„Alles digital!” Das ist das Motto für 2017
© Philippe Huguen/AFP/picturedesk.com
MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 16.12.2016

„Alles digital!” Das ist das Motto für 2017

medianet befragte die Kommunikationsbranche, wiedie wesentlichen Player das kommende Jahr sehen.

••• Von Dinko Fejzuli

 

Neben der Digitalisierung und ihren Folgen beschäftigt ein weiteres Thema, das sich daraus ergibt, alle Branchenteilnehmer: Die Forderung nach fairen Rahmenbedingungen für alle. Das war der Tenor bei den Antworten auf die Frage von medianet, mit welchen Themen man sich im kommenden Jahr besonders intensiv beschäftigen wird müssen.

Fragt man genauer nach, so zeigt sich recht deutlich, dass die Definitionen, was „fair” und „gleiches Spielfeld” in Bezug auf einen selbst und die Mitbewerber bedeutet, dann doch recht weit auseinandergehen. Vor allem bei der Frage, wie sich die heimischen Medienunternehmen den globalen Playern Google, Amazon und Facebook stellen sollen, gehen die Meinungen auseinander.

Medium oder nicht Medium …

Während die einen, wie Markus Breitenecker, etwa Facebook eindeutig als Medium sehen und deshalb auch gleiche Regeln für den Social Media-Kanal fordern, sehen andere, wie etwa VÖZ-­Präsident und Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger, die Plattform ganz und gar nicht in der eigenen Branche kategorisiert. Allein daran sieht man, dass sich die Branche nicht einig ist, wie man diesen globalen Playern gegenübertreten soll.

In dieses Horn stößt auch ORF-Boss Alexander Wrabetz, wenn er meint: „2017 wird eine weitere Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den neuen Medienplattformen und den klassischen journalistischen Qualitätsmedien bringen. Diesem Wettbewerb sollten sich die nationalen Anbieter auch endlich gemeinsam stellen, statt sich gegenseitig weiterhin das Leben schwer zu machen – und so das Geschäft der Konkurrenz zu besorgen.”
Bei der privaten Konkurrenz, der Pro7 Sat1 Puls4-Gruppe, vertraut man vor allem auf die eigenen Kräfte und eigenproduzierte Formate, um sich weiter am Markt zu behaupten, wobei man die alte und die neue Medienwelt miteinander zu verknüpfen versucht: „Wir sehen den Trend, dass Gestaltungs- und Erzählformen aus der Online-Welt verstärkt auch von TV-Formaten aufgegriffen werden. Für diese Entwicklung sind wir durch unsere starken Digital-Aktivitäten bestens gerüstet, weil wir das interne Know-how aus beiden Welten in unseren Formaten verbinden können”, so Michael Stix.
Daneben nennt Stix Themen wie Video On Demand, Second Screen und Live-Streams des eigenen Programms, die auch 2017 Thema bleiben werden.
Auch die Bespielung und Distribution eigener Inhalte über HbbTV spielt laut Stix eine immer größere Rolle. Dies ermögliche auch neue interaktive Werbemöglichkeiten in Kombination mit dem linearen Signal – Stichwort Adressable TV bzw. Switch-In sowie lokale Aussteuerung.

Dauerbrenner Programmatic

Ein Thema, welches in den letzten zwei Jahren vor allem die Media-Agenturen beschäftigt hat, sieht auch Stix 2017 vor dem Durchbruch – Programmatic: „In Bezug auf die Spendings war Programmatic am Markt de facto kaum relevant. 2017 wird sich das jetzt definitiv ändern. In dem Zusammenhang wird dann auch das viel diskutierte Thema Targeting nochmals einen Schub in die richtige Richtung erhalten.”

