••• Von Dinko Fejzuli
Die internationale Kommunikationsagentur Grayling zeigt in ihrem aktuellen Trend-Report fünf Schlüsseltrends auf, mit denen Unternehmen und Organisationen 2023 bei ihrem Zielpublikum erfolgreich punkten können.
medianet bat dazu Grayling-CEO Sigrid Krupica und Managing Director Nicole Hall zum Talk.
medianet: Frau Krupica, Frau Hall, in Ihrem neuen Grayling-Report ist unter anderem die Rede davon, dass sowohl die Zielgruppen als auch die Medienkanäle immer fragmentierter und granulierter werden. Dadurch werde das Targeting auch immer schwieriger. Und wie Laura Thomas, Head of Strategy Grayling International, meint, würden hier noch größere Media-Budgets das Problem nicht lösen. Wie begegnet man dann dieser Entwicklung?
Sigrid Krupica: Die großen Suchmaschinen und Social Media-Plattformen spielen an Userinnen und Usern immer stärker personalisierte Inhalte aus. Das bedeutet, wir bekommen in der Online-Welt vor allem jene Inhalte angezeigt, von denen der Algorithmus der jeweiligen Plattform annimmt, dass sie unseren persönlichen Interessen entsprechen. Das Medienbudget einer Kampagne kann also noch zu hoch sein und trotzdem die angestrebte Zielgruppe möglicherweise nie erreichen. Ein Unternehmen kann beispielsweise einen redaktionellen Beitrag auf der Titelseite der Financial Times landen und parallel ein Banner oder Ähnliches auf der Website der FT kaufen und trotzdem ihre Zielgruppe verfehlen, da der Algorithmus den Artikel oder die Werbung für den ‚Feed' der Zielgruppe nicht auswählt. Traditionelle Kampagnen, die auf Reichweite abzielen, sind daher nicht mehr effektiv – vor allem nicht in der PR. Eine Platzierung auf der Startseite einer Medienplattform ist nicht gleichbedeutend mit einer hohen Reichweite. Wenn Unternehmen, sagen wir, Mütter erreichen möchten, sollten sie demnach weniger darüber nachdenken, an welche Medien sie ihre Presseaussendung schicken, beziehungsweise wo sie ein Banner oder eine Anzeige buchen. Stattdessen wäre es besser, Inhalte zu entwickeln, die für den Feed der Zielgruppe Mütter ausgewählt werden.
medianet: Bleiben wir bei der Fragmentierung: Neue Trends verleiten dazu, jede neuen Entwicklung, die aber bald wieder verschwunden sein kann, nachzulaufen. Wo zieht man hier die Grenze?
Krupica: Die Positionierung der eigenen Marke und die übergeordnete Kommunikationsstrategie des Unternehmens oder der Organisation sollten als Richtschnüre bei der Bewertung neuer Trends gelten. Eine genaue Kenntnis der eigenen Zielgruppen gehört ebenfalls dazu. Das erfordert mitunter komplexe Datenanalysen, für die es eigene Kompetenzen braucht. Grayling hat für diesen Zweck im Hauptquartier im London ein eigenes Expertinnen- und Experten-Team etabliert, das alle Standorte – Österreich inklusive – mit der Auswertung und Aufbereitung von Daten aus unterschiedlichen Tools unterstützt. Eine weitere, vielleicht banale Komponente sind auch die eigenen Ressourcen. Wer Trends für sich in der Kommunikation nutzen möchte, muss das gut und richtig tun – das erfordert Know-how, Zeit und demnach natürlich auch Budget. Und Budgets sind bekanntlich immer limitiert und müssen daher mit klaren Prioritäten eingesetzt werden.
medianet: Gerade die Pandemie hat hier viele neue Dinge angestoßen oder notwendig gemacht, dadurch aber auch die Arbeitswelt durcheinandergebracht. Mit dem Blick in die Unternehmen selbst und die Auswirkung auf die eigenen Mitarbeiter: Welche Rolle kommt hier der internen Kommunikation zu?
