Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
NOTBREMSE. Es handle sich weniger um generelle Nachrichtenverdrossenheit als um eine gezielte Abkehr von bestimmten Inhalten, analysierte Thomas Schwabl von Marketagent Anfang des Jahres eine Umfrage zum Thema Nachrichtenverweigerung. Unter den Top-„Lese-ich-nicht-mehr”-Themen: Corona und Krieg. „Bad News war nie Good News, wenn man es zumindest aus einer mittelfristigen Perspektive betrachtet”, merkte kürzlich Josef Seethaler an. Er forscht an der Akademie der Wissenschaften zum Thema Nachrichtenvermeidung. Im Fall dramatischer Ereignisse sei der Wunsch, sich darüber zu informieren, in breiten Teilen der Bevölkerung unmittelbar groß. Aber das halte nicht an. Mittelfristig hätten zu viele negative Nachrichten einen negativen Einfluss auf das Grundvertrauen.
Menschen assoziierten Nachrichtenvermeidung häufig mit „geringem politischem Wissen und geringer politischer Beteiligung”, heißt es zum selben Betreff in einer im März publizierten Studie der Uni Wien. Faktisch betrachtet, sei es jedoch nicht so einfach. Die Motive der News Avoiders sind sehr unterschiedlich. Eine Gruppe stach hervor: Sie zeichnet sich durch eine „durchschnittliche bis hohe Nachrichtennutzung trotz hoher absichtlicher Nachrichtenvermeidung” aus. Klingt kompliziert, ist es auch. Sie wollen und tun, können aber manchmal nicht mehr. Als Konsequenz klagen sie oft über körperliche Reaktionen auf den Newskonsum. Einschlafprobleme etwa.
Ähnlich – und dennoch ein Stück weit anders – stellen sich die Dinge dar, wenn die Produzenten selbst beginnen, ihrem Metier auszuweichen. Journalistinnen und Journalisten sind per se und quasi per definitionem News-Junkies. Wenn diese Berufsgruppe aus psychohygienischen Gründen zunehmend Gefallen an News Detox findet, ist das ein schlechtes Zeichen. Dennoch ist es seit einiger Zeit wiederkehrendes Gesprächsthema unter Kollegen. „Sind sie zu stark, bist du zu schwach”, um einen bekannten Werbe-Claim zu zitieren. Oder frisst die digitale Medien-Revolution ihre Kinder?