Im Einkaufskorb geht’s rund: Aktion vs. Inflation
© APA/Barbara Gindl
RETAIL Redaktion 08.10.2021

Im Einkaufskorb geht’s rund: Aktion vs. Inflation

Die Teuerungswelle kommt, darüber herrscht Einigkeit. Der Lebensmittelhandel hält mit Preisaktionen dagegen.

••• Von Christian Novacek

WIEN. Trabt sie noch oder galoppiert sie schon? Die Inflationsrate stieg im Juli des Jahres laut Statistik Austria auf 2,9 Prozent, im August auf 3,2 und für September lautet die vorläufige Zahl wiederum auf 3,2 Prozent. Sicher, angetrieben wird das wesentlich durch steigende Energiepreise, aber auch Lebensmittel wiegen mittlerweile schwer im Einkaufskorb.

So bezeichnete etwa das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel Obst & Gemüse bereits als Luxusgut (für Geringverdiener). Auch bei uns kostete Ge­müse im August um vitaminreiche 5,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Sollten nun die Alarmglocken schrillen? Weil der Preisauftrieb die postpandemische Kauflust, die offenbar bereits in der Pandemie ausbrechen will, gegebenenfalls doch deutlich ausbremst? Rainer Trefelik, Obmann der Wiener Wirtschaftskammer, Sparte Handel, stellt jedenfalls außer Frage: „Da die aktuellen Preissteigerungen wirklich außerordentlich sind, müssen diese weitergegeben werden.”
Das im heimischen Lebensmittelhandel probate Mittel, um Preissteigerungen möglichst dezent zu platzieren, lautet auf deren Gegenteil, also auf Aktionsangebote. Tatsächlich sind nun gerade im Frischebereich laut RollAMA die Aktionsanteile signifikant gestiegen, nämlich von 25,8 im ersten Halbjahr 2020 auf 28,1% im ersten Halbjahr 2021. Allerdings hinkt der Vergleich coronabedingt. Nimmt man das 1. Halbjahr 2019 als Vergleichsbasis her, schlägt sich nur noch eine magere Aufwärtstendenz von 0,3 Prozent zu Buche.

Stabile Preise bei Spar

Fragt man beim Marktführer Spar nach, wie es mit der internen Inflation des Händlers ausschaut, mag die Antwort überraschen: „Bei uns sind die Preise im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben bzw. sogar leicht gesunken”, sagt Sprecherin Nicole Berkmann unter Bezug auf ca. 3.700 Produkte aus relevanten Warengruppen. Und: „Der Aktionsanteil ist gestiegen.”

Bei Obst und Gemüse würden die Preise auch abseits der derzeitigen Inflationsdynamik immer stark schwanken. „Das hängt einfach von den jeweiligen Erntebedingungen ab, welche Mengen und Qualitäten gerade am Markt verfügbar sind”, so Berkmann, die überdies überzeugt ist: „Das ändert aber am Konsumentenverhalten nicht wirklich etwas!”
Bei Rewe International, die die Inflationsfrage selbst nicht beantworten wollte, erhellt der Blick des neutralen Betrachters: „Derzeit ist aufgrund der Markenzusammenführung bei einem großen Marktteilnehmer eine verstärkte Aktionspolitik am gesamten Markt zu beobachten, wobei aber auch dauerhafte Preissenkungen über große Warenbereiche zu beobachten sind”, beschreibt Rainer Trefelik die Lage zwischen Billa, Billa Plus und Kontrahenten.

Stunde der Diskonter?

Wenn die ohnedies stets präsente Preisfrage inflationsbedingt noch stärker in den Fokus des Konsumenteninteresses rückt, profitieren normalerweise diejenigen, bei denen der Tiefpreis Profession ist – also die Diskonter.

