„Auch der Beitrag zur Meinungsbildung zählt”
© Martina Berger
MARKETING & MEDIA Redaktion 24.01.2025

„Auch der Beitrag zur Meinungsbildung zählt”

Martin Schipany im Interview: „Die Grundlage für unsere Mediaplanung ist die jährliche Mediendiskursstudie.”

••• Von Dinko Fejzuli/Elisabeth Schmoller-Schmidbauer

Ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Medienkooperations- und -förderungs-Transpa-renzgesetzes (kurz: MedKF-TG) zieht Martin Schipany, Leiter der Kommunikations-abteilung der Stadt Wien (MA 53), Bilanz zur Umsetzung der Novelle und verrät, was das Jahr 2025 in Sachen Kommunikationsmaßnahmen den Wienerinnen und Wienern bringen wird.

medianet: Seit 2024 ist die Novelle des Medientransparenzgesetzes in Kraft, die einige Änderungen mit sich brachte; unter anderem wurde der Umfang der Meldepflicht erweitert. Sie haben vorab vor allem den dadurch entstehenden Aufwand kritisiert. Wie ist es der Stadt Wien nun ergangen? Wie haben Sie den Aufwand bewältigt?
Martin Schipany: Es stimmt, ich habe Kritik geübt – allerdings lediglich an den hohen bürokratischen Hürden und nicht am Thema Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Generellen. Im Gegenteil: Wir hatten schon davor den Jahresbericht der Stadtkommunikation publiziert, der alle Werbeschaltungen beinhaltete, noch ehe die neue Novelle in Kraft getreten war. Wir sind also proaktiv sehr transparent mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit gegangen.

medianet:
In dieser Hinsicht kam auch Lob vom Rechnungshof …
Schipany: Ich glaube, das richtige Wort ist Würdigung – es wurde gewürdigt, dass wir hier so transparent gearbeitet haben. Das freut uns natürlich, weil wir Transparenz und Nachvollziehbarkeit von uns aus bereits vorangetrieben haben. Kritisiert hatte ich die bürokratischen Hürden der Novelle und die sind ja noch immer gegeben. Wir waren da aber im engen Austausch mit der RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, Anm. Red.), was die Umsetzung anbelangt; damit wurden einige Schritte erleichtert. Erfreulicherweise gab es zudem zwei Entwicklungen, die damit einhergegangen sind: Auf der einen Seite wurden wir geringfügig im Personal aufgestockt, um diese Mehraufwände abbilden zu können. Das hilft uns natürlich.

medianet:
Gab es weitere Veränderungen?
Schipany: Wir haben auf der anderen Seite mit 1. Jänner 2024 sämtliche entgeltliche Werbeleistungen der Stadt bei uns zentralisiert. Das hat es uns erleichtert, diesen Meldeverpflichtungen nachzukommen, weil alle Ausgaben der Magistratsabteilungen gleich meldekonform von uns aufbereitet werden konnten. Das heißt: Ich halte Transparenz und Nachvollziehbarkeit für gut und wichtig, im Detail hätte man das Gesetz weniger bürokratisch formulieren können. Aber die Verwaltung vollzieht Gesetze, und so haben wir uns natürlich auch darauf eingestellt.

medianet:
Um wie viele Meldungen es geht da genau?
Schipany: Es sind etwas über 1.200 Einzelmeldungen, die wir allein im ersten Halbjahr 2024 vorgenommen haben, die ihrerseits noch einmal mit Sujets und Mediengattungen korrekt verknüpft werden müssen. Der Aufwand ist ein erheblicher. Aber mit Unterstützung und in Absprache mit der RTR haben wir einen Modus gefunden, der sehr gut für uns umsetzbar ist

medianet:
Apropos Rechnungshofbericht – dieser kritisiert in seinem Bericht die Medienarbeit der Stadt Wien allerdings auch. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Schipany: Der Rechnungshof hat einen Zeitraum bis 2021 geprüft und dazu ist anzumerken, dass wir die Empfehlungen zu großen Teilen entweder bereits umgesetzt haben oder diese berücksichtigen werden. Auf der einen Seite war es erfreulich, dass einige Aspekte gewürdigt wurden. Auf der anderen Seite gab es Empfehlungen mit sehr technischen Punkten wie zum Beispiel bei Vergabevermerken oder teilweise fehlenden Vergleichsangeboten …

