SCHLADMING. Ein knappes Jahr ist seit der Aufdeckung der Bedingungen bei Kälbertransporten von Österreich bis in den Libanon vergangen. Im Zuge der Pandemie ist auch das Bewusstsein für regionale Lebensmittel gestiegen; der im Oktober beschlossene Tierwohl-Pakt soll unter anderem die inländische Kalbfleisch-Produktion stärken, und eine aktuelle Auslegung des Gesetzes zum Tiertransport verkürzt die durchgehende Fahrtdauer am Stück. Auch der Ruf nach Kennzeichnung der Herkunft bei Lebensmitteln wird lauter.
Bewusstseinswandel
Das Werte-Bewusstsein für österreichische Lebensmittel in der Bevölkerung steigt. Das lässt sich aus einer Studie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) herauslesen, die im Sommer 2020 veröffentlicht wurde. In dieser bewerten Österreicher heimische Lebensmittel als krisensicherer und umweltfreundlicher. Diese neuen Werte stellen nun auch eine Chance für eine Reduktion der Kälbertransporte ins Ausland dar: Österreich transportiert pro Jahr fast 50.000 Kälber ins Ausland, während über 100.000 Kälber – vor allem aus den Niederlanden – in Form von Kalbfleisch importiert werden (s. Grafik).
Würde Österreich mehr Kälber im Inland mästen und verkaufen, könnten Kälbertransporte zu einem großen Teil verhindert werden, argumentiert Hannes Royer, Obmann des Vereins Land schafft Leben, und fordert eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung.
„Anonymes” Kalbfleisch
„Gerade jetzt sehen wir: Die Menschen wollen österreichische Lebensmittel. Doch macht man es ihnen unnötig schwer, diese zu erkennen. Sobald die Gastronomie wieder aufmacht, bekommen die Leute weiterhin ein anonymes Kalbschnitzel aufgetischt. Sie können nur raten, wo und wie es produziert wurde. Im Jahr 2021 sollte Transparenz in Form einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung selbstverständlich sein”, argumentiert Royer.
Derzeit deckt Österreich seinen Bedarf an Kalbfleisch laut Branchen-Schätzungen nur zu etwa einem Drittel selbst ab. Genügend heimische Kälber gäbe es zwar, doch ist das Kalbfleisch aus dem Ausland billiger.
Qualitätsindikator: Rosafarben
Der Tierwohl-Pakt der Regierung will Anreize für Bauern schaffen, mehr Kälber im Inland zu mästen. Außerdem sollen neue Vermarktungsstrategien helfen, das Bewusstsein für heimisches Kalbfleisch zu stärken. Konkret soll die österreichische Produktlinie „Kalb rosé” in das AMA-Gütesiegel aufgenommen werden und so stärker wahrgenommen werden.
„Provokant gesagt: Immer, wenn Kalbfleisch weiß ist, wurde das Kalb nicht artgerecht gehalten und hatte einen massiven Eisenmangel. Es ist also das Beste, heimisches rosa Kalbfleisch zu kaufen”, so Royer. (red)