Genau so sieht auch Joachim Feher, Geschäftsführer der größten heimischen Media-Agentur MediaCom, die Lage. Gefragt, wo er die Trends in 2017 sieht und womit sich die Branche kommendes Jahr beschäftigen wird, gab Feher zwei kurze Antworten: „Programmatic und Programmatic”.
Etwas anders sieht Moser Holding-Boss Hermann Petz die Lage: „Die generell abwartende Haltung in der österreichischen Medienszene gegenüber beispielsweise der gesamten Ad-Tec-Industrie und ihrer Logik kommt uns nun zugute: Die absolute Technikgläubigkeit in der Kommunikationsindustrie wurde von Ernüchterung getragen. Da unsere Branche sich weniger auf den automatisierten Verkauf eingelassen hat, ist der TKP in Österreich noch immer sehr hoch im Gegensatz zu vielen anderen Ländern. Die Frage müsste also lauten: Welchen Trends sollte man 2017 widerstehen?”
Mit dieser Einschätzung nicht ganz einverstanden dürfte Maximilian Dasch jr., Geschäftsführer der Salzburger Nachrichten, sein, denn er sieht sehr wohl das Thema Programmatic als Thema in 2017. Auf der eigenen Agenda sieht Dasch vor allem „die Entwicklung von digitalen Abonnement- und Verkaufsmodellen im Wechselspiel mit hochwertigen journalistischen Inhalten”.
Zurück zu den TV-Sendern. Hier eint den VÖP und ATV, auch wenn letzterer nicht mehr Mitglied im Verband ist, die Forderung nach „klaren Regulierungen für die Facebooks & YouTubes dieser Welt”. Vor allem die gesetzliche Ungleichbehandlung, und die sich daraus ergebenden Wettbewerbsnachteile für die europäischen Player müssten aufgehoben werden, meinen die VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm und der ATV-Chef ­Martin Gastinger.
IP-Boss Walter Zinggl sind weniger die YouTubes dieser Welt ein Dorn im Auge, aber sehr wohl die Darstellung von deren Leistung: Nach dem Motto „Eine Mio. Video-Views auf YouTube sind nicht eine Mio. Zuseher im TV” müsse man hier endlich zu einer vergleichbaren Darstellung der Werte kommen, denn, so Zinggl: „Eine Zahl, die nicht objektiviert nachvollzogen werden kann, ist wie aus dem Traumbuch.”

Und die Radios?

Die Auswirkungen der Digitalisierung der Medienbranche sind auch längst beim Radio angekommen: VÖP-Präsident und KroneHit-Geschäftsführer Ernst Swoboda erwartet zum einen Wachstumschancen für Privatradio infolge der veränderten Marktverhältnisse nach Korrektur des Radiotests – und zum anderen sieht er, eben aufgrund der neuen, technischen Möglichkeiten wie Targeting oder Programmatic Buying, auch Veränderungen auf die ­Radiowerbung zukommen.

Diese Schlagworte waren auch aus dem Statement von Florian Zelmanovics, Chef der MediaAgentur Maxus, herauszuhören, denn: „Die Kommunikations­industrie hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst viel zu typisieren und zu individualisieren, und auch Maxus wird hier im nächsten Jahr mit neuen Ansätzen auf den Markt kommen – bei Kreation und Media. Schwierig wird es für jene Medien und Agenturen, die gar keine Weiterentwicklung zeigen und die bestehende Kuh bis zum Ende melken wollen.”
Ein weiteres Thema für 2017 ist für Joachim Krügl, Geschäftsführer der Media-Agentur ­Media1, auch das Vorantreiben der Verschränkung neuer, digitaler Möglichkeiten im gesamten kommunikativen Medienmix: „Es gibt noch immer zu viele ‚nebeneinander' ablaufende Kampagnen, zu wenig integrierte. Unserer Meinung nach muss da bei der Marke und der Kommunikationsstrategie angesetzt und andere Lösungen erdacht werden.”
Apropos Verschränkung: Hier weist Mindshare-Chefin Friederike Müller-Wernhart auf den Umstand hin, dass man nicht versuchen sollte, eine gemeinsame Währung über alle drüberzustülpen: „Tatsächlich kann man die ‚alte' und die ‚neue' Welt nicht miteinander fusionieren. Marktforschung nimmt einem die Entscheidung nicht mehr ab. Die Fusionierung beider Welten geht nicht. Und während die ‚alte' Welt noch in der Masse sichtbar und erfolgreich funktioniert, ist die komplexe Abdeckung der ‚neuen' Welt notwendig, um auch in Zukunft als Marke relevant zu bleiben. Am besten sieht man das am digitalen Handel, dessen Werbeausgaben im TV massiv gestiegen sind. Denn nur diese Masse bewegt auch etwas.”

