Luxus im Krisenmodus
© Dolce & Gabbana
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 22.05.2020

Luxus im Krisenmodus

Basel/Genf. Während die Watch Week der LVMH-Marken Bulgari, Hublot, TAG Heuer und Zenith sowie die internationale Uhren- und Schmuckmesse Inhorgenta in München Mitte Februar noch planmäßig – und erfolgreich – über die Bühne gegangen sind, war den Veranstaltern etlicher weiterer Events, die später im Frühling noch gefolgt wären, bald klar, dass die Corona-Pandemie die Vorhanden vereiteln würde.

Denn schon Ende Februar mussten mit dem Verbot von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen in der Schweiz die beiden wichtigsten Messen der Branche, die Watches & Wonder Geneva (ehemaliger Salon International de la Haute Horlogerie) und die Baselworld abgesagt werden.

Digitale Watches & Wonders

Den Veranstaltern der Watches & Wonder Geneva, auf der die Richemont-Marken sowie eine Reihe unabhängiger Highend-Brands ihre Neuheiten präsentieren, war es in vergleichsweise kurzer Zeit gelungen, eine komplett digitale Show auf die Beine zu stellen.
Den Weg ins Internet machte auch Breitling und stellte die erste Damenversion der Navitimer sowie die neuen Chronomat- und Superocean Heritage ’57-Modelle im Rahmen eines Webcasts vor.
Die Swatch Group hatte schon Anfang Februar bei der Bilanzpressekonferenz die für Anfang März in Zürich vorgesehene Hausmesse Time to Move in Zürich abgesagt und stattdessen digitale Formate der einzelnen Marken angekündigt, die mittlerweile auch schon online sind. Darüber hinaus sind die Brandmanager und Außendienstmitarbeiter verstärkt unterwegs, um Juwelieren die Neuheiten direkt in ihren Geschäften zu zeigen.

Livestreams & Webcasts

Noch sieht es so aus, als könnte mit den Geneva Watch Days Händlern, Journalisten und Sammlern heuer vielleicht sogar doch noch ein Uhren-Event in mehr oder weniger gewohnter, zumindest aber analoger Form geboten werden können. Auf Initiative von Bulgari-CEO Jean-Christophe Babin wollen Breitling, Ulysse Nardin, Girard-Perregaux, Gerald Genta, Urwerk, H. Moser & Cie, De Bethune und MB & F eine Reihe von dezentralen Shows in den Markenboutiquen sowie verschiedenen Luxushotels der Uhrenmetropole organisieren. Der Termin war ursprünglich für Ende April vorgesehen, wurde dann aber auf Ende August verschoben. Der spätere Zeitpunkt erhöht sowohl die Chancen, dass zumindest kleinere Einzelevents möglich sein werden, als auch jene, dass nicht nur Besucher aus Europa, sondern auch aus Überseemärkten, wie zum Beispiel China oder Korea, anreisen könnten.

Baselworld steht vor …

Ob die Geneva Watch Days tatsächlich stattfinden können und sich vielleicht noch weitere Marken dem Alternativ-Event anschließen werden, wird sich noch zeigen – die Corona-Pandemie hat ja heuer schon unzählige gute Pläne über den Haufen geworfen.
Auch jene der MCH Group, die Baselworld mit einem runderneuerten Konzept endlich wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Was dazu schon bekannt gegeben worden war – etwa die Watch Lounge mit 15 unabhängigen Uhrenmanufakturen, eine Schauwerkstatt oder die Teilnahme von Phillips in Association with Bacs&Russo, einem der größten Auktionshäuser für Uhren –, klang zumindest ganz vielversprechend.
Kurz vor Aufbaubeginn musste die Messe abgesagt werden – ein herber Schlag für die Organisatoren. Und rund um die Verschiebung auf Jänner 2021 sowie die Modalitäten für die teilweise Rückerstattung der heuer bereits bezahlten Gebühren kam es zu neuen Troubles mit den Ausstellern und danach zu einer weiteren Austrittswelle.
Und die war sogar noch dramatischer als der Abgang aller 17 Swatchgroup-Marken vor zwei Jahren.
Mitte April hatten Rolex, Tudor, Patek Philippe, Chanel und Chopard bekannt gegeben, dass sie ab 2021 nicht mehr wie ursprünglich geplant in Basel ausstellen werden, sondern stattdessen in Kooperation mit der Fondation de la Haute Horlogerie (FHH) einen eigenen Uhrensalon gründen wollen, der gleichzeitig mit der Watches & Wonders im Genfer Palexpo stattfinden wird. Wenige Tage später verabschiedeten sich dann auch Bulgari, TAG Heuer, Zenith und Hublot endgültig, um ab dem nächsten Jahr gemeinsam und ebenfalls in Genf eine eigene Messe zu veranstalten.

