••• Von Christian Novacek
Bei Nah&Frisch arbeiten derzeit 420 Kaufleute an 487 Standorten in ganz Österreich. Sie werden von vier Großhandelshäusern beliefert und kennen laut Nah&Frisch-Geschäftsführer Hannes Wuchterl ein Ziel: Die Besten sein. Inwieweit das in Zeiten von Overstoring und der immer mehr Fahrt aufnehmenden Digitalisierung im Handel heute noch möglich ist, legt Wuchterl im großem medianet-Interview dar.
medianet: Die Zahl der Nah&Frisch-Geschäfte nimmt, wenngleich geringfügig, ab. Gleichzeitig verkünden Mitbewerber wie Billa und Spar die Expansion. Wo steht Nah&Frisch in diesem Umfeld?
Hannes Wuchterl: Wir nehmen den starken Druck des filialisierten Wettbewerbs wahr, allerdings rechnen und denken wir nicht in der Zahl der Standorte. Bei uns zählen Kaufleute, deren Geschäft funktionieren muss. Wir können nicht mit fünf profitablen einen nicht profitablen Standort stützen – bei Nah&Frisch muss jeder Kaufmann und zunehmend jede Kauffrau wirtschaftlich rentabel agieren.
medianet: Und wie ist es um diese Rentabilität derzeit bestellt?
Wuchterl: Wir sind als Gruppe mit der Entwicklung sehr zufrieden, stets unter dem Aspekt, dass bei uns Qualität vor Quantität geht. Die Qualität ist hoch und wird weiter gesteigert. Sie finden bei uns Kaufleute, die keinerlei negative Auswirkung auf ihren Geschäftsgang spüren, wenn am Kreisverkehr vor dem Ort der Mitbewerb Geschäfte hinpflanzt. Nah&Frisch ist – sehr oft im Herzen des Orts – kerngesund.
medianet: In Bezug auf die Fitness von Nah&Frisch sind Sie dabei, Regionalität frisch zu definieren.
Wuchterl: Mit unserer Marke ‚aus’m Dorf' beleben wir das Thema neu. Wir definieren eine neue Stufe der Regionalität, nämlich echte Lokalität, denn die Ware kommt aus dem Dorf oder aus der Nachbargemeinde.
medianet: Da werden es einige leichter haben als andere. Vielleicht sollte die steirische Kauffrau Kernöl gegen Waldviertler Kartoffeln abtauschen?
Wuchterl: Das kann passieren, aber dann kann es nicht unter der Marke ‚aus’m Dorf' laufen. Prinzipiell werden sich aber Kaufleute in der Südoststeiermark mit ihrer Produktvielfalt aus dem Dorf vielleicht etwas leichter tun als jene im Waldviertel.
medianet: Was sagt der Großhandel zur Idee? De facto schneidet er sich doch ins eigene Fleisch, weil einiges in der Frische nicht mehr bei ihm gekauft wird.
Wuchterl: Da die vier Großhandelshäuser da und dort andere Schwerpunkte haben, ist es einfach fantastisch, dass sich beim ‚aus’m Dorf'-Konzept alle einig zeigten. Alle gaben ein klares Bekenntnis dazu ab – weil ihnen bewusst ist, dass wir uns damit erfolgreich weiterentwickeln, weil es ein gemeinsames klares Bild gibt, wohin wir uns entwickeln möchten.
medianet: Das heißt, Sie nehmen Abschläge im Großhandelsgeschäft in Kauf, um den Kaufmann zu stärken. Wie wirkt sich das auf den Konzentrationsgrad aus, wie hoch ist der aktuell?
Wuchterl: Der liegt teilweise bei über 80 Prozent – was ein großes Portfolio an Produkten aus dem Dorf zulässt. Dieses steht letztlich für die Individualität von Kauffrau und Kaufmann am Standort. Das ist gegenüber jenen, die sich in ihrem Sortiment nicht von den Filialen unter identem Markendach unterscheiden, eine bemerkenswerte Differenzierung. Darauf basierend, behaupte ich: Die besten Kaufleute sind Nah&Frisch Kaufleute!
medianet: Als Differenzierungsmerkmal würde ich ebenso die Eigenmarkenpolitik benennen – allerdings weiß ich nicht recht, ob ich den niedrigen Eigenmarkenanteil bei Nah&Frisch positiv oder negativ werten soll.
Wuchterl: Ihren Eigenmarkenanteil im Sortiment bestimmen bei uns die Kaufleute selbst, wir schreiben keine Sortimente vor. Aber es ist richtig, dass er bei Nah&Frisch gering ausgeprägt ist, wir fokussieren damit hauptsächlich auf die Preiseinstiegslage. Wir verstehen uns in erster Linie als Partner der Markenartikelindustrie. Aber auch abgesehen von den Eigenmarken ist Einkaufen bei Nah&Frisch nicht teurer als beim Mitbewerb.
medianet: Weil Sie sagen, es gibt kein vorgeschriebenes Sortiment – inwieweit sind denn Sortimentsvorgaben schlicht strukturell bedingt?
Wuchterl: Wir haben eine durchschnittliche Verkaufsfläche von rund 200 Quadratmetern. Es gibt aber auch Nahversorger mit weit weniger als 100 Quadratmetern und sie funktionieren. Klar ist, dass wir auf dieser Fläche ein anderes Angebot benötigen als ein Supermarkt mit 600 Quadratmetern. Zu Nah&Frisch kommen die Leute, weil sie sich nirgendwo sonst so wohl fühlen – auch wenn sie ihren Bedarf auch schon mal woanders decken.
medianet: Derzeit dominieren drei Trends die Branche: Overstoring, Digitalisierung und Gastronomie im Lebensmittelgeschäft. Die ersten beiden dürften für Nah&Frisch in die Kategorie Fremdwort fallen?
Wuchterl: Das Problem Overstoring haben wir tatsächlich nicht. Jeder einzelne Standort macht Sinn, das sind lauter selbstständige Menschen, die sich damit ihr Leben erwirtschaften. Auch die Möglichkeit, bei Nah&Frisch online einzukaufen, sehe ich bei unseren Kaufleuten derzeit als irrelevant an. Wir sind diesbezüglich bodenständig: Bei vielen funktioniert die Hauszustellung einfach persönlich per Anruf.
medianet: Bleibt die Gastronomie …
Wuchterl: Wir haben viele Kaufleute, die im Rahmen eines Re-Modeling ihrer Geschäfte Kaffee-Ecken schaffen. Das stößt vor allem in den Dörfern auf positive Resonanz, weil es dort eine soziale Funktion erfüllt – bei Jung und Alt.
medianet: Wird da nur Kaffee oder auch Bier getrunken?
Wuchterl: Kaffee. Das Bier wird häufiger an der Tankstelle konsumiert.
medianet: Für die Tankstellen haben Sie ebenfalls ein Konzept entwickelt – wie läuft das?
Wuchterl: ‚Nah&Frisch punkt' ist eine junge Vertriebslinie mit derzeit 24 Standorten. Damit bringen wir die Nahversorgung an die Tankstelle – mit einem starken Konzept, wo ich überzeugt bin, dass 24 Geschäfte noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sind. Somit sehen wir auf mehreren Ebenen einen sehr schönen Weg in die Zukunft vor uns – wobei Qualität und nicht Quantität das Motto für jede Kauffrau und jeden Kaufmann ist und bleiben wird. Das größte Kapital von Nah&Frisch sind die Kaufleute. Wir haben einfach die besten.