Fachkräfte sind die knappste Ressource
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MARKETING & MEDIA PETER KRIST 28.09.2018

Fachkräfte sind die knappste Ressource

Übertreibungen, Superlative, sinnentleertes Blabla … Im Kampf um die besten Arbeitskräfte versuchen heute viele Unternehmen, sich selbst zu inszenieren, um als möglichst interessanter Arbeitgeber zu erscheinen.

••• Von Peter Krist

Leider wird nicht immer darauf geachtet, dass das Selbstbildnis auch ein realistisches sein muss.

Bei genauerer Betrachtung wird häufig klar, dass der gelebte unternehmerische Alltag nämlich ganz anders aussieht.
Langfristiges, strategisch orientiertes Employer Branding geht aber anders. Was oft fehlt, ist ein scharfes Profil, das der Differenzierung dient. Es verwebt Arbeitgebereigenschaften und -Ziele miteinander, die aus einer tiefgründigen und weitreichenden Analyse der Unter­nehmensidentität herrühren.
Denn nur so kann sichergestellt sein, dass das Versprochene auch eine tatsächliche Basis hat.

Fachkundige Reduktion

Plattitüden sind gefährlich; sie rechnen sich nicht, rächen sich aber immer. Unternehmen verfügen über eine eigene Geschichte, eine eigene DNA.

Die Herausforderung besteht nicht nur im erwähnten Freilegen besagter DNA, sondern auch im fachkundigen Reduzieren ebendieser DNA auf drei, vier aussagekräftige Sätze. Die hochverdichtete Botschaft, wie sie etwa in Form von Stellenanzeigen zum Einsatz kommt, steht am Ende des Prozederes.
Leitbilder und Wertekataloge, die seitens des Managements in Auftrag gegeben werden, können den Konflikt zwischen Kürze und Charakter nur sehr selten lösen.
Daher gleichen sich werbliche Kernaussagen vieler Unternehmen häufig – und zwar unabhängig von der Position im Markt, der unternehmerischen Größe oder der betrieblichen Attraktivität.

Austauschbar

Am Ende stehen oft Aussagen, die ob ihrer Gehaltlosigkeit lauwarm daherkommen.

Kaum jemand würde sie nicht gutheißen: Es ist die Rede von jungen, dynamischen Teams, von engagierten, begeisterungsfähigen Persönlichkeiten, ganz viel Leidenschaft und Eigenständigkeit. Nett … aber austauschbar. Fast so wie Dosenravioli: Sie machen satt – aber nicht „scharf” … auf einen Job in einem Spitzenunternehmen.
Allzu oft begegnen uns diese Stereotypen. Und je öfter wir sie lesen, desto weniger schenken wir ihnen Glauben. Aber: Im Kampf um Talente – denn genau darin befinden sich Top-Unternehmen heute längst – nützen diese Allerwelts-Botschaften herzlich wenig. Was zählt, ist Einzigartigkeit, Differenzierung.
Also am Ende das, wovon sich ebenso einzigartige Fachkräfte und Persönlichkeiten angezogen fühlen.

Die richtige Positionierung

Die beste Möglichkeit, sich als Arbeitgeber zu positionieren und vom Wettbewerb zu differenzieren, ist die Entwicklung einer Arbeitgeberpositionierung, die auf Identität, Werten, Kultur und Zielen des Arbeitgebers basiert. Kern dabei ist die Analyse der Firmenkultur und der unternehmerischen Soll-Perspektive – somit spannt man den Bogen von einer ehrlichen Ist-Beschreibung bis hin zu realistischen Positionierungszielen.

Auf keinen Fall sollte man sich über generische Aspekte, wie etwa Bewerberpräferenzen, positionieren. Es geht nicht darum, was der Bewerber sucht, sondern wie man als Arbeit­geber ist, wofür man steht und was man bieten kann – das findet man in seiner Identität und seiner Unternehmenskultur.

Selbstkritisch bleiben!

Eines zeigt sich schnell: Nur was innerbetrieblich auch wirklich gelebt wird, hält dem kritischen Blick von außen langfristig stand. Oder anders formuliert: Eine attraktive Arbeitgebermarke hat handfesten Inhalt, der auf die Verpackung von innen heraus abstrahlt. Employer Branding ist ganz klar kein Instrument der Werbung oder der Unternehmenskommunikation. Wer sie als solches versteht, erzeugt mit großer Wahrscheinlichkeit noch mehr gehaltlose Plattitüden.

Dies ist allein schon an der Tatsache ablesbar, dass Employer Branding idealerweise alle Stakeholder eines Unternehmens im Überblick haben muss.
Die Zielgruppe ist eine vielfältige. Employer Branding ist ein Prozess an der Schnittstelle zwischen Personalmanagement, Kommunikation und Marketing.
Und Employer Branding ist definitiv keine Recruiting-Kampagne. Sondern Recruing-Aktivitäten werden aus der Em­ploy­er-Branding-Strategie heraus entwickelt und zahlen in diese als Arbeitgebermarke ein.

Kein Probiermarketing

Unternehmen, die mit zeitgemäßen Themen unprofessionell umgehen und glauben, nur durch die Verwendung dieser Begriffe bereits Erfolg zu haben, werden beim Thema Employer Branding gnadenlos scheitern, die eierlegende Wollmilchsau gibt es auch hier nicht.

Nachhaltige Employer-Branding-Kommunikation besteht nicht nur aus bunten Bildern und schöne Aktionen, sondern aus relevanten Inhalten, basierend auf einer klaren Strategie.
Erfolgreiche Marken haben ihren Status Menschen zu verdanken, die diese Produkte geschaffen haben. Und wenn die Marke auch zukünftig erfolgreich sein soll, muss man genau in diese Menschen investieren. Glückliche Mitarbeiter sind die treibenden Kräfte eines Unternehmens.
Das macht Employer Branding zur aktuell sinnvollsten Investition – mit einem nachhaltigen Return on Invest.

Gehalt halt!

Mittels Befragungen, Workshops und Präsentationen müssen Mitarbeiter von Anfang an in diesen Prozess eingebunden werden. Darin sollten idealerweise Ist-Zustände wahrheitsgemäß definiert werden:

Was macht das Unternehmen als Arbeitgeber zu etwas Besonderem? Werden Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen eingebunden? Was kann dabei noch verbessert werden? Haben Mitarbeiter die Möglichkeit, ein Feedback zu innerbetrieblichen Abläufen zu geben?
Die Sichtweisen von lang­gedienten Mitarbeitern sind dabei ebenso wertvoll wie die Perspektiven von „frischen” Kollegen. Viele Unternehmen fürchten sich davor, dass hier unliebsame Überraschungen zutage treten.
Die damit gewonnenen Erkenntnisgewinne (und das Potenzial, mögliche innerbetriebliche Problemstellen zu lösen) sind erfahrungsgemäß wichtiger als die erwähnten Risiken von zu viel „Transparenz”.
Nach dem analysierten Ist-Zustand werden die Erwartungshaltungen und Bedürfnisse der Zielgruppen (das sind die potenziellen künftigen Mitarbeiter) definiert; parallel dazu ist der Blick auf den Mitbewerb und dessen Taktik ein fruchtbarer.
Die dabei ermittelten Einsichten münden schließlich in die grundlegende Strategie der Employer-Branding-Kommunikation. Danach folgen Nutzenversprechen (Employer Value Proposition), Konzeption und Umsetzung von Positionierungsmaßnahmen sowie der Aufbau vom Controlling.
Über den Erfolg der Kommunikation entscheidet maßgeblich, wie stark die gefundene Strategie von HR, Management und Co. mitgetragen wird; Rückendeckung muss dabei die Geschäftsführung geben.

Unverbraucht und dynamisch

Gerade Start-ups punkten bei jüngeren Arbeitskräften gern mit äußerst innovativen Geschäftsmodellen, flachen Hierarchien und neuartigen kreativen Produkt- und Service-Ideen … ganz unverbraucht, jung und dynamisch eben. Es sind in der Regel kleinere Unternehmen, die sich ob ihrer Größe schneller an geänderte Marktsituationen anpassen können.

Start-ups werden heute gern als innovativer Wachstumsmotor betrachtet. Sie spielen auf der globalen Bühne eine immer zentralere Rolle. Anders als viele Großunternehmen können sie dynamischer reagieren. Sie sind oftmals Ausgangspunkt zahlreicher, tatsächlich disruptiver Innovationen. Dank globaler Vernetzung können heute auch Jungunternehmen recht einfach große Märkte befeuern.

Wahrheit bahnt sich ihren Weg

Um sich als attraktive und vor allem junge Arbeitgebermarke zu inszenieren, versuchen tradierte Großunternehmen auch mal gern, den oben beschriebenen Charme hipper Start-ups für ihre Zwecke zu instrumentalisieren:

Im Sinne einer Do-it-yourself-Verjüngungskur werden nicht selten kleinere Mini-Divisionen nach Vorbild von Start-ups gegründet, eingebettet in die Struktur des Großunternehmens.
Aber auch hier gilt: Die Wahrheit kann nicht lange kaschiert werden, sondern bahnt sich ihren Weg. Denn bloß zum Zwecke der Attraktivität gegründete Pseudo-Start-ups tragen die Gefahr der Subkultur in sich: kleine unternehmerische Satelliten, die im Universum ihrer elternhaften Großunternehmen und -Konzernen in Randpositionen rotieren.
Sie können dank ihrer eigenen Dynamik zu Asteroiden mit großer Negativ-Sprengkraft werden.

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