„Eine KI, die tatsächlich versteht, worum es geht”
© Gerald Kührer
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 17.03.2023

„Eine KI, die tatsächlich versteht, worum es geht”

„Deepassist” zählt bei Natural Language Technologies zur Weltspitze. Deepsearch-CEO Roland Fleischhacker im Talk.

••• Von Oliver Jonke und Alexander Haide

Weltweit unter die Top Five bei Natural Language Technologies eingestuft zu werden – ein großer Erfolg für „Deep­assist”. Gegründet von Roland Fleischhacker, spielt die Deepsearch GmbH in der Oberliga mit, was Künstliche Intelligenz (KI) bei der Text- und Spracherkennung betrifft. CEO Roland Fleischhacker erklärt, was hinter der Technik steckt und wo sie bereits erfolgreich angewendet wird.


medianet:
Was genau macht Deepsearch?
Roland Fleischhacker: Wir haben ein Produkt, das sich ‚Deep­assist' nennt, wobei der Name Programm ist. Der Begriff ‚Deep' steht seit einiger Zeit für Anwendungen von Künstlicher Intelligenz. Als wir 2010 den Namen Deepsearch erfunden haben, gab es diese Metapher allerdings noch nicht. Unsere Zielsetzung ist, dass eine Maschine auf menschlichem Niveau Texte interpretieren kann. Sprache im weitesten Sinn, ob geschrieben oder gesprochen, ist im privaten wie auch geschäftlichen Umfeld ein omnipräsentes Phänomen.

Wenn man Sprache automatisiert interpretieren kann, ergeben sich eine Menge Anwendungen. Dokumente können besser klassifiziert und wiedergefunden werden. Das gilt für E-Mails, aber auch für Telefongespräche. Damit wird die Kommunikation unterstützt und gegebenenfalls auch automatisiert. ‚Deep' steht für KI und ‚assist' dafür, dass wir Unternehmen helfen wollen, Prozesse damit zu unterstützen.

medianet: Wobei können Sie Unternehmen unter die Arme greifen?
Fleischhacker: Auf vielfältige Art. Etwa bei E-Mails, die von der KI gelesen und verstanden und an die richtige Person zur Bearbeitung weitergeleitet werden. Das ist unser einfachster Anwendungsfall.

medianet:
Wie erkennt das Deep­assist?
Fleischhacker: Der Text wird gelesen, und wir transformieren die wichtigsten Elemente – worum es geht und die wichtigsten Informationen – in ein definiertes Format. Damit wird es für andere Systeme ebenfalls lesbar und verstehbar, die es danach verarbeiten.

Ein Beispiel: Möchte jemand seinen Mobiltelefonvertrag kündigen, dann ist eine Kundennummer, eine Vertragsnummer und das Datum der gewünschten Vertragsauflösung vorhanden. Danach werden die Informationen an ein Mail- oder Ticketing-System übergeben. Dieses System nimmt diese Informationen in strukturierter Form auf und startet einen bestimmten Workflow.
Weiterführend ist, wenn genau erkannt wurde, worum es geht und alle benötigten Informationen bereits vorhanden sind. Diese werden dann nicht an eine Person weitergeleitet, sondern automatisiert verarbeitet.


medianet:
Eingehende Texte werden also automatisch beantwortet?
Fleischhacker: Ja. Wir müssen oft sogar eine verzögernde Zeitschleife einbauen, da der Kunde es nicht verstehen würde, weshalb sein Anliegen sofort, innerhalb von wenigen Sekunden, erledigt und beantwortet wird.

medianet:
Funktioniert das mit allen Sprachen?
Fleischhacker: Theoretisch ja. Wir haben eine eigene Technik entwickelt, die völlig anders funktioniert als 99 Prozent der anderen Systeme, die auf neuronalen Netzwerken aufbauen. Wir haben eine semantische und pragmatische KI entwickelt, die nicht auf statistische Muster reagiert, sondern die tatsächlich versteht, worum es geht. Das System kann auch zwischen den Zeilen lesen. Diese Technik lassen wir derzeit für den amerikanischen Markt patentieren.

