„An der Zeit für den geordneten Rückzug”
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RETAIL Redaktion 07.03.2025

„An der Zeit für den geordneten Rückzug”

Alarmierende Leerstandsraten in Österreichs Kleinstädten nötigen Händler zu Konsolidierungsmaßnahmen.

••• Von Paul Hafner

Erstmals seit 2017 weist die jährlich von Standort + Markt erhobene Gesamtverkaufsflächenentwicklung von Österreichs Primär- und Sekundärstädten ein zartes Plus auf – nach massiven Rückgängen von bis zu zwei Prozent (2021) steht für 2024 ein Plus von 0,26% zu Buche. Ist das Shopflächensterben damit gestoppt, kündigt sich hier eine Trendwende an?

Mitnichten, meint Studienautor Hannes Lindner: Das letztjährige Wachstum sei nahezu ausschließlich auf die Eröffnung der Shopping Mall Vio Plaza in der Meidlinger Hauptstraße in Wien zurückzuführen – würde man sie ausklammern, landete man bei einem Minus von 0,37%.
Wie Lindner im Rahmen der gemeinsam mit dem Handelsverband abgehaltenen Präsentation des City Retail Health Checks 2024/25 erklärt, habe sich die Lage in der Tat weiter zugespitzt: „Aufgrund der aktuellen Leerstandsentwicklung rechnen wir damit, dass das Shopflächensterben in den kommenden Jahren ein noch größeres Ausmaß annehmen wird”, betont der CEO von Standort + Markt.

Hoher Leerstand als Vorbote

Der „harte” Leerstand, der von 2014 bis 2021 sukzessive auf einen Höchstwert von 6,2% angewachsen ist, habe sein „Ventil” 2021 in einem besonders starken Shopflächenrückgang (–1,97%) gefunden, erinnert Lindner: „Damals fielen Shopflächen, die schlicht und einfach nicht mehr als solche vermietet werden konnten, aus dem Markt, was zu einer Erholung der Leerstandsquoten bis 2023 führte.”

2024 lag die Leerstandsquote in den 24 größten Innenstadtbereichen wiederum bei 5,5%, was einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr bedeutet; „besonders besorgniserregend” sei die Situation in den Kleinstädten, wo die Leerstandsquote im Schnitt bei mittlerweile 15,6% liegt.

Angebotsmix im Wandel

Worin diese Leerstandsakkumulierung in Kleinstädten mittelfristig münden wird, daran besteht für den Handelsforscher kein Zweifel: Einem irreversiblen Shopflächenrückgang und einer Verschärfung der ohnehin kritischen Situation in den Ortskernen.

„Der Flächenanteil der Einzelhändler in den österreichischen Citys ist seit 2014 von 72,8% auf 65,5% geschrumpft”, legt Lindner dar. In diesem Zeitraum habe sich die Angebotsstruktur der Innenstädte massiv verändert: Während der Modehandel in den Primär- und Sekundärstädten rund 123.000 m² und damit ein Fünftel seiner Verkaufsfläche verloren hat, legte die Nahversorgung kontinuierlich zu und könnte „bald die Hälfte der Modeflächen ausmachen”. Bei der Gastronomie zeigen sich wiederum „erste Sättigungstendenzen”, während Dienstleistungsangebote und Freizeitflächen an Bedeutung gewinnen würden.
„Verantwortlich dafür sind zum einen der E-Commerce-Boom und die Teuerungskrise, zum anderen ausbleibende Reformen und die lähmende Bürokratie, die den stationären Handel in Österreich stärker belastet als in allen anderen EU-Ländern”, erläutert HV-Geschäftsführer Rainer Will.
Auch der Verkaufsflächenrückgang der Citys im Segment Wohnungseinrichtung begann 2021: Lag der Flächenanteil damals noch bei stattlichen acht Prozent, sind es heute nur mehr 5,3%.

Eine Frage der Lage

„Die Lage spitzt sich zu, die hohen Leerstände kündigen an: Die Shopflächen werden weiter schrumpfen. Die Mode verliert dramatisch, die Gastronomie stagniert und wird die Situation auch nicht retten”, fasst Lindner nüchtern gegenüber einem imaginierten Bürgermeister einer typischen österreichischen Kleinstadt zusammen.

Will bringt die Herausforderung auf den Punkt: „Die österreichischen Innenstädte stehen an einem Wendepunkt. Eine bloße Flächenverwaltung wird nicht ausreichen, um die Einkaufsstraßen zukunftsfähig zu gestalten.” Was also ist zu tun?
Man müsse sich verstärkt auf die Frage konzentrieren, „wie es um die Stadt selbst steht”, meint Lindner. Das Idealbild einer Stadt sehe so aus, dass bestimmte Nutzungen „schön zentral angesiedelt seien” – in der Realität sei dies selten der Fall.
Die Zukunft des stationären Handels und die Resilienz der Städte dürfe nicht mehr allein von Verkaufsflächen abhängig werden, sondern der Fokus müsse auf der multifunktionalen Nutzung der City liegen, plädiert Lindner. Es sei an der Zeit für den „geordneten Rückzug” – nämlich einer Abkehr von den hoffnungslosen C-Lagen, „da haben Shops nichts mehr verloren. Stattdessen gilt: Voller Fokus auf die A-Lage!”.

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