••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Normen machen Bauen und Wohnen teurer, klag(t)en Politik und Interessenverbände schon seit Jahren. Bei der Auftaktveranstaltung zum „Dialogforum Bau“ bei Austrian Standards am 18.1. begannen nun rund 100 Fachleute in Workshops damit, konkret zunächst die 600 rein nationalen Baunormen zu durchforsten. Der weitaus größte Teil der geltenden Normen sind europäische und/oder internationale Standards. Insgesamt gibt es 3.000 baurelevante Normen in Österreich. Über die für alle offene Online-Plattform dialogforumbau.at können alle Betroffenen Vorschläge einbringen.
Der Vorsitzende des Dialogforums Bau, Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel, nennt klare Ziele für den Check des baurelevanten Baunormenbestands: „Es geht um Leistbarkeit, Lesbarkeit und Vereinfachung. Nur wenn sich alle Beteiligten im Bauwesen beim Dialogforum einbringen – insbesondere jene, die Überregulierungen kritisieren –, kann dieses Projekt erfolgreich sein.“
Klare Vorgaben mit Zeitplan
Das breite Interesse an der Auftaktveranstaltung freut den Austrian Standards-Präsidenten Walter Barfuß: „Die Ergebnisse sollen als Auftrag zur bestmöglichen Umsetzung an die Komitees bei Austrian Standards weitergegeben werden, die für die Überarbeitungen der betroffenen ÖNORMEN zuständig sind.“
Ein Jahr lang wird nun ein bunter Mix von Fachleuten aus öffentlicher Verwaltung, von Universitäten ebenso wie Sachverständige, Architekten, Bauträger, Ingenieurbüros, Baumeister, Innungen und Vertreterinnen und Vertreter der Bauindustrie Empfehlungen ausarbeiten, welche Baunormen man vereinfachen oder vielleicht gar zurückziehen kann. Es geht um alle relevanten Bereiche des Baus, der Planung, der Errichtung, um den Betrieb sowie um die bessere Berücksichtigung von Folgekosten.
Austrian Standards-Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha ist es wichtig, den Prozess breit anzulegen: „Gestartet wird mit einer Problem- und Potenzialsuche; das Crowdsourcing über das dialogforumbau.at ermöglicht einen niederschwelligen Zugang für alle Betroffenen und Interessierten.“ Von Mai bis September werden in Arbeitsgruppen und Workshops die eingelangten Vorschläge und Anregungen als vorläufige Ergebnisse zusammengefasst und analysiert. Bis Jahresende werden sie dann wieder online beraten und diskutiert, und Anfang 2017 sollen dann Empfehlungen an jene zuständigen Komitees ergehen, in denen Normen überarbeitet werden.
Auch der Deutsche Städtetag, das Pendant zum österreichischen Städtebund, das deutsche Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie das Deutsche Institut für Normung DIN haben aus Interesse Vertreter zur Auftaktveranstaltung nach Wien entsandt. Bei DIN wird heuer ein ähnliches Projekt gestartet, weil auch in Deutschland Rufe nach klareren und einfacheren Normen im Baubereich laut geworden sind.
Normenanzahl hat sich reduziert
Die volkswirtschaftlichen Aspekte erläuterte Stampfl-Blaha bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz von Austrian Standards am 20.1.: „Österreich wird nur dann ein erfolgreicher ,Player‘ in der Normung sein, wenn das Trugbild der letzten Monate, bei Normen gehe es ausschließlich um den Baubereich, aufgelöst ist.“
Denn nur knapp über 10% aller heimischen Normen betreffen im weitesten Sinn den Baubereich, der damit hinter Sektoren wie Transport und Verkehr, IKT sowie Maschinenbau rangiert. Was die aktuelle Gesamtzahl der Normen betrifft, so ist diese entgegen manchen Vorurteilen stabil. „Es gab sogar einen Rückgang auf 23.050 Stück gegenüber 23.424 im Jahr davor“, präzisiert Stampfl-Blaha. Generell müsse Österreich den Level in puncto Teilnahme an der internationalen Normung halten und wie bisher unter den Top Ten bei der Mitgestaltung von Normen bleiben.