medianet:
Wo kann diese Art der KI eingesetzt werden?
Fleischhacker: Vorwiegend im Kunden-, aber auch im Mitarbeiterservice. Gerade beim Kundenservice sind Kunden oft nicht in der Lage oder willens, exakt zu vermitteln, was sie wollen. Sie können ihr Anliegen oft nicht in Worte fassen, sondern etwa nur Symptome erklären oder reden um den heißen Brei herum. Hier stellt unser System Hypothesen auf, was der Kunde eigentlich mitteilen möchte. Das funktioniert nicht nur bei E-Mails, sondern wir machen auch Telefonerkennung in Realtime.

medianet: Was im Normalfall ein empathisch begabter Mensch kann, kann auch die Maschine?
Fleischhacker: Genau. Sie bereitet die Informationen vor, und ein Mitarbeiter kann danach proaktiv auf den Kunden zugehen. Das verbessert das Kundenerlebnis maßgeblich, wenn man bereits zuvor vom System erfahren hat, was der Kunde möchte, ohne dass er es gesagt hat.

medianet:
Führt Deep­assist auch Dialoge oder gibt es nur Antworten?
Fleischhacker: Wir führen keinen Dialog, aber wir können unser System mit einem Chatbot verbinden, der dialogfähig ist. Dazu verwenden wir Natural Language Understanding beim Chatbot.

medianet:
Wie hoch ist die Fehlerquote bei Deep­assist?
Fleischhacker: Es gibt eine Art gläserne Decke bei der Erkennung, das sind etwa 95 Prozent.

medianet:
Gibt es manchmal falsche Antworten?
Fleischhacker: Wenn ein Telefonat nicht eindeutig ist, bedarf es oft einer Nachfrage. Aber wir haben etwa viele Ausdrücke aus dem Wiener Dialektwörterbuch ins System aufgenommen, denn wir müssen unsere Kunden verstehen, wie das Wort ‚Coloniakübel'. Wir müssen auch verstehen, wenn jemand etwas anderes meint als er sagt. So sprechen viele Menschen bei Zahlungen noch von einem Dauerauftrag, obwohl sie ein SEPA-Mandat meinen.

medianet:
Kann Deep­assist die Lösung für den Mitarbeitermangel bei Callcentern sein?
Fleischhacker: Ja, denn die Erwartungshaltung der Kunden wird immer größer, und die Aufgabenstellungen werden immer komplexer. Gerade bei hochfrequenten und hochrepetitiven Anfragen, besonders im Bereich E-Mail, bringt unser System große Vorteile. Das sind etwa Reklamationen, die Änderung von Kontonummern und Ähnliches. Ein manuelles Bearbeiten solcher E-Mails dauert zwischen sieben und neun Minuten, bei uns dauert es zwei CPU-Sekunden.

medianet:
Wie lange benötigt Deepsearch, um eine entsprechende Anwendung für einen Kunden nutzbar zu machen?
Fleischhacker: Kunden wollen keine lang dauernden, teuren oder riskanten Projekte. Deshalb war von Beginn an eine der Grundprämissen bei der Entwicklung von Deep­assist, dass es ganz einfach, ganz rasch zu implementieren und transparent ist. Das Kundenservice einer Bank ist gänzlich anders als das einer Investmentbank, eines Energieversorgers oder eines Online-Shops. Wir nennen das ‚Domain-Sprache'. Also muss ich erkennen, was der Kunde sagt, die Domain-Sprache verstehen, und ich muss die Lösungsprozesse kennen, die bestimmte Anforderungen auslösen. Das liefern wir in Form von Branchenlösungen.

Wir haben vorprogrammierte Systeme, die nicht nur verstehen, was der Kunde sagt, sondern auch einen Lösungskatalog von Prozessvorlagen, der von Kunde zu Kunde variiert. Bei Plaut, einem Kunden in Deutschland, dauerte die Implementierung nur fünf Tage. Das schaffen andere Anbieter nur in Monaten. Es gibt also fixfertige Branchenlösungen wie für Facility Services für große Hausverwaltungen ab 15.000 Wohneinheiten und Public Transport, wie Bahnen oder Airlines. Aktuell arbeiten wir an Branchenlösungen für Insurance und Retail Banking.


medianet:
Welche Märkte sind im Fokus von Deepsearch?
Fleischhacker: Heute ist das der D-A-CH-Raum. 2023 ist für uns das Vorbereitungsjahr, um aus dem D-A-CH-Raum hinauszugehen.

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