainer musste 4.340 € zahlen. Der mexikanische Verband musste 8.630 € an Strafen zahlen, da die Fans homophobe Fangesänge angestimmt hatten. Ein Nazi-Banner bedeutet 8.640 € Strafe für den russischen Verband. Aber: Weil die Schweden und Kroaten nicht-autorisierte Logos auf der Ausrüstung trugen, mussten über 60.000 € gezahlt werden. Beim Schweden waren Socken eines falschen Herstellers sichtbar: ebenfalls rund 60.000 € Strafe. Das illustriert wohl ganz gut, welche Themen der FIFA wirklich wichtig sind.
Dem Zuschauerzuspruch tut das keinen Abbruch. In Österreich freuen sich die Zuwanderer-Communities über Erfolge, wie etwa den kroatischen Finaleinzug, der die Ottakringer Straße zur Partyzone werden ließ. Und es gibt auch viel Völkerverbindendes. Der schwedische Teamspieler Jimmy Durmaz wurde aufgrund seiner türkischen Herkunft rassistisch angefeindet. Das Nationalteam antwortete mit einem Video und dem Spruch: „Fuck Racism.” Oder Superstar Cristiano Ronaldo, der den Achtelfinal-Doppeltorschützen Edinson Cavani aus Uruguay nach dessen Verletzung vom Spielfeld humpelnd stützte – obwohl die Südamerikaner da mit 2:1 gegen Portugal in Front waren. Diese Bilder machen den Fußball aus. Das gemeinsame Schauen der Spiele an öffentlichen Orten ist ebenfalls mehr als in, wie beispielsweise eine riesige Leinwand vor der SCS beweist. Es zeigt sich: Es scheint egal, ob Österreich dabei ist oder nicht. Vor allem die heimischen Broadcaster jubeln.
Millionenpublikum
„Wir sind sehr zufrieden. Bis zum Viertelfinale wurde 18 Mal die Millionenmarke übertroffen. Bei der Vielzahl von Quoten jenseits der Million ist es die Breite, die beeindruckt, aber auch die Tatsache, dass etwa ein Spiel wie Iran gegen Portugal bis zu 1,2 Millionen Zuschauer erreicht hat”, erklärt ORF-Sportchef Hans-Peter Trost gegenüber medianet. Doch nicht nur im linearen TV gibt es Jubelmeldungen. So erzählt ORF-Online-Chef Thomas Prantner: „Die Live-Streams und on demand-Angebote auf der ORF-TVthek, sport.ORF.at und dem ORF-Fußball-Special brachten im Web und via App bis inklusive Viertelfinale großartige zehn Mio. Nettoviews (zusammenhängende Nutzungsvorgänge) und 23,3 Mio. Bruttoviews (registrierte Videostarts). Insgesamt haben die Fans bis dahin 291 Mio. Minuten Fußball via Online-Bewegtbild geschaut. Das sind fünf Prozent des gesamten TV- und Online-Nutzungsvolumens zusammen – ein hoher Wert!”
oe24.tv zeigt Spiele
Zeigte bei der WM 2014 der Privatsender ATV neben dem ORF noch WM-Spiele, so war es diesmal oe24.tv. Dort ist man nicht nur zufrieden, sondern quasi begeistert von den Zahlen: „Die WM-Rechte, die uns von FIFA und ORF weitergegeben wurden, konnten wir durch Werbeeinnahmen vollständig refinanzieren – das ganze WM-Abenteuer hat sich für uns also wirtschaftlich mehr als gelohnt”, gibt Nikolaus Fellner, Geschäftsführer von oe24.at, an. Der Sender der Österreich-Gruppe holte sich die Lizenzen für acht Livespiele des dritten Gruppenspieltags. Diese laufen parallel ab. Dazu war noch Re-Live im Angebot. „In der kumulierten Reichweite hatten wir bei den acht Livespielen an vier Tagen 264.000 Seher. Bis zum Viertelfinale hatten wir bei den zeitversetzten Wiederholungen über alle WM-Tage hinweg im linearen TV eine kumulierte Reichweite von 637.000 Zusehern.” Das entspreche genau den Erwartungen. Während der ORF jahrzehntelange Erfahrung mit diesen Übertragungen hat, war es für oe24.tv ein Erstversuch, der klappte. Auch online war und ist ein Erfolg.
