„Fondsgebundene gibt kräftige Lebenszeichen”
© Wiener Städtische/Elke Mayr
FINANCENET 27.11.2015

„Fondsgebundene gibt kräftige Lebenszeichen”

Städtische-Chef Robert Lasshofer spricht im medianet-Interview über Niedrigzinsdebakel, Online-Druck und heiße Trends.

••• Von Gerald Stefan

WIEN. Österreichs Versicherer ­legen auch heuer ein Wachstum bei den Prämien hin, aber der Markt ist nichtsdestoweniger von starken Trends und Umbrüchen geprägt: Robert Lasshofer, Generaldirektor der VIG-Tochter Wiener Städtische, schildert im Interview die Auswirkungen von Niedrigzinsen und ­Online-Vertrieb auf die Assekuranzen und ihre Mitarbeiterzahlen.

medianet: Der Versicherungsmarkt ändert sich. Durch die Senkung der Garantiezinsen rückt der Renditegedanke in den Hintergrund. Was sind die Hauptargumente, auf die der Vertrieb der Wiener Städtischen derzeit setzt – je nachdem, um welche Versicherungs­produkte es sich handelt?
Robert Lasshofer: Wir legen schon seit längerer Zeit unseren Fokus im Vertrieb auf die wesentlichen Punkte der Lebensversicherung, nämlich die Absicherung persönlicher Risiken, wie etwa dem der Langlebigkeit, der Versorgung im Todesfall, der Berufsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit. Die Senkung des Garantiezinses von 1,5 Prozent auf 1 Prozent ab dem Jänner 2016 ist sicher für die Lebensversicherung nicht förderlich, doch im Mittelpunkt des Beratungsgesprächs sollte nicht die Rendite stehen, sondern die biometrischen Risiken. Diese können mithilfe der staatlich geförderten Prämienpension, der klassischen Lebensversicherung sowie der fondsgebundenen Lebensversicherung am besten abgedeckt werden. Welches der Produkte gewählt wird, hängt von der jeweiligen ­Situation und den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden ab.

medianet:
Die Finanzbranche steht im Moment im Bann der Einsparungen bei den Banken. Wie sieht es bei den Versicherern aus: Haben die Versicherer wie die Banken in den letzten Jahren Einbußen durch Finanzkrise und niedrige Zinsmargen erlitten? Droht der Branche ein Sparkurs?
Lasshofer: Die Versicherungsbranche in Europa hat die Finanzkrise unbeschadet überstanden, sie war – wenn Sie so wollen – der Fels in der Brandung. Geholfen hat dabei, dass wir ein gänzlich anderes Geschäftsmodell als die Banken haben, daher sind wir auch von den Auswirkungen weniger betroffen. Natürlich gibt es auch in unserem Sektor einen Kostendruck, aber den versuchen wir als Wiener Städtische durch permanente Überprüfung der Kostenstruktur zu entschärfen. Und das gelingt uns sehr gut, daher wird es derzeit kein gesondertes Kostensenkungsprogramm geben.

medianet:
Ein wichtiger Faktor, warum die Banken sparen müssen, ist das dichte Filialnetz, gerade in Österreich. Die Filialen verursachen natürlich Kosten. Gleichzeitig setzen immer mehr Kunden Online-Banking ein. Wie sieht das bei den Versicherern aus? Auch die Wiener Städtische baut ja derzeit im Bereich Online-Vertrieb deutlich aus. Wie viele Außendienstmitarbeiter hat man, waren es vor zehn Jahren mehr und droht hier wie bei den Banken eine weitere Schließungswelle, oder sucht man vielleicht sogar Nachwuchs?
Lasshofer: Auch hier unterscheiden sich Banken von Versicherungen fundamental. Der Digitalisierungsgrad bei Banken ist deutlich höher – denken Sie nur an Überweisungen, die vor allem online durchgeführt werden. Versicherungslösungen bedürfen jedoch einer fundierten, persönlichen Beratung. Deshalb ist uns die Nähe zum Kunden so wichtig.

Wir haben österreichweit insgesamt 140 Geschäftsstellen und rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind rund 2.000 in der Kundenberatung. Die Anzahl ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Wir sind immer auf der Suche nach engagierten Persönlichkeiten, gerade jungen Leuten wollen wir eine Perspektive bieten. Die Wiener Städtische bildet jedes Jahr rund 100 Lehrlinge aus.


medianet: Wie sieht es bei den verschiedenen Versicherungsprodukten aus, was den Online-Vertrieb betrifft? Wie online- und mobile-affin sind die verschiedenen Polizzentypen? Auf welchen Schienen spricht man die Kunden an, und wird sich die Branche dadurch verändern?
Lasshofer: Die Digitalisierung der Versicherungsbranche ist ein Faktum, wir können uns dem Trend einfach nicht entziehen. Daher haben wir uns entschlossen, dieses Thema nicht mehr nur mit der nötigen Aufmerksamkeit zu beobachten, sondern die richtigen Akzente und Initiativen zu setzen. Dennoch gilt für uns nach wie vor: Versicherungslösungen brauchen professionelle Beratung, nur einfache Produkte wie etwa Reise- oder Studentenversicherung, die keine Beratung benötigen, bieten wir online unseren Kundinnen und Kunden an. Nach wie vor zählt für uns die Devise: Beratung first!

medianet: Auf welche Sparten und Produkte setzt die Wiener Städtische jetzt und 2016 besonders – welche Produkte rücken im Bereich Leben-, Kranken-, Sachversicherung in den Vordergrund?
Lasshofer: Ein Thema, das uns sicher auch die nächsten Jahre begleiten wird, ist das Thema Vorsorge. Das Pensionskonto zeigt die Lücken im Alter transparent auf, und Umfragen belegen, dass das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher, vorzusorgen, deutlich steigt. Als Basisprodukt ist nach wie vor die staatlich geförderte Prämienpension vor allem bei Jüngeren gefragt. Auch die klassische Lebensversicherung wird sich erholen, eine Belebung sehen wir in der fondsgebundenen – und die wird sich fortsetzen.

Nachholbedarf gibt es auch in der Krankenversicherung; immer mehr wünschen sich eine private Krankenversicherung als Ergänzung zum staatlichen System, um optimal für ihre Gesundheit vorzusorgen. Und last, but not least, sind Pflegebedürftigkeit und Berufsunfähigkeit Risiken, für die es Bewusstsein zu schaffen gilt.

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