Die verständliche Seite der Komplexität
© RMA Tanzer
Wolfgang Unterhuber, "Kurier"
PRIMENEWS Redaktion 01.04.2019

Die verständliche Seite der Komplexität

"Kurier" Wirtschafts-Chef Wolfgang Unterhuber im Interview.

WIEN. Seit Beginn des Jahres ist Wolfgang Unterhuber der neue Leiter der Wirtschaftsregion beim Kurier. Zuvor war er vier Jahre als Chefredakteur der Regionalmedien Austria tätig.

medianet sprach mit dem neuen Wirtschafts-Chef Wolfgang Unterhuber über digitale Plattformen, „news to use“ und Wirtschaftsjournalismus als Bildungsauftrag.

medianet: Sie möchten neue und jüngere Zielgruppen über digitale Plattformen erschließen. In den sozialen Medien ‚Facebook‘ und ‚Instagram‘ ist der Kurier bereits aktiv. Welche konkreten Strategien haben Sie, um Ihre Inhalte für noch mehr jungen Leser zugänglich zu machen?

Wolfgang Unterhuber: „Editorial Touch Points“, um junge Leserinnen und Leser digital zum richtig programmierten Zeitpunkt (Stichwort Timeslots) abzuholen, ist beim Kurier state of the art. Darüber hinaus gilt es auch in der Welt der digitalen tools, auf die richtigen Themen zu setzen. Der Kurier bietet hier ein für Jugendliche breites Spektrum von Lifestyle-Themen bis hin zu ökonomischen Themen in der Futurezone. Jugendliche Zielgruppen lassen sich darüber hinaus spürbar mit Karrierethemen und verstärkt Storys über die Startup-Szene abholen. Für die Wirtschaftsberichterstattung bedeutet dies in mittelbarer Zukunft, strategisch eine Verstärkung des Themas Lehre/Facharbeiter aus der Karriereperspektive sowie des Themas Jung-Unternehmertum.

medianet: Eines Ihrer Prinzipien lautet „news to use“. Gleichzeitig ist für Sie „digital first“ bzw. „digital only“ ebenfalls ein klares Prinzip. Wie schaffen Sie es, für Ihre  Leser Nachrichten mit Mehrwert zu produzieren, wenn die Aufmerksamkeitsspanne gerade online auf den Webseiten oder den Plattformen so gering ist? Gleichzeitig verschwinden Geschichten in den Feeds schneller oder werden in den Stories nach nur 24 Stunden gelöscht. Warum lohnt es sich  auf „digital only“ zu setzen?

Unterhuber: „news to use“ und „digital only“ sind überhaupt kein Widerspruch. Beispiele dafür sind rasche Stau/Baustellen-Infos (Chronik) bis hin zu Produktrückrufen (Wirtschaft). Meldungen also, die die Leserschaft in ihrem beruflichen und privaten Alltag unmittelbar betreffen können. Auffallend ist darüber hinaus der enorme digitale Impact bei Berichten über Insolvenzen, die in der Kurier-Wirtschaft im daily business in der Regel „digital only“ publiziert werden.

medianet:  Sie sagten, für Sie ist Wirtschaftsjournalismus ein Bildungsauftrag. Die Komplexität der wirtschaftlichen Geschehnisse erschwert oftmals die greifbare und nachvollziehbare Berichterstattung. Man schaue sich nur diverse Prozesse, die Brexitverhandlungen oder Finanznachrichten an. Was ist Ihr Zugang, um Wirtschaftsnachrichten greifbarer zu machen?

Unterhuber: Wirtschaftsjournalismus hat die Aufgabe, komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären. Das kann auch bei Themen wie dem Brexit gelingen, setzt aber selbst im digitalen Zeitalter noch immer traditionelle journalistische Grundprinzipien voraus wie eine grundlegende Tiefenrecherche und einen leserfreundlichen Stil.

medianet: „Mittendrin statt nur dabei“ ist Ihr Anspruch an modernen Wirtschaftsjournalismus.  In einer Welt der fast schon übertriebenen Selbstvermarktung möchte jedoch niemand über sich selbst negative Nachrichten nach außen tragen. Wie stellen Sie sich einen seriösen und ausgewogenen Journalismus „aus den Unternehmen“ statt „über die Unternehmen“ vor?

Unterhuber: „Mittendrin“ bedeutet solide Arbeit im Bereich des investigativen Wirtschaftsjournalismus für die der Kurier bekanntlich seit Jahren steht. „Mittendrin“ bedeutet aber auch, betriebswirtschaftliche Abläufe zu verstehen und für die Leserschaft zu „übersetzen“. Zudem werden wir in der Kurier Wirtschaft mit speziellen Serien starten, über die wir zum gegebenen Zeitpunkt berichten werden. Vorab sei nur erwähnt, dass in der heimischen Wirtschaft eine hohe Bereitschaft herrscht, der Bevölkerung die Schwellenangst vor der Digitalisierung zu nehmen. Hier sind die Unternehmen durchaus bereit, Qualitätsjournalisten Einblicke in das Innere ihrer unternehmerischen Produktionswelt zu gewähren. (red)

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