Online-Erfolge
Wie auch der ORF vermeldet Nikolaus Fellner für den Online-Bereich sehr gute Zahlen. Im Vergleich zu vor einem Jahr verzeichnet man doppelt so viele Zugriffe: „Im Online-Geschäft hatten wir von Beginn der WM bis zum Viertelfinale laut AGTT-Streaming-Messung bereits 15.169.512 – also über 15 Mio. – Bruttoviews, wovon 8,4 Mio. Video on Demand und 6,8 Mio. Livestreams waren.” Und das ohne die laufende Finalwoche mit den Halbfinali, dem Spiel um Platz drei sowie dem großen Finale am Sonntag.
Auch Laola1.at, die größte Sportplattform Österreichs, sicherte sich wie viele andere Plattformen Rechte an den Highlights. Das vor allem aus einem Prinzip heraus, wie Dominik Beier, Head of Sponsorship, klarstellt: „Erstens sind wir die größte reine Sportplattform. Es ist unser Anspruch, diesen Content zu bieten. Zweitens haben wir eine gute Partnerschaft mit dem ORF. Drittens wollen wir unseren Werbepartnern etwas bieten, da braucht es das.” Wie für oe24.tv, die Teil der Medienallianz der neuen Bundesliga sind (siehe Seite 10), ist es für das Onlineportal eine große Chance, neue User zu gewinnen. „Wir haben 35 Prozent mehr User als in einem Nicht-WM-Zeitraum”, erklärt Beier. Eine Refinanzierung der Rechtekosten sei zwar nicht möglich, aber dieses Mehr an Usern kann man binden.
Die neue 2. Liga wird von Laola übertragen, da hilft die WM freilich, um diesen Umstand bekannt zu machen. Das betrifft auch die Werbekunden: „Jeder will sich rund um die WM positionieren. Das ist bei uns ideal möglich, weil wir über Jahre die größte und aktivste Sportcommunity im Land haben”, sagt Beier.
Streams als neues Fernsehen?
Angesichts der Millionenzugriffe auf die Online-Angebote könnte es sein, dass das Streaming das lineare TV bald ablösen könnte. Diese Gefahr sieht aber niemand beim ORF. Denn das Online-Angebot ist eher eine Ergänzung statt eine Konkurrenz. Hans-Peter Trost: „Die Zahlen zeigen sehr deutlich, dass hier nicht das eine zur Lasten des anderen geht. Streaming ist ein Zusatzangebot, das jene nützen, die zum Zeitpunkt eines WM-Spiels keine Möglichkeit haben, fernzuschauen.”
Dass sich Online und TV nicht ausschließen, sieht auch Laola1.at so. Dominik Beier meint: „Allgemein haben wir 2007 mit laola1.tv begonnen und an Streaming geglaubt. Es ist organisch gewachsen, nach wie vor aber haben TV und Stream ihre Berechtigung. Beides hat seine Daseinsberechtigung und die Wachstumsmöglichkeiten.” Fußball ist aber ein emotionaler Sport, der ohne Entertainment nicht auskommt. Das haben die TV-Sender verstanden.
Kult versus Expertise
Der ORF setzt mit Experten wie Ex-Nationalteamtrainer Herbert Prohaska, der das Nationalteam bei der letzten WM-Teilnahme 1998 betreute, auf eine geballte Ladung Expertise. Neben dem Jahrhundert-Austrianer analysierte auch Marcel Koller, Österreichs Teamchef während der Euro 2016. Dazu kommen bewährte Kommentatoren wie Thomas König oder Oliver Polzer. Hier verschränken sich Online und TV, da über die Aussagen, Analysen und Kommentare trefflich diskutiert werden kann. Trost dazu: „Sportkommentatoren und -Experten werden in den Sozialen Medien ebenso gern und heiß diskutiert wie etwa ‚Tatort'-Folgen, das gehört zum Spiel; solange der Ton nicht untergriffig wird, ist das auch okay.” In Deutschland kommentierte mit Claudia Neumann eine Frau WM-Spiele, was zu vielen untergriffigen Kommentaren führte. Der ORF setzt ebenfalls auf Moderatorinnen, weil man es will: „Mit Alina Zellhofer, Kristina Inhof oder Karoline Zobernig haben wir in den vergangenen Jahren sehr bewusst Journalistinnen an prominenter Stelle im ORF Sport positioniert und so begonnen, die Männerdomäne TV-Sport ein wenig aufzubrechen. In diesem Sinn werden wir auch weiterarbeiten.”
Bei oe24.tv setzte man auf was anderes: „Unsere Kult-Reporterlegenden Edi Finger und Robert Seeger sind bei Sehern sehr gut angekommen”, sagt Fellner. Mit dem Kultfaktor liegt oe24.tv eigentlich goldrichtig: Am Ende ist die WM eine (gewinnbringende) Unterhaltungsveranstaltung.