medianet:
Die Kritik betraf immerhin 37 Prozent der geprüften Vergaben …
Schipany: Das muss man sich allerdings im Detail anschauen, weil überwiegend Schaltaufträge in Medien betroffen waren. Hier Vergleichsangebote einzuholen, ist immer schwierig, da der ‚Mitbewerb' nie eins zu eins dieselbe Zielgruppe abbilden kann. Das konnten wir auch mittels eines Gutachtens gut darlegen, das wir uns schon im Zusammenhang mit dem Bundesvergabegesetz 2018 eingeholt haben. Vereinzelt gab es Auffassungsunterschiede, insgesamt muss ich allerdings sagen, dass wir dort, wo wir es nachvollziehen können, die Empfehlungen des Rechnungshofs aufgreifen.

medianet:
Wie haben sich die Ausgaben denn überhaupt entwickelt – mittlerweile müssen auch Werbeausgaben unter 5.000 Euro gemeldet werden und Ausgaben für nichtperiodische Medien. Gab es da eine große Diskrepanz zu den Spendings vor der Novelle?
Schipany: Der Stadtrechnungshof hat bereits zwischen 2016 bis 2021 die Differenz zwischen gemeldeten Ausgaben und tatsächlich getätigten Ausgaben berechnet – das Ergebnis hat geschwankt. Aber in den Jahren 2021 und 2019 waren es unter zehn Prozent, also kein hoher Prozentsatz, insbesondere in Relation zu dem, was immer in der politischen Debatte vermutet worden ist. Die jetzige Meldung im ersten Halbjahr 2024 ist eine höhere Meldung, aber das betrifft alle Rechtsträger, weil jetzt natürlich noch Summen dazukommen, wie Sponsorings und Außenwerbung, die davor noch nicht gemeldet werden mussten.

medianet:
Können Sie für 2024 schon eine Summe nennen?
Schipany: Insgesamt kann ich das noch nicht nennen, weil wir noch einige Restaktivitäten offen haben (zum Zeitpunkt des Interviews, Anm. Red.).

medianet:
Wird es mehr?
Schipany: Die Frage ist immer die Bezugsgröße. Ich kann mich schwerlich auf die RTR-Meldung des letzten Jahres beziehen, weil die eine andere Grundgesamtheit hatte. Es muss natürlich mehr sein als letztes Jahr in der RTR-Darstellung, weil ich eine andere Grundgesamtheit habe – das bedeutet aber nicht, dass die Ausgaben insgesamt gestiegen sind. Wir sind gerade dabei, den Jahresbericht für dieses Jahr fertigzustellen. Da wird man dann mehr sagen können. Es würde mich aber wundern, wenn es nach den alten Meldevorgaben nach oben gegangen wäre. Insgesamt sind die Ausgaben in unserem Rahmenkommunikationsplan jedenfalls zurückgegangen.

medianet:
Wo wurde denn gespart?
Schipany: Überall gewissermaßen, obwohl die Herausforderungen und Anspruchshaltungen größer geworden sind – denen wollen wir gerecht werden und gleichzeitig den Mediennutzungstrends entsprechend folgen.

medianet:
Ein Kritikpunkt des Rechnungshof ist auch die Verteilung der Werbung, die zu 60 Prozent in Fremdmedien und nur 40 Prozent in Eigenmedien gehen – was sagen Sie dazu?
Schipany: Wie so oft in der Kommunikation geht es um eine sich ergänzende Zusammensetzung der Kommunikationskanäle. Zum einen wollen wir bestimmte Zielgruppen mit unseren Eigenmedien ergänzend erreichen. Auf der anderen Seite ist aber auch wichtig, im Sinne der Breitenwirksamkeit oder auch für bestimmte Zielgruppen in bestimmten Mediengattungen Kontaktpunkte zu haben. Also für uns ist es kein ‚Entweder oder', sondern eher ein ‚Sowohl als auch'.