„Die Anpassung an die Marktgegebenheiten ist Teil unseres täglichen Geschäfts. Das sind wir gewohnt, das ist nichts Neues für uns. Das gilt natürlich auch für die aktuellen Veränderungen bzw. Trends”, heißt es seitens Lidl Österreich, verbunden mit einer Garantie: „Unsere Kunden können sich deshalb auch jetzt und in Zukunft immer darauf verlassen, dass sie bei uns das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bekommen. Obst und Gemüse wird bei uns sicher nicht zum ‚Luxusgut' werden.”

Verlässliche Hofer-Preise

Bei Hofer klingt das Bekenntnis in Sachen Preisfrage nicht minder vollmundig: „Wir verfolgen mit dem Hofer-Preis stets das Ziel, unseren Kunden dauerhaft bestmögliche Qualität zum bestmöglichen Preis anzubieten. Auf unsere günstigen Preise soll immer Verlass sein”, verweist die Nummer 3 im heimischen Lebensmittelhandel auf eine aktuelle Bestätigung durch den AK Preismonitor.

Darin wurde die Preisentwicklung von jeweils 40 Produkten im Zeitraum von 2.3.2020 bis 23.6.2021 berücksichtigt. „Das erfreuliche Ergebnis zeigt, dass die Preise bei Hofer auch während der Corona-Pandemie nicht gestiegen sind – im Gegenteil, diese sind sogar um zwei Prozent gesunken – und das ist einzigartig im LEH”, so Hofer-Chef Horst Leitner.
Vor diesem Hintergrund sei auch nicht wahrnehmbar, dass die Inflation beispielsweise im Bereich Obst & Gemüse für ein verändertes Kaufverhalten gesorgt habe. „Im Gegenteil – wir können mitunter bereits seit Beginn der Coronapandemie einen noch stärkeren regionalen Warenkorb bei unseren Kunden feststellen. Frische und Regionalität zählen nach wie vor zu den konstanten Kundenwünschen.”

Preisbewusste Kunden

Dass die Diskonter nach einem Jahr der Stagnation wieder Auftrieb haben dürften, stellt man bei Unimarkt fest. „Der Kunde wird wieder preisbewusster, und Vollsortimenter haben wie immer bestimmte Nachteile im Preis gegenüber dem Diskonter”, hält Unimarkt-Chef Andreas Haider fest. Das Konsumentenverhalten habe sich vorwiegend während Corona positiv auf den Vollsortimenter ausgewirkt. „Dieser positive Trend ist wieder am Abklingen!”

Das eigene Aktionsgeschehen wird bei dem Filialisten, wo die Preisdisziplin nicht zuletzt an rund 60 Franchisenehmer gekoppelt ist, als „marktadäquat” bezeichnet. „Im Supermarktsegment ist die Aktionstätigkeit seit April des Jahres wieder am Steigen und genau marktgemäß steigt sie auch bei uns. Wir bieten seit vielen Jahren ein stabiles Preiseinstiegssegment an und forcieren dieses auch wie in der Vergangenheit weiterhin. Generell stehen bei Unimarkt aber wertige Lebensmittel im Vordergrund und nicht die billigsten!”

Teuerungswelle vertagt

Während nun im Gesamtbild LEH in Österreich die große Teuerung bis dato außen vorgeblieben ist, heißt das nicht, dass das so bleiben wird. „Große Teuerungen kommen erst in den nächsten Wochen und Monaten, sind aber durchaus schon spürbar. Wir merken es in allen Warenbereichen, bei Importware – aber auch österreichischer Ware”, heißt es von Unimarkt.

Handelsspartenobmann Rainer Trefelik vermag das zu konkretisieren: Die Preissteigerungen liegen bei Fruchtkonserven zwischen 15 bis 30, bei Milch zwischen 3,5 und fünf Prozent, die Kosten fürs Verpackungsmaterial für die Industrie stiegen um ca. 30%, Öle und Fette verteuerten sich um zwölf bis 14%. Etwaig folgende Preiserhöhungen würden mithin nicht zu einem „Körberlgeld” für den Handel führen, au contraire: „Die Gewinnmargen im LEH sind seit Jahrzehnten sehr konstant, leider auf zu niedrigem Niveau”, so Trefelik abschließend.

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