Das Klima zwischen „Sigi” und „Gust”
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MARKETING & MEDIA Redaktion 31.01.2020

Das Klima zwischen „Sigi” und „Gust”

Kommunikationsberaterin Silvia Grünberger in einer ersten Analyse über den Zustand der neuen türkis-grünen Bundesregierung.

Gastkommentar ••• Von Silvia Grünberger

WIEN. 2019 war mit Ibiza und den Folgen sicher ein skandalös-unterhaltsames Jahr, eine Mischung aus ‚House of Cards' und ‚Vorstadtweiber'. 2020 hingegen wird sehr spannend für Politikbeobachter. Österreichs Parteien sind in Bewegung wie lange nicht mehr.

Wie reagieren eigene Wähler?

Die türkis-grüne Bundesregierung ist gut gestartet. Das gemeinsame Regierungsprogramm ist sehr umfangreich, und beide Regierungspartner haben sich darauf verständigt, dass sich jeder in den jeweiligen Kernthemen profilieren kann.

Der Satz ‚Grenzen und Klima schützen' bringt das Prinzip auf den Punkt. Die dazu notwendige Disziplin wird bisher von beiden Partnern eingehalten. Besonders die Grünen stehen zu Punkten wie der geplanten Sicherungshaft und zu einem beschränkten Mandat des ‚Ibiza-U-Ausschusses' im Nationalrat. Nach den ersten Eindrücken im Jänner ergeben sich zwei Fragen: Wie werden die Anhänger der grünen Aufdecker- und Bürgerrechtspartei auf die Koalitionsdisziplin reagieren? Und wird die ÖVP beim Thema Umwelt alle Vorstellungen mittragen können, v. a. wenn sich diese mit den Interessen der Wirtschaft spießen? Immerhin sagen die Klubobleute ‚Sigi' und ‚Gust' (Sigrid Maurer und August Wöginger, Anm.) zueinander. Hier entsteht die nächste starke Achse der Regierungspartner. Gut für die Stabilität der Regierung wäre es; auf zwei Beinen steht man besser als auf einem.

Für die SPÖ stimmt die Richtung, sie hat auf die richtigen Themen gesetzt und auch auf den richtigen Kandidaten, zumindest im Burgenland. Hans Peter Doskozil hat mit klaren Positionen und klarer Sprache bei der ersten Landtagswahl im Jahr 2020 die absolute Mehrheit errungen und bewiesen, dass die SPÖ noch gewinnen kann. Was bedeutet Doskozils Triumph im Burgenland für die Bundesspitze? Schließlich war der Landeshauptmann in Eisenstadt stets ein Kritiker der Bundespartei und auch stilistisch ist er ein Gegenentwurf zu mancher Führungskraft in der Löwelstraße. Und nicht minder spannend: Kann der nächste rote Wahlkämpfer, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Doskozils Strategie auf die Bundeshauptstadt übertragen und ungefähr ein Drittel der FPÖ-Wähler der vorangegangenen Wahl für die SPÖ gewinnen?
Die Wähler der FPÖ werden bei der Wien-Wahl sicher intensiv umworben. Heinz-Christian Strache und Nobert Hofer, das ehemalige blaue Dream-Team, schieben sich öffentlich gegenseitig die Verantwortung für Niederlagen zu. Die finanziellen Folgen der Ära Strache sind für die Partei noch nicht absehbar. Und mit der DAÖ gründet sich potenzielle Konkurrenz im eigenen Lager. Die Freiheitlichen taumeln, und es gilt abzuwarten, wie groß der Anteil der ganz treuen Wähler bleiben wird.

Quo vadis SPÖ, Neos & FPÖ?

Schließlich haben sich die Neos nun endgültig im österreichischen Parteiensystem etabliert. Der wirtschaftsfreundliche Kurs der Bundesregierung wird ihnen aber wenig Raum zur Profilierung geben. Andererseits könnten die Neos die Grünen bei Themen wie Bürgerrechte und Transparenz attackieren. Im Gegensatz zu den Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ wirkt die Partei jedenfalls geschlossen sowie aufgrund der jungen Parteigeschichte agil und schnell.

Silvia Grünberger ist Managing Partner von Rosam.Grünberger | Change Communications und berät ihre Kunden bei der strategischen Positionierung in Wirtschaft, Politik und Medien. Zuvor war sie 13 Jahre in der Spitzenpolitik tätig. Von 2002 bis 2013 gehörte sie als Abgeordnete zum Nationalrat dem österreichischen Parlament an.

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