••• Von Paul Hafner
WIEN. Ende Jänner 2021 hatte die Rewe angekündigt, Billa und Merkur im April zu einer Markenfamilie werden zu lassen, am vergangenen Montag gab es schließlich den – in den Worten von Rewe-Vorstand Marcel Haraszti – „Big Bang für die gesamte Billa-Familie”. Für das große, über das Osterwochenende gleichzeitig in sämtlichen Standorten sichtbar gewordene Rebranding – inklusive Tausch von 700 Werbeschildern, 40.000 Einkaufwagenadaptionen und neuen Namensschildern für 10.000 Mitarbeiter – wurde ein zweistelliger Millionenbetrag in die Hand genommen. Die 1969 von Karl Wlaschek gegründete Marke Merkur ist (mit Ausnahme der rund 85 Merkur inside-Tankstellenshops) Geschichte, allein ihr Grünton lebt im Nachfolger Billa Plus weiter. Dieser soll auch der Dachmarke Billa Aufwind geben. Harasztis deklariertes Ziel: „Die Nummer 1 bei der Kundenzufriedenheit zu werden.”
Sofortige Preisssenkung
Verbunden mit dem Schilder- und Wagerltausch ist auch eine neue Preispolitik, die eine weitere Abkehr von der „Rabattitis” signalisiert: Im Zuge der „größten Preissenkung, die es bei Billa je gab”, wurde der Kurantpreis von 2.000 Artikeln reduziert; man verabschiedet sich von der „Dauertiefpreis”-Auszeichnung und begräbt sowohl die „satten Rabatte” als auch den „Ich-suchs-mir-aus-Rabatt”. Ein Strategiewechsel ist das mitnichten, hat man doch die Aktionsanteile bereits in den letzten drei Jahren beständig reduziert. Die nunmehrige Preisreform ist nun noch einmal „deutlich radikaler”, wie auch Haraszti betont. Der jö-Rabattsammler bleibt aufrecht, Vergünstigungen für alle werden unter dem „Extrem”-Siegel (Extrem-Wochen von Do-Mi, Extrem-Wochenenden Do-Sa) gebündelt.
„Wir haben versprochen, wir werden einfacher und klarer – und investieren in Kundenvorteile, was wir in der Verwaltung einsparen”, erläutert Haraszti. So wurden über das Wochenende über zehn Mio. Preisschilder in sämtlichen Billa- und Billa Plus-Märkten getauscht, auch die Flugblätter wurden neu konzipiert und vereinfacht.
Plus auch im Sortiment
Sorgen, dass das Ende der durchaus beliebten Marke Merkur auch eine Verkleinerung des Sortiments unter dem Deckmantel der Optimierung bedeuten könnte, sind rasch entkräftet: Das Sortiment wird vielmehr um zwei Eigenmarken der Rewe-Schwester Bipa – bi good (Naturkosmetik und Haushaltsartikel) und bi life (Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte) – sowie die Produkte der Billa-Eigenmarke und das Billa-Festtagssortiment erweitert.
Machte Billa im Vorjahr den Anfang mit 100% Frischfleisch und -geflügel aus Österreich, zieht Billa Plus im Mai nach und setzt bei Pute, Huhn, Rind und Schwein zu 100% auf heimische Frischware – ein Kundenvorzug, den sich die Rewe-Gruppe einen knapp zweistelligen Millionenbetrag kosten lässt.
Auch die aktuell 9.000 Produkte umfassende Auswahl an regionalen und lokalen Spezialitäten wird weiter ausgebaut: In den sieben Billa-Vertriebsregionen sorgen etwa regionale Einkaufsscouts dafür, dass auch kleine, regionale und lokale Lieferanten ihren Platz in den Regalen von Billa und Billa Plus finden.
Die Ende Jänner gelaunchte Bio-Marke „Billa bio” mit aktuell rd. 135 Produkten ist fixer Bestandteil auch des Billa Plus-Sortiments; verkündet wurde auch, dass die Produktion der rd. 100 Mio. Kaisersemmeln pro Jahr in allen 1.100 Billa-Märkten von konventionell auf Bio (von Ja! Natürlich) umgestellt wird. „Das bedeutet auch ein Plus für österreichische Bio-Getreidebauern, welche jährlich rund 7.000 Tonnen Bio-Getreide liefern”, wie Rewe-Sprecherin Ines Schurin vorrechnet.
Grundsätzlich sehe man darüber hinaus in puncto Sortimenterweiterung durchaus auch Potenzial bei Billa, „aber ganz besonders bei Billa Plus”, so Haraszti.
Kundennähe prioritär
Billa Plus ist ein Kind der Corona-Zeit: Im Sommer 2020 wurde die Bündelung der zentralen Verwaltungseinheiten von Billa und Merkur verkündet, die Entscheidung für die Markenhomogenisierung fiel im Oktober. Als Versuch, die im Vorjahr an Spar verlorene Marktführerschaft zurückzuerobern, will Haraszti die umfassende Reform zur „Billa-Familie” aber nicht verstanden wissen. Der Fokus liege darauf, es dem Kunden leichter zu machen – so habe man etwa gezielt „jene Preise gesenkt, welche die Kunden als erstes gesenkt haben wollten”; sämtliche Vereinfachungsmaßnahmen stünden im Dienste der Kunden: „Ein unzufriedener Kunde macht uns mehr Sorgen als ein Unterschied von 0,1 Prozent-Marktanteil”, bringt es Haraszti auf den Punkt.
Folgerichtig wird auch der Billa Online-Shop um die Sortimente von Billa Plus erweitert; die Anzahl der aktuell 600 Click & Collect-Standorte wird schrittweise auf sämtliche Billa Plus-Standorte erweitert. Dies gilt ebenso für zusätzliche Dienstleistungen wie den Paketservice.
Synergieeffekte
Bis Ende 2024 will die Rewe-Gruppe insgesamt 100 neue Billa- und Billa Plus-Märkte eröffnen; 200 Standorte werden umgebaut. Potenzial sieht man insbesondere in Tirol, Salzburg und – wie schon in den vergangenen Jahren – in Oberösterreich, aber auch im Stammgebiet Wien/Niederösterreich. Heuer sollen insgesamt 35 neue Standorte neu und 60 Standorte umgebaut wiedereröffnen. Hieß es im Jänner noch, dass einige wenige Standorte ob ihrer Fortführung evaluiert werden, stellte Haraszti nun klar: „Es kommt zu keinen Schließungen.” Im Gegenteil: Im Zuge der Neueröffnungen sollen bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Werbetechnisch als Heirat inszeniert („Merkur wird Teil der Billa-Familie”, „Gemeinsam noch voller leben”), profitiert die Rewe-Gruppe durch die Annäherung der Vertriebslinien von zahlreichen Synergie-Effekten, die sie unter dem gemeinsamen Markendach nun leichter und besser ausspielen kann. Auch der Merkur Hoher Markt in der Wiener Innenstadt, eine Art Flagship-Store mit Delikatessen-Schwerpunkt, wird in die Billa-Familie integriert und firmiert nun unter dem Billa Corso-Dach.