••• Von Christian Novacek
Abgesehen vom LEH wurde der Handel in 2020 ziemlich durchgeprügelt: Aktuell gibt es bereits den dritten harten Corona-Lockdown, bei dem bis auf die Grundversorger Österreich quasi geschlossen hat. Laut Berechnungen der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) sorgen die drei Schließwellen bei den Non-Food-Händlern für einen Umsatzentgang in der Höhe von satten 8,5 Mrd. €; kommt (die durchaus mögliche) Verlängerung des dritten Lockdowns auf Ende Jänner, würden sich die Umsatzverluste gar auf 9,1 Mrd. € erhöhen, also ein zusätzlicher Umsatzentgang um rd. 600 Mio. € (brutto).
Versorgungslücken drohen
„Tatsächlich zeigen die Zahlen nur den unmittelbaren Schaden für den Non-Food-Einzelhandel - und die mittelfristigen sowie langfristigen Folgen bleiben vielen verdeckt. Für die nächsten Jahre ist zu befürchten, dass der Aderlass im stationären Einzelhandel durch den vermehrten Austritt von Unternehmen aus dem Markt die Einzelhandelsstruktur Österreichs nachhaltig verändern wird und Österreich insbesondere im ruralen Raum nicht nur im Bereich der kleinen Lebensmittelgeschäfte Nahversorgungslücken drohen”, malen Christoph Teller und Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing ein entsprechend düsteres Zukunftsbild. Der Niedergang der Einkaufsstraße werde sich vor allem in den weniger frequentierten B- und C-Lagen beschleunigt fortsetzen.
Christkind kritisch betrachtet
Was die Frequenzrückgänge im Lockdown betrifft, hat Standort + Markt in Kooperation mit dem Telekommunikationsunternehmen Hutchison Drei Austria das letzte Weihnachtsgeschäft an vier Shopping-Destinationen genau unter die Lupe genommen. Ausgewertet wurden in Wien die innere Mariahilfer Straße sowie die Kärntner Straße auf der Höhe Steffl, weiters die Innenstädte von Villach und Krems.
Im harten Lockdown (KW 47 bis 49 2020) war es für alle vier Einkaufsziele schwierig: Die Frequenz ging gegenüber dem Vorjahr um zumindest 50% (!) zurück. Einen Absturz verzeichnete dabei die Kärntner Straße, wo es in den Kalenderwochen 47 bis 49 ein durchschnittliches Frequenzminus von 81,3% gegenüber dem Vorjahr gab; die Kalenderwoche 48 flankiert dabei mit –84,1% den höchsten Frequenzrückgang im Vergleich zum Vorjahr.
Aber auch die Mariahilfer Straße hat den harten Lockdown massiv zu spüren bekommen: Mit einem Rückgang von durchschnittlich 66,6% in den Kalenderwochen 47 bis 49 lagen die Rückgänge höher als in den Innenstädten von Villach und Krems. „Hier liegt der Schluss nahe, dass City-Bereiche, deren Frequenz primär aus der Shopping-und Tourismus-Funktion resultiert, stärker vom harten Lockdown betroffen sind als die Citybereiche kleinerer Städte, die neben der Shopping-Frequenz auch von ergänzenden Frequenzen profitieren”, sagt dazu Hannes Lindner von Standort + Markt. Er führt aus: „Darüber hinaus hat unser vorangegangener Research im April 2020 gezeigt, dass ein harter Lockdown durch die Bewegungseinschränkung der Konsumenten das Einzugsgebiet massiv verkleinert.”
Das sei nun speziell bei Einkaufszielen mit bekanntermaßen großer Ausstrahlung und Reichweite besonders kritisch zu sehen. Hingegen profitieren Cities in kleineren Städten, wie eben Villach und Krems; die gute Funktionsdurchmischung im City-Kern lässt die Frequenz weniger stark bröckeln.
Onlinehandel dominiert
Der Gewinner der Misere ist, wie schon mehrfach festgehalten, der Onlinehandel. Laut dem aktuellen Vergleich von Marketagent haben bei einem Sample von 1.000 online Befragten 25,8% angegeben, dass sie in 2020 online eingekauft hätten. Der Vergleich macht hier sicher: In 2017 waren es lediglich 15,9%.
