Zum Katalog adé,App! App! Hurra!
© Christian Jungwirth
RETAIL christian novacek 15.02.2019

Zum Katalog adé,App! App! Hurra!

Harald Gutschi verkündet das Ende des Otto-Hauptkataloges. Die Erfolge mit Shoppen via App waren des Kataloges Tod.

••• Von Christian Novacek

Es ist ein sentimentaler Moment, ein Begräbnis in Ehren und es beinhaltet eine kleine Option auf Wiederauferstehung: Der letzte, kilo­schwere Otto-Katalog steht vor der Auslieferung. „Zu Spitzen­zeiten hatten wir einen Umfang von 1.400 Seiten”, sagt Unito-Chef (Universal, Quelle, Otto) Harald Gutschi.

Wirtschaftswunder, Konsumturbo – vor allem für die Landbevölkerung war der Otto-Katalag ein Anschlusstool an die große weite Welt, Sozialisation und Coming of Age inbegriffen: „Ich habe mal die Zuschrift eines Kunden bekommen, der anhand unseres Spezialkatalogs für Damenunterwäsche herausgefunden hat, dass seine sexuelle Orientierung anders gelagert ist”, weist Gutschi auf die Buntheit der Otto-Katalogwelt im Detail hin. Gerade die Spezialkataloge wird es übrigens auch in der Ära ohne Hauptkatalog in einer Auflage von je rd. 400.000 Stück weiter geben. Die Themenwelten lauten dann textil beispielsweise auf Wäsche oder Übergrößen, gleichfalls könnten die Möbel in einen Spezialkataog gepackt werden.

Mit der Zeit gehen

Ansonsten brachte die dicke Schwarte zuletzt keine dicken Umsätze: Zwei Prozent des Otto-Erlöses entfielen auf Katalogbestellungen. „Wenn ich noch zwei Prozent Onlinepush draufschlage, ist das mit vier Prozent leider auch nicht besonders viel”, rechnet Gutschi vor. Mithin: Im Umsatz hat der Katalog keine Bedeutung mehr und der emotionale Zugang wird nicht zuletzt anhand des Spruchs „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit” hintangehalten.

Hintangehalten bleibt die Trauer jedenfalls aus der Business-Perspektive: Otto hat zur rechten Zeit die Weichen gestellt und ist heute im E-Commerce eine große Nummer. Der Vergleich macht hier sicher: Der Katalog brachte es zu Bestzeiten (2003 und 2004: 1.250 Seiten zwei Mal im Jahr, 1,2 Mio. Stück Auflage in Österreich) auf eine Angebotspalette von rd. 20.000 Artikeln. Via App sind es derzeit mehr als eine Million. Ebenso geht das emotionale Einkaufsverhalten mit der Zeit: „40 Prozent der Kunden, die via App shoppen, suchen konkret, was ihnen wichtig ist”, führt Gutschi aus, „aber 60 Prozent holen sich auch die Inspiration über die App.”

Glorreiche Vergangenheit

Das letzte Bedeutungshoch erlebte der Katalog zur Jahrtausendwende mit 60% Umsatzanteil. Von da an ging es bergab – konstant, bis 2019 auf besagte zwei Prozent. „Allein im Vorjahr haben wir 30 Prozent Umsatzanteil verloren”, berichtet Gutschi. Die letzten fünf Jahre waren es jeweils mindestens 20% Rückgang. Parallel dazu erfolgte zuletzt (seit zwei Jahren) der Schwung Richtung Mobile Shopping: 30% der Konsumenten kommen bereits über die App, der „Anteil wächst gigantisch”, und er steht für einen Umsatzanteil von deutlich mehr als 30% – zumal die Einkäufe via App mit rd. 300 € pro Bestellung sehr hoch liegen.

Stetiger Aufwärtstrend

Insgesamt erzielte Otto in Österreich im Vorjahr ein Plus von 7,4% im Erlös, Unito als übergeordnetes Unternehmen stand für 415 Mio. € in der DACH-Region, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Der Onlinemarkt selbst legte in der Zeit (laut Handelsverband) um vier Prozent zu – was im Wachstum immer noch sehr passabel, aber dennoch merklich abgeflaut ist. Umso mehr gilt jetzt, zu jenen Großen zu zählen, die ihr Wachstums­potenzial auch wahrnehmen können.

„Wir werden das Sortiment weiter ausbauen”, beschreibt der Unito-Chef ein Mittel dafür, „bis Ende 2020 werden wir online fünf Millionen Produkte führen.” Dazu werden dann auch neue Sortimentbereiche erschlossen – die letztlich von rd. 1,4 Mio. Haushalten, die Unito heute erreicht, goutiert werden sollen.

Beschleunigte Veränderung

Der starke Vorwärtsdrang im Online-Business kombiniert sich mit einer drastischen Prognose fürs stationäre Geschäft: „In fünf Jahren ist der Handel nicht wiederzuerkennen”, ist sich Gutschi sicher. Das sei schon demografisch bedingt: Die Ballungsräume legen weiter zu, das Verhältnis zwischen Online- und stationärem Handel wird sich laut Gutschi schneller als mancher erwartet auf 50 zu 50 einpendeln.

Dennoch würde das stationäre Geschäft „die Kurve kriegen”, ggf. in abgespeckter Variante, sprich: Entstehende Leerflächen würden in der Stadt zu Mikrodepots umfunktioniert. „Das ist keine Entwicklung, die explosionsartig passiert”, meint Gutschi, „aber sie wird passieren.”
Für die Kurzstrecke 2019 erwartet sich der Unito-Chef eine Erholung. Denn 2018 kannte eine Katastrophe namens September, die sich heuer nur formal, aber nicht inhaltlich wiederholen werde: „Ein Jahr wie dieses wird vom Wetter her so schnell nicht wiederkommen.”

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