Nicole Hall: Das regelmäßige Arbeiten im Homeoffice hat sich in den meisten Bürojobs seit der Pandemie durchgesetzt. Aber auch in Bereichen, wo solche Lösungen nicht möglich sind, beispielsweise im Gesundheitssektor, erleben wir eine klare Tendenz zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die dadurch mögliche geografische und räumliche Distanz bringt den Mitarbeitern natürlich viele Vorteile, hat aber auch ihre Tücken. So verliert der sogenannte Flurfunk deutlich an Bedeutung. Und regelmäßige Newsletter, Postings im Intranet oder monatliche Team-Meetings liefern nicht die nötige Aktualität. Zudem haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels immer höhere Erwartungen an die Qualität, Tonalität und Frequenz der internen Updates. Wer Talente an sich binden möchte und die Fluktuation im Unternehmen möglichst in Grenzen halten möchte, sollte also weit mehr als bisher üblich in interne Kommunikation investieren.
medianet: Aktuell wird das Thema KI immer virulenter, es eröffnen sich viele neue Möglichkeiten, aber es zeigen sich auch schon die ersten Gefahren, die mit KI-gestützten Lösungen auftreten können. Worauf muss man hier als Unternehmen achten und die eigenen Mitarbeiter für den richtigen Umgang und mit KI schulen und vorbereiten?
Hall: Schulungen sind hier das Zauberwort. Wir müssen alle lernen mit den neuen Anwendungen sicher und effektiv umzugehen. Das beginnt damit, sogenannte Prompts – oder Eingabebefehle – zielführend zu formulieren und das Bewusstsein für Faktenchecks anhand zusätzlicher Quellen zu schärfen. Mitarbeitern sollte auch bewusst sein, dass die von der KI gelieferten Ergebnisse einer bestimmten (politischen) Agenda entsprechen, auf gängigen Marketingbotschaften oder auf weitverbreiteten Vorurteilen und falschen Annahmen beruhen können. Und dann gibt es das noch das völlig ungeklärte Thema Urheberrecht. Hier ist zunächst die Politik gefragt. Sie muss gesetzliche Rahmenbedingungen entwickeln, die dann in einem nächsten Schritt von Unternehmen übernommen werden müssen. Bis es so weit ist, muss man beispielsweise bei der externen Verwendung von durch KI erstelltes Bildmaterial große Vorsicht walten lassen.
medianet: Mittlerweile in vielen Bereichen etabliert hat sich das Thema Nachhaltigkeit, mit ihm aber auch negative Phänomene wie Green-Washing oder auch Purpose-Washing. Wie begegnet man dieser negativen Erscheinung bzw. wie vermeidet man es als Unternehmen?
Hall: Alibiaktionen haben endgültig ausgedient. Heute hat fast jedes Medium ein eigenes Journalisten-Team, das sich auf das Thema Klimaschutz spezialisiert hat, und auch die Konsumenten werden immer kritischer. Unternehmen müssen also ihr Tun breit durchleuchten, anhand von CSR-Kriterien bewerten und gegebenenfalls anpassen.
Das ist selbstverständlich keine leichte Aufgabe – vor allem nicht im Bereich Lieferketten, die sich oft kaum rückverfolgen lassen. Eine möglichst detaillierte Messung der eigenen CO2-Emissionen – also den eigenen ökologischen Fußabdruck nachvollziehbar zu machen –, ist ebenfalls ratsam. Der Purpose eines Unternehmens ist aber nicht zwingend nur mit Nachhaltigkeit in Verbindung zu setzen. Der Purpose oder Zweck eines Unternehmens kann es auch sein, z.B. ‚Freude am Sport' zu bereiten. In dem Fall muss das auch an allen Kontaktpunkten, die Konsumenten, Mitarbeiter oder eben Medien mit dem Unternehmen haben, erlebbar sein.