Der Trend wird sich weiter fortsetzen, daran besteht kein Zweifel. Für den Handel insgesamt in Österreich ist das mehr bittere Pille als offenes Potenzial: Erstens entwöhnen sich die Konsumenten in Bezug auf den stationären Einkauf und zweitens profitiert der Onlinegigant Amazon stärker als die österreichischen Händler mit ihren Online-Ambitionen.
Geht der Boom weiter?
Den E-Commerce-Trend bestätigt auch die Preisvergleichsplattform idealo.at; sie erhob in einer Umfrage, dass mehr als 60% der Österreicher dazu tendieren, auch weiterhin und häufiger online einzukaufen. Da wird demzufolge die Frage nach der Zweitnutzung von Handelsflächen eine sein, die über 2021 hinaus beschäftigt – die Einschätzung, dass ehemalige Handelsflächen künftig als Läger für die Onlinehändler herhalten, kann hier im Kontext nur zynisch anmuten.
„Das letzte Jahr hat gezeigt, dass der Online-Handel langfristig nicht ohne den stationären Handel erfolgreich wirtschaften kann. Aber auch, dass der stationäre Handel ohne Online-Handel keine großen Erfolge mehr erzielen wird”, so Veronika Bahr, Country Managerin idealo Österreich. Sie verweist damit auf den theoretischen Rettungsanker: den Schulterschluss von Online und Offline. Den wird es in aller Herrlichkeit natürlich nicht spielen. Dafür fühlen sich die einen (Amazon & Co.) zu stark und schätzen überdies die anderen als zu schwach ein.
Dennoch sind Initiativen willkommen, nicht zuletzt als Hoffnungsträger. Demgemäß bietet idealo gemeinsam mit dem Handelsverband Corona-betroffenen Händlern mit Sitz in Österreich an, ihre Produkte und Angebote bis einschließlich 28. Februar 2021 kostenlos auf idealo.at zu listen. Derart möge man von der Reichweite und Beliebtheit der Plattform profitieren – übrigens inklusive Beratungsteam, das dabei hilft, die ersten Online-Schritte auch richtig zu setzen.
Ein starker Monat weniger
Bei aller Online-Liebäugelei könnte die Zeit für den harten Lockdown gar nicht schlechter fallen: Nach Weihnachten ist der Jänner mit seinen ersten Ausverkaufsaktionen und dem Umtauschgeschäft der Weihnachtsgeschenke normalerweise ein bärenstarker Monat. Modehändler, die saisonbedingt Platz für neue Ware schaffen wollen, bleiben auf der alten, die sie normalerweise zugkräftig rausverkaufen, diesmal eher sitzen. Wie ist hier die Unterstützung politischerseits anzusehen? Wie weit kann sie reichen?
Ersatz für entgangenen Umsatz ist eine tatkräftige Hilfe, aber für viele Inanspruchnehmer hakt hier die Bürokratie sehr stark. Und zweitens: Wie oft lässt sich dieses Szenario finanziell durchdrücken? Fakt ist, dass auch die Unterstützungsprogramme der Regierung einmal vorbei sein müssen und dann bleibt als Mutmaßung stehen, dass das Dauerstolpern von einem Lockdown in den nächsten vielleicht weiter von einer konstruktiven Herangehensweise entfernt ist, als ursprünglich angedacht. Die Süddeutsche Zeitung hat in der Vorwoche dem andauernden Verlängern von Lockdowns treffend die Zuschreibung „brutale Fantasielosigkeit” verliehen. Zu hoffen ist, dass der brutalen Fantasielosigkeit kein ebenso brutaler Knockdown des Handels folgt.
Zuversicht schon für 2021
Die Studie für Hoffnung und Zuversicht kommt an dieser Stelle vom KSV1870, durchgeführt zum Ende des zweiten Lockdowns im Dezember 2020. Nach dem sogenannten Austrian Business QuickCheck wird sogar das Jahr 2020 ungeachtet aller Corona-Verwerfungen von 60% von rd. 600 befragten Betrieben grundsätzlich positiv bewertet.
Darüber hinaus starten rd. drei Viertel der Unternehmen mit einer positiven Erwartungshaltung ins neue Jahr. Weiters rechnet mehr als ein Viertel der Befragten mit einer Entspannung der wirtschaftlichen Lage frühestens im 3. Quartal 2021 – ebenso viele erwarten diese für 2022. Als größte Sorge wird aber auch weiterhin die große „Unsicherheit, wann denn nun endlich die Covid-19-Krise endet”, gesehen.