Wien. Der ORF-Stiftungsrat verzichtet ein Jahr vor der Bestellung einer neuen ORF-Geschäftsführung auf mehr Transparenz und will am umstrittenen Redeverbot für Stiftungsräte festhalten. Dieses sieht vor, dass Mitglieder des obersten ORF-Gremiums während der Stiftungsratssitzungen nicht mit Journalisten kommunizieren dürfen.
Die Frage des Umgangs mit der Öffentlichkeit wurde vor dem Sommer virulent. Der Grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher monierte damals, dass Stiftungsräte Journalisten vor dem Sitzungssaal immer wieder mit Informationen und Einschätzungen zur Sitzung des Gremiums versorgt hätten, solange diese noch lief. Namentlich wurden etwa ÖVP-Stiftungsrat Thomas Zach oder auch ORF-Betriebsrat Gerhard Moser genannt. Das Geschäftsordnungsthema wurde schließlich der Corporate Governance-Arbeitsgruppe des Gremiums zugewiesen.
Zwischenzeitlich wurde dort von Stiftungsräten eine Streichung des "Maulkorb"-Erlasses angeregt. Dazu dürfte es nun aber doch nicht kommen. Die Corporate Governance-Arbeitsgruppe wird dem Stiftungsrat morgen, Donnerstag, einen Vorschlag präsentieren, wonach das Redeverbot aufrechterhalten bleiben soll. Einzelne Stiftungsräte interpretieren die Bestärkung des umstrittenen Kommunikationspassus als Verschärfung der Bestimmungen.
Franz Küberl, unabhängiger Stiftungsrat und Vorsitzender der Corporate Governance-Arbeitsgruppe, weist diese Sichtweise zurück. "Das ist keine Verschärfung. Die Regelung soll so bleiben, wie sie ist", erklärte Küberl auf APA-Anfrage. Im Grunde handle es sich um einen "moralischen Passus". Für den Grünen Stiftungsrat Embacher, der die Diskussion ins Rollen brachte, ist die Beibehaltung der bisherigen Regelung "okay, wenn sie auch gelebt wird".
Dass sich vor allem die SPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat für ein Beibehalten des Redeverbots bzw. für eine Verschärfung stark gemacht haben sollen, weist man dort zurück. "Das stimmt nicht. Es gibt keine Verschärfung. Die derzeitige Lösung soll prolongiert werden", meinte SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Erich Fenninger.
ÖVP-"Freundeskreis"-Leiter Zach hält unterdessen nichts von einer Verschärfung der Bestimmungen. "Da bin ich auch als Demokrat dagegen." Vertraulichkeit gelte für ORF-Stiftungsräte laut Aktienrecht ohnehin immer, und selbstverständlich dürften keine Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden. Zugleich genieße der ORF als Stiftung und öffentlich-rechtliches Unternehmen besondere Aufmerksamkeit, weshalb auch eine gewisse Transparenz notwendig sei. "Vertraulichkeit, Transparenz, freie Meinungsäußerung - diese Trias gilt es unter einen Hut zu bringen."
Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser spricht von einer "hatscherten Lösung", weil es ohnehin keine Sanktionen gebe und die Regelung in der Praxis auch "nicht umsetzbar" sei. Moser stellt die Frage in den Raum, ob man "den Punkt nicht generell streichen sollte". Der Belegschaftsvertreter will aber auch eine Diskussion über das Kommunikationsverhalten der Geschäftsführung. Moser wirft der ORF-Spitze vor, dass diese immer wieder Quartalsberichtsdetails der Öffentlichkeit zuspiele, bevor diese im Stiftungsrat diskutiert würden. (APA)