Das Lekkerland ist kein Honigschlecken
© Peter J. Obenaus
RETAIL christian novacek 01.07.2016

Das Lekkerland ist kein Honigschlecken

Das deutsche Großhandelsunternehmen geht mit der Zeit und entwickelt sich zum Fullservice-Anbieter für Unterwegsversorger.

••• Von Christian Novacek


Convenience, das war in fernen 80er-Jahren erstens ein Fremdwort und zweitens in der praktischen Umsetzung eine Wurstsemmel an der Tankstelle. Irgendwann kommt dann die gut gekühlte Dose Coca-Cola zur Wurstsemmel – und somit nimmt auch schon die Urform des österreichischen Convenience-Stores erste, unscharfe Konturen an.

Ein Player der ersten Stunde in Sachen Convenience ist Lekkerland, lange Zeit eine Art Löwe der Tankstellen und Kioske. Ebenso Ansprechstation für manche Kleinhändler, denen Adeg, Nah&Frisch oder Spar ein zu enges Korsett ­geschnürt hatten.
Die Zeiten haben sich geändert: Heute bläst dem Löwen ein rauer Wind entgegen. Spar lädt express zum Tankstellen-Shoppen, Billa fügt dem Stop an der Tanke den Shop hinzu. Das hierzulande einstmals recht stiefmütterlich behandelte Konzept des Convenience-Stores wird plötzlich schick. Einer der Hauptgründe dafür sind die hierzulande vor allem im Vergleich zum benachbarten Ausland etwas rigoros geregelten Ladenöffnungszeiten.

Auf dem richtigen Weg

Wie hat die Lekkerland Gruppe zusehends unconvenient werdende Zeiten überstanden? „Die Geschäftszahlen 2015 belegen: Wir sind auf dem richtigen Weg und verzeichnen erste Erfolge”, erläutert Michael Hoffmann, Vorstandsvorsitzender (CEO) der Lekkerland Gruppe. „Mit ‚Convenience 2020' sichern wir den aktuellen und zukünftigen Erfolg von Lekkerland – und damit zugleich den unserer Kunden.” Richtungsweisend für die Gruppe war somit das Jahr 2015; dieses stand unter dem Zeichen der Umsetzung der Strategie Convenience 2020.

Die Strategie lässt sich in Zahlen ausdrücken: Der Umsatz der gesamten Lekkerland Gruppe konnte im wettbewerbsintensiven Markt­umfeld um 4,2 Prozent auf 12,484 Mrd. € gesteigert werden. Der Rohertrag erhöhte sich um 23,8 Mio. auf 595,8 Mio. €. Durch Optimierungen auf der Kostenseite konnte das EBIT (trotz außerordentlicher Belastungen im Rahmen der Strategieumsetzung) um 12,9 Mio. € auf 66,5 Mio. € verbessert werden. Das deutsche Großhandelsunternehmen ist neben Österreich auch in den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Spanien und Luxemburg vertreten – teils mit Beteiligungen, teils mit 100%igen Tochterunternehmen.
In Sachen Neukunden ging Lekkerland im Vorjahr ein dicker Fisch ins Convenience-Netz: In Deutschland dockte Starbucks als erste große internationale Quick Service Restaurant-Kette an Lekkerland an. Weiters wurden Verträge mit bestehenden Kunden verlängert – etwa in Deutschland mit der Westfalen-Gruppe oder in Spanien mit Zena, einer führenden Restaurantkette. In der Schweiz steht die Übernahme des Mitbewerbers Contadis für einen neuen Kundenstamm, der ins Lekkerland-Gefilde gehievt wurde.

Ganzheitlicher Ansatz

Die Vision hinter der Expansion lautet heute: zum ganzheitlichen Full-Service-Konzeptanbieter für alle Kanäle der Unterwegsversorgung zu werden. Die Herausforderung dabei: Die Bedürfnisse der Kunden verändern sich stetig. Ergo müssen – um die Lekkerland-Partner fortlaufend wettbewerbsfähig zu halten – immer wieder neue Services auf- und ausgebaut werden. Das reicht vom Lekkerland Webshop bis hin zur Kundenzeitung Mein Shop oder dem SO/OK-Eigenmarken-Konzept.

Das Tool, auf das man bei Lekkerland besonders stolz ist, lautet auf „360-Grad-Fitnesstest” für Shops, Kaffee- und Bistrokonzepte. CEO Hoffmann: „Bei allen Aktivitäten haben wir immer die Herausforderungen unserer Kunden, der Shopbetreiber, im Blick.”

Lekkerland Österreich

In Österreich stand 2015 ebenfalls die Umsetzung von Convenience 2020 im Fokus. Auch hier lässt sie sich in Zahlen widerspiegeln: Die Erlöse stiegen im Vergleich zu 2014 um 14,2% bzw. 11,4 Mio. € auf 91,7 Mio. €. „Wir freuen uns über die posi­tive Entwicklung”, kommentiert Emmanuel Fink, Geschäftsführer von Lekkerland ­Österreich. „Doch wir haben auch in der Zukunft noch einiges zu tun.” Der Transformationsprozess ist im Laufen, sein Ziel lautet, Wachstum zu fördern und das Ganze – wie heutzutage Usus – bei gleichzei­tiger Kostenreduktion.

Lekkerland Österreich konnte im Vorjahr die Bäckereikette Ströck mit 78 Filialen als Neukunden gewinnen; weiters wurde das Belieferungskonzept für Tiefkühlprodukte flächendeckend ausgerollt. Verträge mit Mineralölunternehmen wurden verlängert und ausgeweitet. Wesentliches Tool im Tankstellengeschäft ist das Bistrokonzept. Vom Bistro ist es wiederum nicht weit zum Kaffee – Lekkerland hat in ­Österreich ein Kaffeekonzept für den PoS implementiert; dabei werden in Zusammenarbeit mit starken nationalen Partnern individuelle Lösungen für Shopbetreiber entwickelt. Die beinhalten neben den passenden Kaffeebohnen und -maschinen auch Zubehör wie Becher, Marketingmaterialien und Möbel. Zum Konzept wurde auch gleich der „kleinste Backshop der Welt” mitentwickelt – als ergänzende Gesamtlösung für Backwaren im Shop. Ebenfalls ausgerollt wurde in Österreich das erwähnte neue Lekkerland Eigenmarken-Konzept namens SO/OK.

Eni am Lekkerland-Netz

Der aktuell wesentliche Wachstumsimpuls liegt aber in der Gewinnung von 200 Tankstellen des Mineralölkonzerns Eni als Kunden; entsprechend positiv schätzt Emmanuel Fink, seit Jahresbeginn Geschäftsführer von Lekkerland Österreich, die Situation ein: „Das heurige Geschäftsjahr ist im ersten Quartal sehr gut angelaufen, und wir sind zuversichtlich, dass es sich weiterhin positiv entwickelt.”

Im Vorjahr konnte Lekkerland den Umsatz von 80,3 auf 91 Mio. € steigern. Rund 70 Mio. € werden mit Tankstellen erwirtschaftet, 16 Mio. € kommen von Systemkunden wie Bäckereien, Elektrohandels-und Baumarktketten und der Rest von Regionalkunden wie Schulbuffets oder Kinos.
Als Wachstumspotenzial verortet Fink allerdings nicht nur Neukunden, sondern ebenso die Sortiment­erweiterungen. Neben Trocken- und Frischware führt Lekkerland seit dem Vorjahr Tiefkühlware. Die, so Fink, sei derzeit der größte Wachstumsmarkt im Tankstellenbereich: „Eis beispielsweise ist ein schönes Impulsprodukt.” Weiteres Ziel sei es, heuer den Lebensmittelbereich – zum Beispiel Backwaren, Kaffee oder Leberkäsesemmeln – weiter auszubauen. Fink antizipiert dabei den international vorgegebenen Full-Service-Ansatz. Man liefere beispielsweise nicht nur die Ware für das Tankstellen-Bistro, sondern stelle Gesamtmodule, von der Einrichtung des Bistros über Präsentationsmöglichkeiten bis hin zu Marketingkonzepten, zur Ver­fügung.

Neue Logistikkonzepte

Was nun eine der urtümlichsten Stärken des Unternehmens betrifft, nämlich die Logistik, so feilt Lekkerland Österreich an neuen Konzepten. Flexibler und schneller werden, lautet die Devise. Es gilt, sich von den gleichfalls in der Convenience-Szene mächtigen Händlern Spar und Rewe abzuheben. Daher werden flexible Möglichkeiten der Zustellung, etwa mit Klein-Lkw oder Paketlogistikern, evaluiert: „Im Herbst sollen konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen”, prognostiziert Fink.

Nicht ganz rund läuft es indes im Geschäft mit Telefon-, Bezahl-und Geschenkkarten. Seit 2014 wird damit Unimarkt beliefert. Die Zielpunkt-Pleite hat einer weiteren Expansion aber den Strich durch die Rechnung gemacht. „Die Verträge waren schon unterzeichnet”, sagt Fink. Jetzt gilt leider: „Der Markteintritt in diesem Segment ist vorerst zurückgestellt.”

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