KÖLN/WIENER NEUDORF. Der Machtwechsel bei Deutschlands zweitgrößtem Lebensmittelhändler wird vollzogen: Lionel Souque übernimmt per 1. Juli die Leitung der Kölner Rewe-Gruppe. Der 45-jährige Manager stand bisher im Schatten seines Vorgängers Alain Caparros, der es liebte, mit starken Worten Schlagzeilen zu machen. Die Rewe-Gruppe kennt Souque in allen denkbaren Facetten.
Wie Caparros ist Souque Franzose, er verzichtet gleichsam gern auf eine Krawatte, gilt dabei aber als ausgeglichener als sein Vorgänger. Der bekennende Sportfan spricht perfektes Deutsch mit leicht französischem Akzent. Gelernt hat er es während eines zweijährigen Studienaufenthalts in Reutlingen. Nach dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums führte der Weg des gebürtigen Parisers schnurstracks zum Kölner Lebensmittelhändler, der gerade mit seiner Auslandsexpansion begann – und deshalb auf der Suche nach ausländischen Mitarbeitern war.
Am Anfang gab’s Krawalle
An die erste Zeit beim Kölner Unternehmen erinnert sich der Manager mit gemischten Gefühlen. Schon nach wenigen Monaten bekam er die Leitung einer Filiale der Diskont-Tochter Penny in einem sozialen Brennpunkt in München übertragen. „Fast jeden Tag gab es Krawall im Markt”, erzählt er. Doch Souque biss sich durch – und machte Karriere.
Zunächst bei den Rewe-Auslandstöchtern: „Ich hatte Glück. Das wollte kein anderer machen”, erzählt er und preist die Vorteile des Schritts: „Im Ausland konnte man viel mehr entscheiden.” Immer wieder wechselte Souque das Land, knüpfte neue Kontakte, sammelte Erfahrungen. Das machte sich bezahlt: Bereits mit 35 zog er 2007 in den Vorstand von Rewe International ein; 2009 übernahm er die Leitung von Rewe Deutschland und wurde Mitglied des Gesamtvorstands. Jetzt wartet der Chefsessel.
Reibungsloser Übergang
Der Übergang zwischen Caparros und Souque dürfte geräuschlos erfolgen. Beide haben schon seit Jahren als Team gearbeitet. Langweilig dürfte es dem Manager dennoch nicht werden. Die Herausforderungen der nächsten Jahre haben es nämlich in sich.
Etwa: Die wiedererstarkten Diskonter. Nach einer kurzen Schwächephase (in Österreich mehr bei Hofer als bei Lidl) glänzen Aldi und Lidl derzeit in Deutschland wieder mit kräftigen Umsatzzuwächsen. Sie stecken Milliarden in die Modernisierung ihrer Läden und rücken optisch und in Teilen des Angebots immer näher an die klassischen Supermärkte heran. Hier wird Rewe reagieren müssen.
Zweitens: Die demografische Entwicklung. Durch den erwarteten Bevölkerungsrückgang drohen nicht nur Umsatzeinbußen. Es dürfte für Rewe auch schwieriger werden, genug neue Mitarbeiter zu finden.
Und Nummer drei: die Online-Konkurrenz. Spätestens seit dem Start von Amazon Fresh ist klar, dass der Lebensmittelhandel nicht vor der Konkurrenz aus dem Internet verschont bleibt. Zwar bietet Rewe in 75 Städten selbst die Möglichkeit zum Online-Einkauf. Doch vom lukrativen Geschäftsmodell ist der Handelsriese ein nettes Stück entfernt. „Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren mit Online Geld verdienen, aber andere auch nicht”, beschreibt es Souque. (APA/nov).