Der Coup des Rats der Rechtschreiber
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 30.06.2017

Der Coup des Rats der Rechtschreiber

Was ein wenig wie Freimaurerei der i-Tüpferl-Reiter klingt, ist ernst zu nehmen. Anbei die News.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

SCHARF. Hätten Sie’s gewusst? Seit 2004 ist der Rat für deutsche Rechtschreibung die maßgebliche Instanz in Fragen der Orthografie. Er hat Mitglieder aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, der Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und ist jenes Gremium, das uns zuletzt Dinge wie Spagetti mit Ketschup beschert hat – und viele weitere kreative Regeln der Rechtschreibung, die selbst die Sattelfestesten unter den Berufsschreibern zeitweilig – teils für immer – aus der Bahn geworfen haben. Kurz: das „Amtliche Regelwerk der deutschen Sprache” wurde am gestrigen Donnerstag wieder einmal aktualisiert. Die bahnbrechendste Neuerung: Die deutsche Sprache hat jetzt auch ein ­großes Eszett. Ich würde es an dieser Stelle gern vorstellen. Geht aber nicht, gibt’s einstweilen noch nicht. Bevor allerdings Panik ausbricht: Das Versal-Doppel-S darf auch weiterhin statt­dessen verwendet werden.

Alles andere ist weniger spektakulär. Offizielle Variantenschreibungen wie Anschovis, Frotté, Komplice, Majonäse, Wandalismus, Grislibär oder Varietee, die zum Teil schon seit Jahren in den Wörterbüchern stehen, hatten sich ob ihrer abgrundtiefen Hässlichkeit ohnehin nie ans Licht der Öffentlichkeit gekämpft. Jetzt ist die amtliche Schreibweise wieder der Praxis angepasst.
Themenwechsel zu ähnlich Klingendem: Der Produzent von Mo könnte jetzt Malm vom deutschen Markt verdrängen. Malm ist ein Klassiker im Ikea-Betten-Sortiment. Der Entwurf jedoch könnte von einem Frankfurter Designer stammen – und der will durchsetzen, dass Ikea das Bett in Deutschland aus dem Programm nimmt. Mit „Malm” hat er kein Problem. Aber ­aussehen darf es halt nicht wie sein „Mo”. Das Urteil stand zu Redaktionsschluss noch aus. Man sollte vielleicht jetzt kurzfristig drüber nachdenken, ob man nicht probeweise das Versal-ß noch am Patentamt einreichen könnte. Bevor das Ding seinen weltweiten Siegeszug beginnt und jemand anders damit reich und berühmt wird.

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