••• Von Marie-Thérèse Hartig
Es gibt Lebensgeschichten, die sind besser als jedes Hollywood-Drehbuch. Zum Beispiel diese: Großbritannien 1941; eine mittellose Schönheit aus gutem Hause heiratet einen charmanten Habenichts aus bestem Haus. Kurz darauf fällt dessen älterer Bruder im Krieg, worauf der Jüngere Titel und Besitz erbt. Die nächsten 50 Jahre lebt das Paar mit seinen drei Kindern in Glück und Wohlstand in einem der prächtigsten Schlösser Englands und verkehrt freundschaftlich mit dem Königshaus, Politikern (u.a. Winston Churchill, John F. Kennedy) und Künstlern (u.a. Evelyn Waugh, Lucian Freud).
Berühmt & berüchtigt
Genug für einen Blockbuster? Mitnichten, es bedarf auch einer Nebenhandlung, die im konkreten Fall von den Schwestern unserer Protagonistin geliefert wird: Drei von ihnen vertreten politisch extreme Positionen (zwei sind berühmte Nazis, eine legendäre Kommunistin), und eine – Nancy – reüssiert international als Schriftstellerin.
Die Hauptrolle in unserer Story spielt allerdings Deborah, Duchess of Devonshire, jüngste der legendären Mitford-Schwestern, die 2014 im Alter von 94 Jahren starb und deren Nachlass demnächst bei Sotheby’s versteigert wird. Warum? Wer die britischen Erbschaftssteuern kennt, weiß um die zusätzliche Schmerzkomponente, die ein familiärer Trauerfall mit sich bringt. Da kommen die 500.000 bis 700.000 Pfund, die Sotheby’s bei der Versteigerung zu erzielen erwartet, nicht ungelegen. Außerdem wollen selbst liebende Kinder nicht unbedingt das komplette Sammelsurium ihrer Eltern behalten, während Außenstehende oft nur zu gern glamouröse Souvenirs berühmter Vorbesitzer erwerben.
Reich & schön
„Gegenstände aus dem Besitz der Reichen und Schönen sind bei Auktionen immer besonders gefragt”, erklärt Sotheby’s-Experte David Macdonald, der für die Devonshire-Versteigerung verantwortlich zeichnet. „Sotheby’s veranstaltet solche Auktionen seit dem 18. Jahrhundert, damals unter anderem mit den großen Sales nach der französischen Revolution. Auch die historischen Verkäufe des Interieurs berühmter englischer Landsitze wie Stowe oder Hamilton Palace sorgten zu ihrer Zeit für Schlagzeilen.”
Und das nicht nur zu ihrer Zeit: Bis heute ist das Interesse an großen Namen und ihrem Lebensstil ungebrochen. Das beweisen neben den erfolgreichen Auktionen – Sotheby’s hält nicht ohne Grund jährlich einen Sale „Of Royal and Noble Descent” ab, bei dem ein Mix aristokratischer Besitztümer angeboten wird – auch TV-Serien wie „Downton Abbey”, die weit über die Grenzen der britischen Monarchie hinaus Glanz und Gloria der guten, alten Zeit in MüllerMeierSchmidtsche Wohnzimmer bringen.
Wem die passive Berieselung nicht genügt, der kann nun aktiv werden und sich originale Souvenirs der großen Welt in die eigenen vier Wände holen: Am 2. März gelangen mehr als 450 Gegenstände aus dem persönlichen Besitz der Herzogin zur Auktion, Kunst und Kitsch, große Möbel und kleine Nippes, billiger Modeschmuck und kostbare Diamantjuwelen.
„Die Herzogin war, ganz entsprechend der Tradition in Devonshire, eine große und vielseitig interessierte Sammlerin”, schwärmt David Macdonald angesichts des breit gefächerten Angebots, das für jedes Budget und (fast) jedes Interessengebiet interessante Stücke umfasst. Zu den günstigsten Losen zählt beispielsweise eine italienische Lithografie aus dem 19. Jahrhundert, die mit zehn Pfund (15 Euro) bewertet ist. Das teuerste Objekt der Auktion, das Ölgemälde „The Potato Patch: October Twilight” des englischen Malers Sir George Clausen, das im Schlafzimmer der Herzogin gehangen ist, wird auf 40.000 bis 60.000 Pfund geschätzt.
Getier & Geschmeide
Zu den besonders interessanten Bildern, die zur Versteigerung gelangen, zählen auch zwei Portraits von Jackie, dem damals dreijährigen Sohn von Sir Jacob Epstein, der wiederum Schwiegervater von Lucian Freud war, mit dem „Debo” – wie die Duchess von Nahestehenden genannt wurde – eine enge Freundschaft verband. Die beiden Bleistiftzeichnungen (aus einer Serie von vier), entstanden um 1937, schätzt Sotheby’s auf 2.500–4.000 Pfund (3.500–5.600 Euro).
