Milchwirtschaft in Zeiten der Damoklesschwerter
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RETAIL Redaktion 22.04.2022

Milchwirtschaft in Zeiten der Damoklesschwerter

Der Ukrainekrieg verschärft den Kostendruck und nährt Sorgen vor Gas-Knappheit.

••• Von Paul Hafner

WIEN. Dass die heimische Milch­industrie das Umsatzplus des ersten Corona-Jahres 2020 (+3,2%) noch einmal toppen konnte (+3,3%), verdankt sich zum Großteil den Zuwächsen bei den Lieferungen an den Lebensmittelhandel im In- und Ausland. 2021 weiter gesunken ist indes die Ertragslage der Molkereien: Die bei den Milchprodukten erzielten Preissteigerungen „konnten die massiv gestiegenen Kosten in den Molkereien und bei den Landwirten nicht abdecken”, wie VÖM-Präsident Helmut Petschar bei der Bilanz-PK der Milchwirtschaft erklärte.

Konkret beläuft sich das auf den Umsatz bezogene EBIT der österreichischen Milchverarbeiter für 2021 auf spärliche 0,8% und ist damit nach einem Vorjahreswert von 1,5% neuerlich stark rückläufig. Auch die Zahl der Milchbauern ist weiter beständig rückläufig (–3,2% auf 23.868).
Lichtblicke sind ein neuerlicher Höchstwert im Export von 1,36 Mrd. € (+3,6%), der in Kombination mit einem geringen Zuwachs bei den Importen auf 842 Mio. € (+0,7%) für ein saftiges Plus im Außenhandelssaldo von 8,8% auf 517,3 Mio. € sorgt.

Sorge vor Ausfällen

„Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen und den allgemeinen Verteuerungen konnten wir die Herausforderungen bei der Produktion einigermaßen gut meistern”, fasst Nöm-Vorstand Alfred Berger das Jahr 2021 mit versöhnlichen Anklängen zusammen; er dürfte damit für das Gros der Branche sprechen, welchem das vergangene Jahr in Anbetracht der aktuellen Schwierigkeiten noch vergleichsweise harmlos vorkommen muss.

Der Ukrainekrieg trifft die Branche hart: Neben Mehrkosten bei Vorleistungen und drastischen Teuerungen bei Futtermitteln ist auch die sichere Versorgung mit Gas – das zu 80% aus Russland kommt – in Gefahr. Während Petschar nüchtern festhält: „Wenn der Gashahn abgedreht werden würde, hätten wir ein Problem mit der Versorgung”, veranschaulicht Berger: „Sollte es hier zu Ausfällen kommen, steht der Betrieb still, inklusive der Abholung der Rohmilch bei allen Bauern.” Die Suche nach Ersatzlösungen und kurzfristigen Umstellungen (etwa auf Heizöl Leicht als Ersatz oder Kombinationsmöglichkeit) läuft auf Hochtouren.

Abzugeltende Mehrkosten

„Einmalig” sei auch „die Härte, mit der die Lieferanten ihre Forderungen umsetzen. Ein bis zwei Wochen oder Lieferstopp ist das neue Verhandlungsniveau”, beklagt Berger. Entsprechend sei „die Situation mit den Handelspartnern, die längere Vorläufe gewohnt waren, im Moment sehr angespannt”, so Berger unverblümt. Wenig zur Entspannung beitragen dürften freilich die aktuellen, harten Verhandlungen punkto Abgeltung der Kostensteigerungen – Petschar pocht auf „die richtige Weichenstellung” und will eine Erhöhung von 25 bis 30% durchsetzen.

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