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Redaktion 30.08.2024

„Autoritär“ wird wieder wählbar

Nicht nur im US-Wahlkampf zeichnen sich ­erneut üble Tendenzen ab. Aber warum?

Leitartikel
••• Von Sabine Bretschneider

UNWÄHLBARKEITEN. Anfang November wählen die US-Amerikaner. Zur Wahl stehen eine kluge ehemalige Chefanklägerin und derzeitige Vizepräsidentin mit tadellosem Lebenslauf – und ein derber, verurteilter Straftäter mit ausgeprägtem Hang zu bizarr-autoritären Ansichten. Die Entscheidung steht auf Messers Schneide. Das kann uns nicht egal sein. Trump und seine so erratische wie aggressiv-protektionistische Handelspolitik wären ein weiterer Genickschlag für Europas – und Österreichs – ohnehin wacklige Konjunktur.

Kurz nach der Wahl Joe Bidens im November 2020 hatte medianet mit dem damaligen Botschafter in den USA, Martin Weiss, ein Gespräch geführt. Trump habe sich immer als „Outsider“ verstanden, erzählte Weiss, nie als „Teil des politischen Systems von Washington“. Und: Ein schlechter Verlierer zu sein, werde einem in den USA selten verziehen. Ein paar Wochen später stürmten Tausende Trump-Anhänger, aufgepeitscht vom „schlechten Verlierer,“ das Kapitol in Washington. Auch hierzulande fragten sich irritierte CNN-Konsumenten, wie sie das hollywoodgefärbte Bild der US-amerikanischen Demokratie und deren Wahrzeichen mit den live übertragenen TV-Bildern in Einklang bringen sollten. Selbst die Feuerwache in Favoriten, so sollte man meinen, wäre besser und schneller vor Attacken bewahrt als der Sitz des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika. Egal, geschadet hat es Trump nicht. Zumindest nicht in der Gunst seiner Wähler.

Wie kann das sein? Warum wird man das Gefühl nicht los, dass „starke Männer“ wieder in Mode kommen, egal wie unverbrämt sie ihre demokratiebedrohende Agenda trommeln?

Wenn wir die uneingeschränkte Toleranz auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen, schrieb Karl Popper. Er wird zurzeit zunehmend oft zitiert. Nicht oft genug.

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