„Im Handel wird es ein Filialsterben geben”
© Wilfried Seywald
RETAIL Redaktion 08.11.2019

„Im Handel wird es ein Filialsterben geben”

Andreas Dörner von der CNT Management AG über bevorstehende Umwälzungen – auch im LEH.

••• Von Christian Novacek

Die Wiener SAP-Beratung CNT Management AG hat allein 2018 über 50 neue Mitarbeiter eingestellt –- und treibt ihr Geschäft, die Einführung und Implementierung der neuen Software-Generation SAP S/4 HANA, derzeit mit großer Dynamik voran. Vorstandschef Andreas Dörner profitiert nicht nur von der langjährigen Erfahrung (das Unternehmen besteht seit 20 Jahren), sondern auch von der zunehmenden Nachfrage nach guten und effizienten Digitalisierungslösungen. Im medianet-Interview gibt er Auskunft über den aktuellen Digitalisierungsstand im Handel und über jene Trends, welche die Digitalisierung erschaffen wird – und welche sich tatsächlich durchsetzen.


medianet: In welchen Branchen fühlt CNT sich wohl?
Andreas Dörner: Das sind durchaus mehrere, jedenfalls der Handel und der Bereich Life Sciences, also zum Beispiel Pharmazie. Ebenso der Anlagen- und Maschinenbau und seit zwei Jahren auch das Thema Public in Form des Bundesrechenzentrums.

medianet: Bezogen auf den Handel: Was sind derzeit die großen Themen?
Dörner: Ganz stark die Kommunikation vom Handel zu seinen Lieferanten, speziell die Automatisierung des Beschaffungsprozesses – die operative Abwicklung wird derzeit massiv digitalisiert.

medianet: Wo liegen da die Einsparungspotenziale?
Dörner: Der Trend geht hier in Richtung Plattform. Das heißt, nicht mehr der Handel verbindet sich 1:1 zu den einzelnen Lieferanten, sondern ich habe eine Plattform dazwischen, die nennt sich bei SAP Ariba. Derzeit haben wir beispielsweise ein Projekt mit Erdinger Weißbier, um hier möglichst automatisiert kommunizieren zu können.

medianet: Das heißt, Sie machen hier das ­Lieferantenonboarding?
Dörner: Genau, wir kriegen etwa im Auftrag des Kunden 50 Lieferanten, die wir befähigen müssen, damit sie über das Netzwerk Ariba ihre Bestellungen bekommen.

medianet: Ein einmaliger Prozess?
Dörner: Praktisch ja, wir brauchen einen Lieferanten nur einmal anbinden – wenn er angebunden ist, kann er auch die Bestellungen von Hofer, Lidl & Co. annehmen. Dem LEH ist es sehr wichtig, dass seine Kunden elektronisch kommunizieren können.

medianet: Liefert die Anbindung an Ariba Vorteile neben der Prozesskostenoptimierung?
Dörner: Ja, nämlich bessere Vergleichsmöglichkeiten insbesondere unter jenen Lieferanten, die ähnliche Produkte liefern. Abgebildet werden ja immer Produkt, Menge und Preis.

medianet: Wie weit reicht denn die elektronische Kommunikation in die Filialen der Händler?
Dörner: Der Prozess endet in der Filiale, das heißt ich hab nicht den Prozess zur Kassa und nicht den Prozess zum Onlineshop. Der Endkunde bleibt Sache des Handels.

medianet:
Wechseln wir von der technischen Seite zur Ausprägung ebendieser – wie wird die Digitalisierung den Handel Ihrer Meinung nach verändern?
Dörner: Ich glaube, dass es zwei Bewegungen geben wird. Zum einen – wie es die Banken vorgelebt haben –, es wird ein Filialsterben geben. Es wird online gekauft, und die Ware wird nicht mehr in die Filialen verteilt.

medianet: Auch im LEH? Derzeit liegen die Umsatzanteile im E-Commerce immer noch im niedrigen einstelligen Bereich.
Dörner: Das kommt auch im LEH, auch in Österreich. Ich persönlich nutze das schon lange, wiewohl der Servicegrad noch ausbaufähig ist. Aber auf der anderen Seite ist auch die Erlebniswelt im Supermarkt in meiner Wahrnehmung überschaubar. Ich habe Freunde in Großbritannien, die kaufen dort nur mehr online ein, vielleicht nicht jeden kleinen Einkauf, aber für den Wocheneinkauf oder zwei Mal im Monat ist es die Lösung der Zukunft.

medianet: Die zweite Bewegung, die Sie ansprechen wollten?
Dörner: Im städtischen Bereich wird sich an den Übergabepunkten einiges ändern. Weil prinzipiell keine Menschen mehr notwendig sind, weil die kontaktlose Filiale heute schon funktioniert. Ich brauche kein Personal mehr, um den Einkauf abzuwickeln.

medianet: Wozu überhaupt Übergabepunkte? Würde das ein Nicht-Schleppen-wollen von Mineralwasser nicht konterkarieren?
Dörner: Die Frage lautet hier: Wie nahe ist der Übergabepunkt?

medianet: Kontaktlosigkeit wird nicht jeden Verbraucher ansprechen – hätten Sie auch einen für alle ersichtlichen Vorteil der Digitalisierung im Handel parat?
Dörner: Es gibt einen evidenten Einfluss auf die Frische der Ware. Wenn Sie online bestellen, erleben Sie eine deutliche Verbesserung, weil die Stehzeit der Frischeprodukte in den Filialen wegfällt. Weiters ist online ein breiteres Sortiment verfügbar. Und – um wieder zu SAP und Ariba zurückzukommen – als Händler reduzieren Sie Stockouts und können schneller auf Trends reagieren.

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