Das Gros der Bilder spiegelt freilich – ebenso wie die Ziergegenstände – die Tierliebe der Herzogin wider: Hunde und Pferde, Schweine und Kühe, vor allem aber ihr geliebtes Federvieh wird in jeder erdenklichen Ausführung angeboten. Keramik-Hühner und Marmor-Hunde, Bronze-Hasen und Porzellan-Elefanten, Gips-Schweine und natürlich Insekten, Letztere allerdings aus kostbaren Perlen und edlen Steinen gefertigt: Schmetterlinge und Hummeln, Käfer, Raupen und Spinnen gehörten als Broschen zu den Lieblingsschmuckstücken der Herzogin.
Schätze & Schnäppchen
Dabei war der Wert des jeweiligen Getiers für die Duchess von untergeordneter Bedeutung: In ihrer Sammlung finden sich ebenso zwei Ton-Hendln für geschätzte 700–1.000 Pfund (1.000–1.400 Euro) wie ein Porzellan-Paar aus der Qing-Dynastie für 2.000–3000 Pfund (2.800–4.200 Euro). Selbst ein versilberter Keramik-Gockel für 150–250 Pfund (250–350 Euro) findet sich im Katalog, während ein lebensgroßes Holz-Huhn des britischen Künstlers Nicholas Johnson mit vergleichsweise happigen 2.500–3.500 Pfund (3.500–4.900 Euro) zu Buche schlägt.
Apropos Juwelen und Wert: 1987 veranstaltete Sotheby’s eine Auktion mit Schmuck der Duchess of Windsor, anhand dessen sich die mögliche Wertsteigerung von aristokratischen Besitztümern anschaulich belegen lässt. 13 Jahre später kamen nämlich einige derselben Stücke im gleichen Auktionshaus erneut zur Versteigerung – und brachten oft das Vielfache der schon initial stolzen Preise. Beispiel gefällig? Ein Panther-Armband aus Onyx und Diamanten, gefertigt 1952 von Cartier, brachte 1987 bei der ersten Auktion 860.082 Pfund, 2010 hingegen 4.521.250 Pfund. Das entspricht einer Gesamtwertsteigerung von rund 426 Prozent, also 32,78 Prozent pro Jahr.
Doch nicht nur die Tierfreunde und Schmucksammler dürften bei der Devonshire-Auktion voll auf ihre Kosten kommen. Einen Schwerpunkt des Angebots bilden die Bücher der Herzogin, vielfach signierte Exemplare und Erstausgaben, zum Beispiel von Ian Fleming’s „Thunderball”, aber auch Literatur, die ihre Interessen auf schöne Weise widerspiegelt: „Farming for Ladies” aus dem Jahr 1844, „The Poultry Book” aus 1853 oder eine Sammlung von Kochbüchern (1875–2011).
Weitere Sammlungen widmen sich den Themen Architektur, Kunst und Design, Garten sowie Kinderbüchern. Historiker wiederum dürften in Jauchzer des Entzückens ausbrechen, wenn sie die von John F. und anderen Mitgliedern der Kennedy-Familie signierten Bücher sehen, während Literatur-Fans sich für persönlich gewidmete Werke von Evelyn Waugh begeistern können. Tja, und dann gibt’s in der Auktion noch jede Menge Möbel, alles, was man zum Decken einer festlichen Tafel braucht, und – tatsächlich – eine Sammlung von Elvis-Presley-Souvenirs, zu dessen größten Fans die verstorbene Herzogin zählte.
Aristos & Auktionen
Solche liebenswerten Schrullen beschränken sich freilich nicht auf den britischen Adel. Auch das Dorotheum weiß um die Attraktivität großer Namen und veranstaltet einmal im Jahr eine Auktion „Aus aristokratischem Besitz”. „Da weiß man vorher nie, was eingeliefert wird”, erklärt Alexander Doczy, Möbelexperte und Verantwortlicher für diese sowie die Single Owner Sales im Dorotheum. „Oft wollen die Einlieferer auch nicht, dass sie als Verkäufer genannt werden; in solchen Fällen schreiben wir zum Beispiel ,aus gräflichem Besitz' in den Katalog.” Denn dass die Herkunft einen Unterschied im Verkauf macht, steht für Doczy völlig außer Frage: „Möbel, die ich sonst kaum an den Mann bringe, finden in dieser Auktion praktisch immer Käufer.” Voraussetzung sei allerdings, dass von den durchschnittlich 300 Stücken, die zur Versteigerung gelangen, „zumindest fünf bis zehn Prozent wirklich gute bis sehr gute Qualität haben”, so Doczy. „Der Rest rennt im Sog dieser Zugpferde dann mit.” Und das zu deutlich höheren Preisen als in „normalen” Auktionen: „Durchschnittlich kann man sagen, dass die Ergebnisse zumindest ein Drittel höher liegen als ohne die illustre Provenienz”, verrät Doczy, „in manchen Fällen auch um 100 Prozent höher.”
Ein geradezu aberwitziges Beispiel fällt dem Experten aus der Nachlass-Auktion des Fürsten Kinsky 2012 ein: Zwei leere (!), lederne Gewehrkoffer mit Monogramm und Grafenkrone (Purdey) wie mit Prägung „Count Charles Kinsky” (Holland & Holland) vervielfachten ihren Schätzwert von 150 bis 250 Euro auf 3.250 Euro. Adel verpflichtet eben.