… endgültigem Aus

Damit waren die Pläne für eine Baselworld Anfang 2021 auch schon wieder Makulatur. Aktuell ist das Organisations-Team rund um Messechef Michel Loris-Melikoff in Gesprächen mit den Ausstellervertretern, um die Möglichkeiten alternativer Formate und Konzepte abzuklären; erste Details sollen schon im Sommer bekannt gegeben werden.
Aber da mit den abgesprungenen Top-Marken wesentliche Attraktionen auf jeden Fall fehlen und es gut möglich ist, dass Aussteller, die ihre Teilnahme für das nächs­te Jahr zumindest in Aussicht gestellt haben, sich jetzt lieber doch anderweitig orientieren, stehen die Chancen für einen Neustart nicht sonderlich gut.
„Ich könnte mir vorstellen, dass die Inhorgenta für manche kleinere Uhrenmarke eine überzeugende Antwort parat hat, genau wie die Vicenzaoro im Schmuckbereich”, meint Philipp Pelz, Geschäftsführer von Wempe Österreich. Die für ihn besonders wichtigen Marken konzentrieren sich ab dem nächs­ten Jahr auf jeden Fall in Genf. Ob er auch Basel wieder in seinen Terminkalender einträgt, will er entscheiden, sobald die Aussteller bekannt sind.

Genf wird Hotspot …

Dass die Messe heuer ausfällt, mache aber den Einkauf zu einer besonderen Herausforderung: „Jede Marke versucht, so gut wie es aktuell geht, die Neuheiten abseits der Messen größtenteils über virtuelle Präsentation zu zeigen. Doch genau wie einem Endkunden fällt es auch uns Einkäufern schwer, ein Produkt rein über Bilder zu bewerten.”
Deutlich positiver sieht Juwelier Andreas Kopf aus Götzis die Online-Präsentationen: „Schon einen Tag nach dem Webcast von Breitling, der wirklich gut in innovativ gemacht war, haben wir die ers­ten Kundenbestellungen für neue Modelle bekommen.” Heuer will er aber auf jeden Fall selektiver einkaufen – nicht, weil alternative Formate die Entscheidung schwerer machen, sondern weil er noch abwarten will, wie sich rund um Corona das Interesse der Kunden entwickelt.

… für alle Luxusmarken

Abwarten und Tee trinken ist auch die Devise des Wiener Juwelier Anton Heldwein. Zwar hatte er sich darauf gefreut, die Neuheiten von Chanel und Patek Philippe in Basel zu sehen, dass es dazu nicht gekommen ist „passt in der jetzigen, coronabedingten Situation eigentlich ganz gut. Ich möchte ohnehin die weitere Entwicklung abwarten und mich bei den Einkäufen eher zurückhalten.”
Für die Baselworld, die nach dem Abgang der letzten Topmarken für ihn jegliche Attraktivität verloren hat, sieht er auf jeden Fall schwarz: „Ich zweifle sehr daran, dass es sie nächstes Jahr noch geben wird.”

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