••• Von Georg Sohler
LINZ/VILLACH. Eine Übergangsfrist bis 2040, so war es 2022 ursprünglich ausgemacht in Sachen Vollspaltenböden. Mit den Änderungen stünden pro Schwein mehr Bewegungsfläche zur Verfügung, das Tierwohl solle durch diese und andere Maßnahmen gesteigert werden. Das kostet.
Wer heute schon Großbuchten hat, muss mit Investitionen zwischen 50.000 und 100.000 € rechnen. Lässt sich der Altbestand nicht sanieren, steigt der Preis für die neuen Vorgaben bis in den siebenstelligen Bereich. Der Verfassungsgerichtshof gab aber einem Einspruch der burgenländischen Landesregierung recht – die Dauer von 17 Jahren sei sachlich nicht gerechtfertigt.
„Eine vage Zukunft”
„Wenn jemand den Schweinebauern versichern würde, dass sie die Extrainvestitionskosten amortisieren können, dann machen das 90 Prozent der Schweinebauern”, ist sich Johann Schlederer im Gespräch mit medianet sicher. Der Geschäftsführer des Verbandes landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten und der Österreichischen Schweinebörse versteht den Unmut der Bauern, dass die Übergangsfrist kürzer sein soll: „Man muss in eine vage Zukunft investieren. Unter dem Strich ist die Frustration unter den Bauern groß, seit verkündet wurde, dass es schneller gehen soll.” Es gebe ja das fünfstufige Haltungskonzept, von konventionell bis Bio.
Insofern nimmt er die Endkonsumenten in die Pflicht, das Wort „schizophren” fällt im Gespräch. Denn letztlich wollen die Kunden Tierwohl, der dafür notwendige Preis werde nicht oder nur ungern gezahlt. Darüber hinaus sind Schnitzel, Schweinsbraten und Co. nur ein Drittel der Produkte, verarbeitete Produkte wie Wurst oder Schinken sind die Mehrheit. Mit dieser mangelnden Planungssicherheit sei es schwierig, richtig zu wirtschaften. Darüber hinaus hätten Bauern auch mehr Work-Life-Balance verdient – die neuen Vorgaben sind aufwendiger. Insgesamt eine düstere Aussicht.
Das Handtuch werfen?
Wie also damit umgehen? Norbert Marcher leitet als Geschäftsführer Österreichs größtes Schlacht- und Zerlegeunternehmen. Seine Einschätzung zur kürzeren Frist: „Hier sind mehrere Szenarien vorstellbar, aber gehen wir von der positivsten aus: Wenn mit Ende 2025 das Verbot für Vollspaltenböden gelten soll, dann ist es unabdingbar, dass vor dem Auslaufen der Frist ein Kompromiss aller Beteiligten zustandekommt.” Dieser sollte verkürzte, aber realistische Übergangsfristen, ausreichende finanzielle Förderungen sowie eine Planungssicherheit für die Bauern beinhalten. Dies vorausgesetzt, könnte sich das Urteil als Vorteil erweisen. Es muss allen klar sein, bis hin zum Konsumenten, dass diese Umstellung eine gesamt-gesellschaftliche Anstrengung bedinge. Das Risiko könne nicht nur zulasten der Bauern erfolgen. Dabei würden aber auch andere Themen eine Rolle spielen. Etwa Baugenehmigungen: „In der gesellschaftlichen Akzeptanz liegt ein Neubau eines Schweinemastbetriebs nicht an ganz oberster Stelle. Hier muss transparent und realistisch kommuniziert werden.”
Je nachdem, wie gut dieser Kompromiss gelinge, werde sich der Schweinefleisch-Preis mehr oder weniger stark erhöhen. „Wenn viele Bauern allerdings das ‚Handtuch schmeißen', weil die Umstellung einfach finanziell nicht alleine stemmbar ist, dann wird sich das jahrelange Selbstverständnis, nur heimisches Schweinefleisch im Supermarktregal vorzufinden, nicht mehr realisieren lassen”, stellt er ebenfalls unmissverständlich klar.
Förderung und mehr
Auf den Punkt gebracht, brauche es ausreichende Förderungen und die Gewissheit, dass die Investition auch noch in 20 Jahren die gesellschaftlich akzeptierte Haltungsform sein werde. „Die Nutztierhaltung muss eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz finden. Viele Landwirte sind auch bereit, dafür nötige Investitionen zu tätigen”, bestätigt er Schlederers Eindruck. „Sie sind jedoch im Unklaren darüber, welches konkrete Stallkonzept auch in zehn bis 20 Jahren den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen wird. Hier gilt es, möglichst kurzfristig Klarheit herzustellen.” Es brauche auch ein Umdenken bei den Konsumenten. Die Art und Weise, wie Nutztiere gehalten werden, kennen die meisten Menschen nicht mehr aus eigener Wahrnehmung und sie sind deshalb auf Bilder angewiesen.
„Diese schwanken zwischen den Extremen der werblichen Idyllisierung und verstörenden Bildern von groben Missständen”, erklärt er. Beides entspreche nicht der durchschnittlichen Realität und polarisiere. Ein emotional geführter Diskurs sei hier in aller Regel zur Findung von lösungsorientierten Kompromissen wenig hilfreich. Es seien neben der Fleischwirtschaft und den Konsumenten auch Medien gefordert, sachlich und faktenbasiert zu berichten – ein Beispiel von Schlederer ist, dass eine Wiener Wochenzeitung jüngst meinte, ein neuer Stall würde mit 40% gefördert werden. In der Realität wären es lediglich 16%. Schlederer wiederum schätzt, dass eine Förderung von 50% bei umfangreichen Neubauten notwendig sei. Gelingt dieser Schulterschluss nicht, wird Österreich irgendwann kein Schwein mehr haben. Sprichwörtlich und letztlich vielleicht wortwörtlich.