WKÖ-Bankensparte: „Anpassungen der FMA-Kreditvergaberichtlinien für Wohnbaukredite dringend erforderlich“
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Willi Cernko
FINANCENET REAL:ESTATE Redaktion 02.12.2022

WKÖ-Bankensparte: „Anpassungen der FMA-Kreditvergaberichtlinien für Wohnbaukredite dringend erforderlich“

WIEN. Die sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten gepaart mit hoher Inflation und steigenden Zinsen lassen viele Österreicher bei einem geplanten Immobilienerwerb oder Hausbau zunehmend vorsichtig werden. Die seit 1. August von der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) eingeführten Regeln zur Vergabe von Wohnbaukrediten (KIM-Verordnung) verstärken diesen Effekt und führen zusätzlich zu einem massiven Rückgang des Neugeschäftes. Das von österreichischen Banken vergebene Neukreditvolumen in dem Segment ist um 40 Prozent eingebrochen, wie aktuelle Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB)[1] zeigen. Das gefährdet für viele den Traum vom Eigenheim. 

„Wir unterstützen die grundsätzlichen Ziele der Verordnung. Tatsache ist aber auch, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen massiv verändert haben. Daher sollte man rasch auf das neue Umfeld reagieren und die notwendigen Anpassungen vornehmen”, so Willi Cernko, Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich. 

Besonders betroffen sind vor allem junge Familien, die einen erhöhten Bedarf an Wohnbaukrediten zur Schaffung ihres Eigenheimes haben. Der an Jungfamilien neu vergebene Anteil an Krediten beträgt rund 40%. Davon können über die Hälfte dieser Kreditnehmer die regulatorischen Vorgaben nicht erfüllen. Die Banken dürfen diese Kredite demnach nur unter Inanspruchnahme eines Ausnahmekontingentes gewähren, das jedoch - wie erste Auswertungen zeigen – den Kreditbedarf von Jungfamilien bei weitem nicht decken kann. Dies führt dazu, dass ein Großteil der Kredite an junge Familien abgelehnt werden muss und somit der Wunsch nach einem Eigenheim für viele unerfüllt bleibt. 

„Wir haben alle ein gemeinsames Interesse an einem stabilen Finanzmarkt unter gleichzeitiger Ermöglichung der Schaffung von Wohnraum. Daher bin ich auch zuversichtlich, dass es hier zeitnah zu Anpassungen kommt. Die in der aktuellen Form vorliegende Verordnung wirkt leider krisenverschärfend “, so Cernko. Für Jungfamilien und Kreditnehmer unter 36 Jahren würde bereits eine geringe Anpassung, in Form einer Anhebung der Schuldendienstquote (von 40% auf 45%) und der Beleihungsquote (von 90 % auf 95%) eine deutliche Besserung bringen und das Ausnahmekontingent massiv entlasten. 

Denn das Ausnahmekontingent wird derzeit bereits zu einem großen Teil von in der Praxis für Kreditnehmer essenziellen Finanzierungsform, der Zwischenfinanzierung, belastet. Mehr als ein Drittel des den Banken zur Verfügung stehenden Ausnahmekontingentes muss allein für Zwischenfinanzierungen verwendet werden. 

Ein Beispiel: Eine junge Familie wächst und möchte sich eine größere Wohnung kaufen. Zur Besicherung des Neukaufs, darf im aktuellen Fall die noch bewohnte Immobilie nicht als Sicherheit herangezogen werden, obwohl diese zeitnah wieder verkauft wird und in diesem Ausmaß den Kredit mindert. Die kurzfristige Zwischenfinanzierung bis zum Verkauf der bestehenden Wohnung rechnet undifferenziert in die Kennzahlen. Banken müssen aktuell den vollen Kreditbetrag für die neue Immobilie – ohne Abzug des Werts der aktuellen Wohnung – in ihr Ausnahmekontingent nehmen. 

„Die aktuellen Bemühungen des Finanzministers zur Entlastung von Erstimmobilienkäufern, wie etwa der Entfall der Grunderwerbssteuer sowie der Grundbucheintragungsgebühr, sind sehr begrüßenswert und würden zusätzlich helfen, jungen Familien den ersten Erwerb eines Eigenheims zu erleichtern. Sollte es jedoch zu keiner gezielten Adaptierung der KIM-Verordnung kommen, können die Banken dem Kreditbedarf der Menschen in den nächsten Jahren wohl nicht mehr nachkommen“, so Cernko.

Im europäischen Vergleich ist die Eigentumsquote in Österreich ohnehin historisch niedrig. Während beispielsweise in Italien 74%, in Tschechien 78% oder in Frankreich 65% Wohneigentum besitzen, so sind es in Österreich nur 54%.[2](PWK508/JR)

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