CSI-Krebs: So findet man die passende Therapie
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Zielgerichtet Mit der neuen Technik kann besser garantiert werden, dass jene Patienten, gegen deren Tumor ein bestimmtes Medikament wirkt, dieses auch bekommen. Gleichzeitig kann ausgeschlossen werden, dass durch eine falsche Diagnose jemand mit einem Präparat behandelt wird, das nicht wirkt.
DOSSIERS Martin Rümmele 05.10.2018

CSI-Krebs: So findet man die passende Therapie

Ein Wiener Unternehmen will die Diagnose in der Medizin revolutionieren: Neue Technologie analysiert Zellen und verhilft so zu zielgerichteten Therapien.

••• Von Martin Rümmele

Ein blasses Blau zieht sich über den Bildschirm – es sind Krebszellen einer Gewebeprobe, dazwischen braune Einsprengsel, Abwehrzellen, die aber vom Tumor lahmgelegt sind. Das Computerprogramm der Wiener Firma TissueGnostics ermöglicht es, zu analysieren: Wo in der Probe ist die Zahl der Krebszellen besonders hoch? Wo sind wie viele ­Abwehrzellen? ­TissueGnostics hat ein Verfahren zur automatischen Charakterisierung von Tumor­gewebe entwickelt und damit die Grundlage für die oft zitierte „personalisierte Medizin” der Zukunft geschaffen.

Vereinfacht dargestellt, klingt die Entwicklung simpel: Damit man überhaupt zielgerichtete Therapien in der Medizin einsetzen kann, muss man nicht nur eine Krankheit diagnostizieren, sondern viel genauer, um welche Art es sich handelt. Oft unterscheidet sich etwa eine bestimmte Krebsart wiederum in vielen Details. Lässt sich diese genau bestimmen, kann man auch die richtigen Medikamente zielgenau einsetzen. Doch wie bestimmt man diese vielen Details?

Komplexe Diagnose

„Ein Pathologe bestimmt anhand von Gewebeproben heute nicht nur, um welche Krebsart es sich handelt; wenn zum Beispiel ein ganz bestimmtes Krebsgen aktiv ist, das dazu führt, dass an der Oberfläche der Zellen ein spezielles Eiweiß gebildet wird. Nur manche Wirkstoffe erkennen es und können so den Tumor bekämpfen”, sagt Rupert Ecker, Geschäftsführer von TissueGnostics. Aber die Diagnose dieser Eiweiße ist nicht einfach. Der studierte Zellbiologe war für seine Diplomarbeit im Forschungslabor für Urologie der Medizinuniversität Wien einst tagelang damit beschäftigt, am Computer in Gewebeschnitten Zellen genau zu bewerten – eine mühsame und vor allem auch fehleranfällige Arbeit, da die Unterschiede oft minimal sind. Ein Pathologe erkennt Proteine mithilfe von Antikörpern, die mit einem Farbstoff gekoppelt sind. Je mehr von einem speziellen Eiweiß vorhanden ist, umso mehr Antikörper docken an, umso stärker die Farbreaktion. Allerdings ist die Einschätzung der Farbintensität sehr subjektiv. Und: Es gibt bis zu 30.000 verschiedene Proteine.

Gefragte Software hilft

Also machte sich Ecker daran, eine Software zu entwickeln, bei der die Bilder aus dem Mikroskop automatisch ausgewertet werden – rasch und mit hoher Zielgenauigkeit. Vor 15 Jahren wurde dann das Unternehmen TissueGnostics aus der Taufe gehoben und nahm einen kometenhaften Aufstieg. Heute verwenden Universitäten und Forschungseinrichtungen in ganz Europa, den USA und in China die Software des Unternehmens. Sie wird längst nicht nur in der Onkologie, sondern auch etwa in der Neurologie und Dermatologie eingesetzt. An die 1.000 wissenschaftliche Publikationen wurden bereits veröffentlicht.

TissueGnostics wird aufgrund der Kernkompetenz im Bereich automatisierter Mikroskopie und Gewebszytometrie immer öfter als Industriepartner zu Forschungsinitiativen eingeladen und unterstützt die Forschung in Richtung personalisierter Medizin. Bisher wurde man zur Teilnahme in vier EU-geförderten Marie Sklodowska Curie Innovative Training Networks eingeladen, in denen unterschiedliche, translationale wie technische Aspekte und Grundlagen der Präzisionsmedizin erarbeitet werden (siehe rechts).

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