••• Von Oliver Jonke und Paul Hafner
Der heimische Lebensmittelhandel scheint das Gröbste hinter sich zu haben, von ruhigem Fahrwasser kann aber noch keine Rede sein. Nah&Frisch-Geschäftsführer Hannes Wuchterl blickt im medianet-Interview auf ein den Umständen entsprechend recht solides Jahr zurück.
medianet: Wie ist das Geschäftsjahr 2024 für Nah&Frisch gelaufen?
Hannes Wuchterl: Es war – wie für den gesamten Handel einschließlich des stationären Lebensmittelhandels – ein weiteres sehr herausforderndes Jahr. Der anhaltende russische Angriffskrieg, eine immer noch anhaltend hohe Inflation, große Probleme punkto Personal … diese multiple Krise schafft eine Gemengelage, die auf Dauer dafür sorgt, dass Kaufleute eben irgendwann sagen, sie wollen ihr Geschäft in dieser Form nicht mehr weiterführen. Vor diesem Hintergrund haben wir mit 323 Millionen Euro – ein Plus von einem Prozent – ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis erzielt.
medianet: Mit wie vielen Geschäften ist das gelungen?
Wuchterl: Wir haben aktuell 349 Nah&Frisch-Standorte, die von 331 Kaufleuten betrieben werden. Dazu kommen 32 Nah&Frisch punkt-Standorte an den Tankstellen.
medianet: In welche Richtung weist da die Tendenz – droht eine weitere Verschärfung oder winkt eine Entspannung?
Wuchterl: Das hängt mit der wirtschaftlichen Gesamtsituation zusammen. Geht es der Wirtschaft gut, haben Leute leicht einen Arbeitsplatz, dann ist es sehr schwierig, selbständige Kaufleute zu finden, weil die Leute die Vorteile des Angestelltenverhältnisses stärker auf die Waagschale legen; in dem aktuellen Umfeld wiederum, wo es gar nicht mehr so einfach ist, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, sehen wir, dass es für uns wieder leichter wird, Kaufleute und vor allem auch gute Kaufleute für Standorte zu finden. Also wir bemerken, dass es bei der Neubesetzung der Standorte – wo wir uns teilweise recht schwer getan haben – langsam ein bisschen leichter wird. So kann es sein, dass wir vielleicht am Ende dieses Jahres sogar mehr Standorte haben als am Anfang. Da hilft uns auch ein gewisses Umdenken in der Politik, und da möchte ich im Speziellen die Steiermark hervorheben. Da ist wirklich spürbar, dass hier auch auf Landesebene ein stärkeres Interesse da ist, Nahversorgung in kleinen und kleinsten Gemeinden nicht nur zu sichern, sondern wiederherzustellen.
medianet: Stichwort Politik. Was erhoffen Sie sich, was erhoffen sich die Kaufleute von der neuen Bundesregierung?
Wuchterl: Im Regierungsprogramm ist ja eine Reihe von Entbürokratisierungsmaßnahmen für Klein- und Kleinstbetriebe vorgesehen. Das ist alles willkommen. Alles, was den Kaufmann oder die Kauffrau administrativ entlastet, ist willkommen. Erstens, weil er dann mehr für seine Kunden da sein kann, und zweitens, weil es seine Profitabilität verbessert. Bisher sehe ich da Überschriften – ich bin gespannt, was dann darunter steht. Die Änderung bei der Belegpflicht als konkrete Maßnahme ist natürlich einmal sehr erfreulich – aber das darf jetzt bitte nicht als Leuchtturm der Entbürokratisierung gesehen werden, darauf darf es sich jetzt nicht beschränken. Darüber hinaus möchte ich auch einmal festhalten: Nahversorgung ist für mich Infrastruktur. Und damit sollte es auch Aufgabe der öffentlichen Hand sein, in diese Infrastruktur zu einem gewissen Maße zu investieren bzw. neben der Entbürokratisierung auch tatsächlich Fördermodelle auf den Weg zu bringen und Finanzierungen zu ermöglichen.
medianet: Ein heikler Punkt insbesondere für kleine Geschäfte war auch die Einführung des neuen Pfandsystems. Wie funktioniert das?
Wuchterl: Die große Nagelprobe kommt erst. Die bepfandeten Produkte sickern erst jetzt in die Märkte. Bis dato können wir sagen, dass alles rund läuft – wir haben in Summe in unserem System dann doch 164 Automaten aufstellen können, was das Handling für unsere Kaufleute entsprechend erleichtert. In den restlichen Geschäften muss das Gebinde händisch zurückgenommen werden, kommt bei entsprechender Befüllung in einen Leergutsack, wird plombiert und über die Großhandelshäuser zurück zu den Sammelzentren gebracht.
medianet: Was steht für Nah&Frisch heuer alles am Plan, welche Themen beschäftigen die Organisation 2025 besonders?
Wuchterl: Wir sehen vier große Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt – die größte ist das Vorantreiben der Verjüngung und Modernisierung unseres Standortnetzes in Richtung Hybridlösung; aktuell stehen wir bei 50 Hybridstandorten, und überall dort, wo ein neuer Standort eröffnet, aber auch wo „remodelt” und wiedereröffnet wird, kurz überall, wo es irgendwie geht, sorgen wir dafür, dass wir eine Hybridlösung etablieren. Die zweite große Herausforderung ist und bleibt das Finden neuer Kaufleute – auch jüngerer Kaufleute – für unsere Standorte; da sehe ich, wie bereits erwähnt, eine gewisse Beschleunigung. Dann kommt noch drittens hinzu, wie man gerade junge Konsumenten und zukünftige Entscheidungsträger in der heutigen Zeit erreicht – die kein klassisches Fernsehen mehr schauen, kein Radio mehr hören. Gerade auf Social Media ist die Bereitschaft, Einzelpersonen zu folgen und dem zuzuhören, was diese zu sagen haben, ja groß. Und da stehen wir gemeinsam mit den Kaufleuten vor der Herausforderung, wie man das professionell und persönlich angeht. Last but not least spielt der Preis im Lebensmittelhandel aktuell eine besonders dominante Rolle – und Preiseinstiegswaren sind ehrlicherweise nicht unsere Kernkompetenz. Dem können wir nur mit einer Profilschärfung entgegenwirken: Bei uns ist es vielleicht ein bisschen, aber auch wirklich nur ein bisschen teurer – dafür hat man hier ein anderes Lebensgefühl, erlebt ein anderes Einkaufen und sorgt dafür, dass die Nahversorgung im Ort bleibt.