Österreichs Start-ups sind international beliebt
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FINANCENET Redaktion 26.08.2022

Österreichs Start-ups sind international beliebt

EY-Barometer: Rot-weiß-rote Start-ups erhielten im ersten Halbjahr 2022 mehr frisches Kapital als je zuvor.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Nachdem 2021 weltweit alle Rekorde im Hinblick auf Start-up-Finanzierungen geknackt wurden, haben steigende Zinsen, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation und eine drohende Rezession das Marktumfeld stark eingetrübt, zeigt das EY Start-up Investment Barometer 1/2022. In den Zahlen für das erste Halbjahr 2022 lässt sich hingegen noch keine Eintrübung des Finanzierungsmarkts für österreichische Start-ups erkennen.

Im Gegenteil: Österreichische Start-ups erhielten im ersten Halbjahr 2022 mehr frisches Kapital als je zuvor. Mit insgesamt 881 Mio. € wurde das Volumen des Vorjahreszeitraums um deftige 67% überschritten. Österreichs Start-ups sammelten sogar noch mehr Kapital ein als im bisherigen Rekordzeitraum, dem zweiten Halbjahr 2021. Allerdings vereinigten die zwei großen Finanzierungsrunden von GoStudent mit 300 Mio. sowie TTTech Auto mit 250 Mio. € 62% des gesamten Investitionskapitals auf sich.
Der Anteil an österreichischen Geldgebern in den Finanzierungsrunden ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen: An 79% der Finanzierungsrunden, bei denen Angaben zu den beteiligten Investorengruppen veröffentlicht wurden, waren heimische Investoren beteiligt – im ersten Halbjahr 2021 waren es 71%. 45% wurden sogar ausschließlich von heimischen Investoren getragen, 2021 waren es 44%. Dennoch stammen drei Viertel (73%) der Gesamtfinanzierungssumme von rein international besetzten Investorengruppen.

Österreicher schlagen zu

Auch hier zeigt sich eine stärkere Beteiligung von heimischen Geldgebern als im Jahr davor, wo sogar 90% der Investmentsumme von nicht-österreichischen Investorengruppen bereitgestellt wurden.

„In Österreich ist der Start-up-Höhenflug trotz des bereits stürmischen Umfelds auch im ersten Halbjahr 2022 weitergegangen. Noch nie wurde in einem ­Halbjahr so viel Kapital in Start-ups gesteckt wie heuer. Diese Zahlen dürfen aber nicht zu dem Trugschluss führen, dass der Boom des Rekordjahres 2021 in Österreich ungebremst weitergeht”, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Abschwung steht bevor

Viele Finanzierungsrunden wurden bereits 2021 oder in den noch starken ersten Monaten 2022 auf den Weg gebracht und jetzt abgeschlossen.

„Gerade bei der Wachstumsfinanzierung, die in Österreich immer noch fast ausschließlich durch internationale Investorengruppen getätigt wird, wird sich die starke Zurückhaltung von Risikokapitalgebern in den nächsten Monaten niederschlagen”, so Haas.

Mehr Kapital in Übersee

„Österreichische Start-ups stehen bei ihrem Wachstumskurs früher oder später vor der Situation, dass sie das für ihre Skalierung und Internationalisierung benötigte Kapital nur jenseits der Landesgrenzen lukrieren können. Gerade bei Finanzierungsrunden ab dem zweistelligen Millionenbereich ist die Abhängigkeit von Geldgeber aus Übersee groß, da es in Österreich kaum Wachstumsfinanzierer gibt”, sagt der EY-Experte. Bei frühphasigen Investmentrunden sind dementsprechend auch klar heimische Investorengruppen führend: In Pre Seed- (76 %) und Seed-Finanzierungsrunden (56%), bei denen Angaben zu Investoren und der Art der Finanzierungsrunde bekannt sind, stellten sie jeweils die Mehrheit der Kapitalgeber.

Anschub mit Austro-Geldern

Das ändert sich, sobald es von der Anschub- zur Wachstumsfinanzierung geht: Liegt der Anteil österreichischer Geldgeber bei Series-A-Finanzierungsrunden noch zumindest bei 47%, sind es bei Series-B-Runden im ersten Halbjahr 2022 nur zehn Prozent.

An den insgesamt sechs Series B-, Series C- und Corporate-Finanzierungsrunden, bei denen Angaben zu den Investoren vorliegen, hatte lediglich jeder zehnte beteiligte Investor (Series B) bzw. kein Investor (Series D und Corporate Series) den Hauptsitz in Österreich.
Während die Anschubfinanzierung in Österreich insbesondere über Business Angels nach wie vor funktioniert, stehen heimische Investoren bei großen Finanzierungsrunden oft nur an der Seitenlinie, während vor allem Venture Capital Fonds aus den USA und UK das Spiel gestalten und sich auf ihrer europäischen Shopping-Tour in Österreichs Top-Start-ups einkaufen.
Bei den Finanzierungsrunden mit einem Finanzierungsumfang von mehr als zehn Mio. € waren unter den 39 Investoren nur sieben Kapitalgeber mit Hauptsitz in Österreich (18%). Lediglich bei kleineren Finanzierungsrunden im Umfang von bis zu einer Mio. € waren mehrheitlich österreichische Geldgeber beteiligt. So hatten hier immerhin 45 der 62 verzeichneten Investoren ihren Hauptsitz in Österreich (73%).
Unter den 45 Investoren der zehn größten Finanzierungsrunden im ersten Halbjahr 2022 befinden sich 17 Kapitalgeber mit Sitz im angelsächsischen Raum (Großbritannien, USA),17 Kapitalgeber mit Sitz im europäischen Ausland, acht Investoren mit Sitz in Österreich und drei mit Sitz im Raum Asien-Pazifik. Die Hälfte der Top-10-Abschlüsse fand ohne Beteiligung österreichischer Kapitalgeber statt, darunter die beiden Top-Deals für GoStudent und TTTech Auto.

Kapitalmarkt stärken

„Nur eine nachhaltige Stärkung des heimischen Kapitalmarkts und dringend notwendige Anreize für Risikokapital-Investitionen von Privatpersonen und institutionellen Investoren können langfristig die Abwanderung von intellektuellem Kapital und den Verlust von Arbeitsplätzen verhindern”, sagt Haas.

„Österreichische Scale-ups haben im ersten Halbjahr 2022 Rekordsummen eingesammelt und wie auch in den vergangenen Jahren dazu auf ausländisches Kapital zurückgreifen müssen. Beim ansteigenden Wachstum dieser Unternehmen wird der Anteil von internationalen Investoren am gesamt Finanzierungsvolumen jedes Jahr größer bzw. liegt jetzt schon bei 73 Prozent”, sagt Laura Egg von der Austrian Angel Investors Association (AAIA).

Kapital vorhanden

Das notwendige Kapital wäre allerdings reichlich vorhanden und wird aktuell von österreichischen Kleinanlegern und institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen, Stiftungen, und Pensionskassen gebunkert. „Zusätzlich sollte auch die Anzahl an Investitionen unter zehn Million Euro gesteigert werden, statt zu stagnieren. Hier würden steuerliche Erleichterungen für einen notwendigen Aufschwung sorgen”, so Egg.

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