medianet:
Gerade die jüngere Generation nutzt eher digitale Medien und Social Media – welche Rolle spielen diese Medien für die Kommunikation der Stadt Wien?
Schipany: Die Grundlage für unsere Mediaplanung ist die jährliche Mediendiskursstudie. Wir haben dieses Jahr in die Studie einen Meinungsbildungsfaktor neu mit hineingenommen. Das heißt, es zählt nicht nur die Nutzung, sondern es zählt auch der Beitrag zur Meinungsbildung. Und die diesjährige Mediendiskursstudie hat nun ergeben, dass einige Soziale Netzwerke deutlich mehr der Unterhaltung dienlich sind als für die tatsächliche Meinungsbildung. Für uns ist allerdings primär der Faktor der Zielgruppenerreichung wichtig und da kommen wir weder an der Onlinekommunikation noch an den Sozialen Medien vorbei.

medianet:
Wie entscheidet sich dann, wie viel Ausgaben wohin fließen?
Schipany: Wie sich die Spendings verteilen, wird bei uns einfach durchkalkuliert. Grundsätzlich haben wir mit der digitalen Kommunikation, mit Influencer-Kommunikation, mit programmatischer Kommunikation sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht, insbesondere was thematisch-inhaltliche Kampagnen betrifft. Wir haben auch vor der letzten Nationalratswahl gemeinsam mit einer Reihe von Influencern ein sehr gutes Kooperationsvideo gelauncht. Unter anderem mit dem Social Media-Star ‚Satansbratan' und noch einigen anderen mit entsprechender Reichweite, weil wir natürlich versuchen, alle Zielgruppen zu erreichen.

medianet:
Wien hat einen relativ hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, darunter auch Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen. Inwieweit ist das für Sie ein Aspekt, dass Sie auch diese Menschen erreichen?
Schipany: Wir wollen alle Menschen, die in dieser Stadt leben, mit bestimmten Themen erreichen. Natürlich sind nicht immer alle Themen gleichsam relevant für alle. Wir haben das Thema Migrationshintergrund auch in der Mediendiskursstudie abgefragt, sodass wir es auch in die entsprechende Planung und Kalkulation mit einbeziehen können. Und wir sind immer in enger Abstimmung mit der MA 17 (Abteilung Integration und Diversität, Anm. Red.) und deren Initiative ‚Start Wien'.

Mit dieser Initiative versuchen wir, bestimmte Zielgruppen auch abseits der klassischen Medien zu erreichen. Nicht zuletzt haben wir außerdem bei uns in der Dienststelle den Übersetzungsdienst angesiedelt, der Informationen vielsprachig aufbereiten kann.

medianet: Wie geht die Stadt Wien mit dem Thema Fake News um?
Schipany: Wir versuchen derzeit innerhalb des Magistrats Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen, indem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu fortbilden können, aber auch die Führungskräfte. Außerdem wird Fake News in diesem Jahr auch ein Kampagnenthema im Rahmen der europäischen Demokratiehauptstadt sein, wo nicht zuletzt Teilhabe an der Gesellschaft, Teilnahme an Wahlen sowie Desinformation und Fake News Themen sein werden.

medianet: Was ist für 2025 im Zuge der europäischen Demokratiehauptstadt noch geplant?
Schipany: Es wird eine Vielzahl an Veranstaltungen geben, bei denen die Bedeutung und Wichtigkeit der Demokratie unterstrichen wird. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als europäische Demokratiehauptstadt ausgewählt worden sind und werden das auch kommunikativ entsprechend einrahmen und an die einzelnen Zielgruppen bringen.

medianet: Welche Themen werden 2025 außerdem wichtig sein in der Stadt-Kommunikation?
Schipany: Vor allen Dingen werden wir wieder versuchen, die Wienerinnen und Wiener über die vorgezogene Wien Wahl am 27. April zu informieren und zur Teilnahme zu motivieren. Auch das entsprechende Medienzentrum gilt es vorzubereiten und zu organisieren. Abseits davon werden auch die Themen Klima, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Pflegeeltern und Zusammenhalt weiterhin wichtig sein. Auch das Thema ‚Stadt Wien als Arbeitgeberin' wird bedeutsam bleiben, denn wir sind immer auf der Suche nach den besten Köpfen, um sie für die Arbeit bei der Stadt Wien und an der Stadt Wien zu gewinnen.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL