Das neue Bio ist nicht nur gut, sondern schön & fair
© Ja!Natürlich/Christian Dusek
Martina Hörmer und Andreas Steidl von Ja! Natürlich, Helene Karmasin (Behavioural Insights; v.l.).
RETAIL christian novacek 20.05.2016

Das neue Bio ist nicht nur gut, sondern schön & fair

Konsumenten essen gern Kühe, die glücklich waren. Und die Bauern produzieren lieber Bio, als Pulver in den Milchsee zu schütten.

••• Von Christian Novacek

WIEN. Ein Fünftel der bei ­Rewe verkauften Milch ist der Bio-Marke Ja! Natürlich zuzurechnen. Ein weiteres (gutes) Fünftel geht auf die Diskont-Marke clever. Dazwischen liegt der Löwenanteil (z.B. NÖM oder die Marke Billa) des mittleren Preissegments um knapp mehr als 1 €. Zwischen Ja! Natürlich-Milch und clever klafft nicht nur eine Preiskluft von rd. 40 Cent auf, sondern gleichsam zwei Welten: In der einen geht es dem Bio-Bauern gut, und in der anderen steht das konventionelle Milchgeschäft extrem unter Preisdruck. „Der Zuschlag für heimische Bio-Milch hat sich innerhalb eines Jahres von 7,5 auf 11 Cent netto erhöht, bei der Ja! Natürlich Top-Qualität wird den Bauern inklusive Heumilchzuschlag sogar ein Aufpreis von 18,3 Cent netto zuerkannt”, berichtet Ja! Natürlich-Geschäftsführerin Martina Hörmer vom intakten Bio-Milchpreisgefilde.

Kuhschlachten & Bauernsterben

Von drei Mio. t Milch, welche die Bauern 2014 an die Molkereien geliefert haben, entfallen rd. 15% auf die Produktion von Bio-Milchprodukten. Ab 2015 fehlen valide Daten, für 2016 schätzt Andreas Steidl, der bei Ja! Natürlich das Qualitätsmanagement leitet, dass sich der Milchsee auf mindestens 3,5 Mio. t Milch aufstauen wird – mit einer weiterhin steigenden Tendenz. In diesem Milchsee, der sich vor allem im Export nach Italien spannenmäßig pulverisiert, wird der Bio-Anteil höher. „Viele Bauern nehmen jetzt eine zweijährige Umstellung auf Bio in kauf, weil sie im konventionellen Betrieb keine Zukunft mehr sehen”, sagt Steidl. Deutschland, das in der Preis­erosion weiter fortgeschritten ist als Österreich, illustriert eine düstere Milchpreis-Zukunft – ergo beginnen in unserem wichtigsten Exportland bereits die Kuhschlachtungen. Von Interessensvertretern unausgesprochen: Nach dem Kuhschlachten kommt das Bauernsterben.

Strukturbereinigung kommt

Zwar wird es in der Bio-Produktion ebenfalls zur Strukturbereinigung kommen, aber wenn irgendwo im Milchmeer Land in Sicht sein sollte, dann ist es wohl tatsächlich die Bio-Insel. „Allein der Zuschlag bei unserer Premium-Milch ist so hoch wie bei anderen der Gesamtmilchpreis”, bringt es Hörmer auf den Punkt. Das wonnige Gegenwartsbild könnte aber bald bröckeln: „Wir sehen, dass es momentan ­Tendenzen am Markt gibt, die darauf hinweisen, dass auch der Preis der Bio-Milch zurückgeht”, berichtet Steidl. Das liegt vor allem daran, dass die Anlieferungen im Bereich der Bio-Milch noch stärker gestiegen sind als im konventionellen Sektor. Die zusätzlichen Bio-Milchmengen können aber aktuell nicht mehr so leicht exportiert werden. Den triftigen Grund dafür ortet Steidl in Standards, die zu wenig der Kundenerwartung entsprechen – und aus agrarpolitischen Motiven niedrig gehalten werden. Damit sei zwar der Umstieg auf Bio und die Leistungssteigerung innerhalb bestehender Biobetriebe einfach – die Überproduktion am Markt werde dadurch aber befeuert. Hörmer hält dem ein Höherschrauben der Ja! Natürlich-Standards entgegen: „Wir wollen 100 Prozent Freiheit für alle Bio-Milchkühe in Österreich – das ist unsere Vision für die nächsten Jahre”, sagt sie und führt weiter aus: „Derzeit genießen bei Ja! Natürlich bereits alle Trinkmilch- und insgesamt 70 Prozent aller Bio-Kühe diese Freiheit. Unser erklärtes Ziel ist es, die Anbindehaltung so bald wie möglich für alle unsere Bio-Milchkühe zu verbannen.”

Letztlich veranschaulicht folgender Vergleich, dass sich der Aufwand lohnt: Eine Bio-Milchkuh, die pro Jahr 6.000 Kilo Milch produziert, bringt mehr Ertrag als die konventionelle Kraftfutter-Genossin mit 9.000 Kilo.

Der Konsument liebt Bio

Der Grund, dass sich Bio-Milch überhaupt lohnen kann, liegt grundsätzlich beim Konsumenten. Dieser entscheidet, ob für ihn der Mehr-Preis den Mehr-Aufwand rechnet. Helene Karmasin von Behavioural Insights sieht das so: „Menschen sind zunehmend dazu bereit, für Produkte mit emotionalem Wert und solchen, die ihren Vorstellungen von der Welt entsprechen, in der sie leben möchten, mehr zu bezahlen.” Damit würden die Produkte und Marken zu Trägern von Werthaltungen. „Die Gruppe von Konsumenten, die sich wünscht, dass soziale Werte wie Umweltschutz, soziale Fairness und zunehmend Tierschutz berücksichtigt werden, wird immer größer”, folgert Karmasin weiter. Ihrer Meinung nach ist der Konsument nicht nur egoistisch und preislich fixiert. Sie nennt auch solche, die einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten wollen.

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