Zweite Standbeine gefragt

Digital ist ein Thema, mit dem sich selbstverständlich auch die größte Gratis-Tageszeitung ­Österreichs beschäftigt: „Wir versuchen, das zweite Standbein, Online, zu verstärken und auszubauen, weil es sich bekanntlich auf zwei Füßen besser steht als auf einem”, so Eva Dichand und Wolfgang Jansky unisono. „Wir wollen also unsere digitale Strategie weiter ausbauen und in Zukunft noch mehr Leser davon überzeugen, Heute.at als primäre Nachrichtenquelle zu nützen.”

Bei der Kronen Zeitung, ­Österreichs größter Kauf-Tageszeitung, betont deren Geschäftsführer Gerhard Riedler das Thema Bewegtbild-Content und dessen Nutzung über die unterschiedlichsten Plattformen: „Unser Ziel ist es daher, die redaktionellen Kernkompetenzen der Medienmarke ‚Krone' noch mehr in die digitale Welt zu transformieren, den Video-Content vor allem im Sport, Society- und Regional-Segment weiter auszubauen und unsere Leser über alle Endgeräte und Kanäle hinweg dort abzuholen, wo wir sie bestmöglich erreichen.”

Content & Communitys

Eigenproduzierter Content steht auch beim Österreichs größtem Radiosender Ö3 im Vordergrund – und zwar unabhängig vom Vertriebskanal: „Es mag uns ‚Medienfuzzis' auch anlässlich solcher interner Branchenvorschauen manchmal wenig sexy vorkommen”, so Senderchef Georg Spatt, „aber fragt man den Hörer- und auch den Werbemarkt, wird sehr schnell klar, was im Wettbewerb nachgefragt wird: Glaubwürdige Nachrichten, Moderatoren, denen man vertraut und die man mag, eine verlässliche Playlist und darüber hinaus Sendungen, Shows, Rubriken, Aktionen und Schwerpunkte, die deutlich ­machen, wie wichtig und wirkungsvoll es ist, eine der letzten, wenn nicht sogar die letzte große österreichische Community sein.”

Und um mit dieser Community noch enger in Kontakt treten zu können, will der Ö3-Chef auch künftig die digitalen Möglichkeiten, die sich bieten, nutzen – von Visual Radio über die App oder auch Social Media.
Das Thema Digital spielt ­nolens volens auch bei der Digitalagentur Mörth&Mörth eine Rolle, auch wenn die Betrachtung des Status quo durch Agenturchef Robert Mörth kritisch ausfällt: „Im gesamten deutschsprachigen Raum befinden wir uns in der Digitalisierung von Prozessen noch im ‚Mittelalter'. Unternehmen wie Facebook, Amazon & Co erzeugen aber auch in Europa ein großes Vakuum, das jedoch auch heimische Unternehmen ausgleichen könnten.”
Um zu verhindern, dass heimische Investitionen nach Übersee abwandern, „müssen sich vor allem auch im Marketing die Denkweisen verändern und Digitalisierungsprozesse vorantreiben und ihnen nicht einfach nur mehr folgen”.

Brave New World

Mariusz Jan Demner lässt nach einem kurzen Blick in die Glaskugel mit folgendem Statement aufhorchen: „Die Kunden werden immer spendabler, die Medien quellen vor Werbung über, die Kontingentierung von Werbezeit und -raum droht. Die Facebook-Server sind kollabiert, was eine Massendepression auslöst. Die Menschen lernen zu buchstabieren und tun so, als ob sie die Bücher, die sie nicht lesen können, verstehen. Die Werbung hilft das alles mit Drei-Wort-Sätzen zu überwinden, die sich jeder merken kann. Die Branche ist wie immer wunschlos unglücklich, aber wird nach Hungerjahren endlich wieder satt. Brave new world …”

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL