Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
BRANDING. Ein US-Psychologe hat „Languishing” als das defizitäre Lebensgefühl beschrieben, das die Pandemie dominierte. Man habe sich entnervt gefühlt, geschwächt, sumperte dahin. Durchgesetzt hat sich dieser Ausdruck nicht. Entlud sich das Dahinsumpern doch binnen kurzer Zeit in Zorn, Trotz und Telegram. Seitdem ist es die „Spaltung der Gesellschaft”, die uns umtreibt, das mangelnde Vertrauen in Institutionen, die eigentlich Halt und Sicherheit spenden sollten. Und das auch tun. Demokratie, Sozialstaat, relative materielle Sicherheit, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle sind vernachlässigbare Selbstverständlichkeiten geworden. Der individuelle Schicksalsschlag, der einen aus halbwegs ruhigen Bahnen werfen kann, tritt in den Hintergrund des generellen Leidens an der Gegenwart. Wer allem misstraut, der wendet sich vom Faktischen ab. Wissenschaft, Politik, jegliche Autorität wird infrage gestellt – nicht mit kritischem Geist, sondern geistlos.
Auf Seite 14 dieser Ausgabe berichtet medianet über die aktuelle Markenartikelkampagne. Wichtig seien – es geht um die Marke – nicht nur nackte Zahlen, sondern emotionale Fakten, lässt sich Werner Beutelmeyer vom Market Institut zitieren. Tatsächlich rangieren, gefragt nach dem Vertrauen in diverse Institutionen und alltägliche Bereiche, Markenprodukte vor der EU, dem Bundeskanzler und der Kirche. Das ist ein durchaus lobenswerter Erfolg für die Markenverantwortlichen. Andererseits bestätigt der Vorrang der Emotion einen Trend.
Spannend wird in diesem Kontext der diesjährige Wahlreigen, insbesondere für die (meisten) Parteistrategen. Während die einen auf der destruktiven Empörungswelle surfen, müssen sich alle anderen die Frage stellen, wie man einerseits die Unbelehrbaren einfängt, ohne auf der anderen Seite jene zu verschrecken, die noch auf halbwegs rationale Argumente hoffen.
Achten Sie auf die Marke, möchte man vorschlagen. Kein erfolgreiches Konsumprodukt baut auf einen Markenkern mit den Attributen aggressiv, subversiv und bösartig auf.