Handelsverband warnt vor Packerlflut aus China
© Katharina Schiffl
RETAIL Redaktion 19.10.2018

Handelsverband warnt vor Packerlflut aus China

Handelsverbands-Präsident Stephan Mayer-Heinisch: Chinesische Online-Marktplätze werden beliebter.

Jack Ma hebt beschwörend die Hand, und die Preise purzeln. In China sowieso. Aber auch hierzulande werden die Online-Einkaufstüren der chinesischen Betreiber immer häufiger passiert. eCommerce-Plattformen wie AliExpress (Alibaba) oder Wish locken mit einem riesigen Sortiment an spottbilligen chinesischen Produkten. Gerade aktuell scheint eine regelrechte Überflutung des europäischen Markts bevorzustehen – sofern sie nicht schon passiert ist. Das legt jedenfalls der „Handelsverband Consumer Check” nahe: Der hat sich den Trend zum Cross Border Online-Shopping in Fernost genauer angesehen und dazu die österreichischen Konsumenten befragt.

Little China in Kärnten

Ergebnis des aktuellen Consumer Checks: „62 Prozent der Österreicher haben bereits zumindest einmal bei chinesischen Online-Händlern eingekauft, bei den Unter-39-Jährigen sind es sogar über 70 Prozent”, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Häufig erfolgt dieser Kauf über Marktplätze wie Amazon oder Wish.com. Letztere war 2017 die am meisten heruntergeladene Shopping-App in den USA und zählt zu den am schnellsten wachsenden eCommerce-Anbietern weltweit. „Rund ein Viertel der heimischen Konsumenten hat auch bereits Erfahrungen mit chinesischen Marktplätzen wie AliExpress gemacht, wo Endkunden weltweit von chinesischen Händlern und Herstellern kaufen können”, bestätigt das auch Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes.
Im Bundesländervergleich zeigen insbesondere die Konsumenten in Kärnten (72%), der Steiermark (70%), Salzburg und Vorarlberg (je 69%) eine Vorliebe für chinesische Anbieter. Das Schlusslicht bildet Niederösterreich mit 54%.
Vier von zehn Österreichern kennen AliExpress. Andere chinesische Anbieter wie Gearbest (7,4%), Lightinthebox (6,4%) oder Bang good (5,4%) sind vergleichsweise unbekannt.

Top 5-Pro-Argumente

Die Top 5-Faktoren für den Einkauf bei chinesischen Online-Händlern sind:
• Günstige Preise bzw. gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (54%)
• Große Produktvielfalt (40%)
• Zugang zu exotischen Produkten (25%)
• Versandkostenfreie Lieferung (20%)
• Zugang zu asiatischen Marken (16%).

Top 5-Gegenargumente

Die Top 5-Faktoren gegen den Einkauf bei chinesischen Online-Händlern sind:
• Qualitätsmängel (36%)
• Schwierigkeiten bei Retouren (32%)
• Lange Lieferzeiten (30%)
• Problematik von Produktfälschungen (27%)
• Ökologische Bedenken (24%).

Falschdeklarationen

2017 gelangten mehr als 560 Mio. chinesische Pakete im Cross-Border-Handel nach Europa, davon 97% (!) gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei. Wie ist das möglich? Zum einen aufgrund von Einfuhrumsatzsteuerbefreiungen (bis 22 € Warenwert) und Zollfreigrenzen (bis 150 €). Zum anderen aufgrund bewusster Falschdeklarationen – diese ortet jedenfalls der Handelsverband.

„Leider ‚vergessen' viele chinesische Online-Händler allzu gern, für ihre Pakete bei der Einfuhr in die EU auch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen”, berichtet Rainer Will. Er führt aus: „Die Pakete werden bewusst falsch deklariert, um unter der Freigrenze von 22 Euro zu bleiben.” Das vermeintliche Schadensausmaß macht er allein in Österreich bei mindestens 120 Mio. € fest. Und europaweit sollen es sogar mehr als 7 Mrd. € sein.
Will rechnet 2018 mit 7,5 Mio. chinesischen Sendungen nach Österreich und spricht vom „kriminellen Massenphänomen”, das durch Produktfälschungen noch verschärft wird. So hat der österreichische Zoll im vergangenen Jahr fast 250.000 gefälschte Produkte im Gesamtwert von mehr als 13,7 Mio. € beschlagnahmt.

Unüberschaubares Risiko

Das Risiko, bei der Shoppingtour im grauen Bereich den vorab entrichteten Kaufpreis nicht mehr zurückzuerhalten, trägt übrigens der heimische Konsument. Sollte seitens der Zollbehörde eine Produktfälschung vermutet werden, ist der Konsument mehr oder weniger verpflichtet, der Vernichtung der Ware zuzustimmen – ansonsten droht nämlich ein Gerichtsverfahren.

Ob in diesem Fall eine Rücküberweisung des bereits bezahlten Kaufpreises durch den Drittstaaten-Onlinehändler tatsächlich erfolgt, ist mehr als fraglich.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL