Reformbedarf: Kosten für Pflege steigen stark
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HEALTH ECONOMY Redaktion 28.08.2020

Reformbedarf: Kosten für Pflege steigen stark

In den nächsten Monaten will Sozialminister Anschober eine Pflegereform ausarbeiten. Eine Studie zeigt Lösungen.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) macht Druck für eine Pflegereform. Anlässlich der nun abgeschlossenen Pflegebefragung betont er, dass es keine Reform über die Köpfe der Betroffenen hinweg geben werde. Die mehr als 3.000 Rückmeldungen werden jetzt ausgewertet, die Ergebnisse sollen in den Reformprozess einfließen, erklärte er am Freitag. Anschober will zudem die durch die Coronakrise unterbrochene Dialogtour durch die Bundesländer fortsetzen. Diese habe das Ziel, ein Gesamtbild der Ist-Situation zu schaffen und Ideen für die Zukunft zu sammeln, wie eine professionelle, menschenwürdige Pflege in Österreich gelingen könne.

Task-Force sucht Lösungen
Im Anschluss daran sollen von der Task-Force Pflege notwendige Neuerungen erarbeitet werden, die dann Anfang 2021 in die konkreten Umsetzungen gehen sollen – in einer Zielsteuerungskommission, in der Bund, Länder und Gemeinden erstmals gemeinsam den Bedarf erheben, gemeinsam planen und gemeinsam umsetzen, wie Anschober betonte. Genau das scheint auch dringend notwendig, wie eine neue Umfrage zeigt. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo zur Pflegevorsorge in den Gemeinden sieht Nachholbedarf bei der Koordination zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die Experten raten zu regionalen Pflegeinformationsstellen – einerseits zur Beratung der Angehörigen, aber auch, um den Pflegebedarf vor Ort besser verfolgen und prognostizieren zu können. Die Studie wurde im Auftrag des größten privaten Pflegeheimbetreibers SeneCura in Kooperation mit dem Gemeindebund erstellt. Der Untersuchung zufolge wird bis zum Jahr 2050 in allen Bundesländern die Anzahl der sogenannten hochaltrigen Personen ab 85 Jahren um das Zweieinhalb- bis Dreifache steigen, wenn auch die Entwicklung regional unterschiedlich ist. Die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen wird also enorm zunehmen. Die Gesamtausgaben für Pflege- und Betreuungsdienste werden laut den Projektionen des Wifo bis 2030 um 77% steigen. Die laufenden Ausgaben für Wohn- und Pflegeheime beliefen sich im Jahr 2018 laut Statistik Austria auf 3,456 Mrd. €; nicht eingerechnet sind hier häusliche Pflege und mobile Dienste. Als zentrale Herausforderungen im Pflegebereich sieht das Wifo wenig überraschend Finanzierung und Personal. Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung sind derzeit zwischen unterschiedlichen Gebietskörperschaften verteilt – zumeist ohne gemeinsame Steuerung, sodass es laut den Experten zu Fehlanreizen und Ineffizienzen kommt. Die Stärkung mobiler Dienste könne den Kostenpfad etwas dämpfen, glaubt das Wifo, aber aufgrund der demografischen Entwicklung sei der Ausbau stationärer Einrichtungen unerlässlich, befand Studienleiterin Ulrike Famira-Mühlberger.

Privater Betreiber will helfen
Aus Sicht der befragten Gemeinden besteht hoher Nachholbedarf bei der Koordination der Pflege: Einerseits eine systematische Herangehensweise, um Informationen über den gegenwärtigen und künftigen Pflegebedarf der lokalen Bevölkerung zu erheben, andererseits, um den Bürgern kompetente, wohnortnahe Information und Beratung bieten zu können. Man müsse sich auf die wohnortnahe Organisation der Pflege fokussieren, bekräftigte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP), eine systematische Herangehensweise bei Information und Planung sei dabei unerlässlich. Der größte private Pflegeheimbetreiber SeneCura bietet sich hier selbst an: Man könne einen Betrag leisten und in Zukunft vielleicht Aufgaben offiziell übernehmen, die man jetzt informell mitmache, meinte Markus Schwarz, Vorstand der SeneCura Gruppe.

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