Finanzierung gesucht
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MARKETING & MEDIA Redaktion 26.04.2024

Finanzierung gesucht

Neue Medienprojekte haben es nicht gerade leicht. Oft gestaltet sich die Finanzierung schwierig; Förderungen sollte eine größere Rolle spielen.

••• Von Georg Sohler

Der Medienmarkt kämpft. In den letzten Jahren und Jahrzehnten kam es durch Social Media, Streaming und Co. zu großen Verwerfungen. Vor allem „geschriebene” Information – sei es Print oder online – tut sich schwer. Die Liste eingestellter Titel oder Projekte ist nicht gerade kurz.

Was braucht es heutzutage, um ein Medium neu zu gründen und auch am Leben zu erhalten? medianet hat sich umgehört.

Aus dem Gründer-Leben

Immer wieder versuchen sich engagierte Menschen an der Gründung eines neuen medialen Angebots. So auch Dominik Ritter-Wurnig, Gründer von „tag eins”. Der Wiener mit internationaler Erfahrung („Krautreporter”, ARD) macht mit tag eins seit geraumer Zeit ein „Magazin für Veränderung”. Rein digital und mit hintergründigen Texten will man modernen Journalismus bieten. Er sagt über den Start: „Es ist hart. Um ehrlich zu sein: Wir haben zu wenig Geld zum Leben, zu viel zum Sterben. Das ‚tag eins'-Magazin kämpft jeden Tag ums Überleben.” Dank der Förderung der Wirtschaftsagentur sei es in Wien einfach, ein Medium zu gründen, dauerhaft zu überleben hingegen schwierig. Es fehle an privaten oder staatlichen Geldgebern für Scale-ups, also Medien, die am Markt ankommen, aber noch Zeit und Wachstum brauchen, um dauerhaft schwarze Zahlen zu schreiben.

Die größte Herausforderung ist die Finanzierung, hält Clara Porák, Geschäftsführerin von „andererseits”, fest. Das Online-Magazin widmet sich den Themen Behinderung und Gesellschaft. „Der Medienmarkt ist sehr konzentriert, und es gibt wenig Fördermöglichkeiten für neue und digitale Projekte. Große, etablierte Medien haben starke Wettbewerbsvorteile, für neue Projekte ist es deshalb besonders schwierig, sich zu etablieren”, führt sie aus. Besonders wichtig ist es aus ihrer Sicht, einen klaren Fokus zu haben und zu zeigen, dass das eigene Angebot bisher gefehlt hat. Sie hofft: „Eine große Unterstützung ist die Wiener Medienprojektförderung, die ausgeweitet und dauerhaft etabliert werden sollte.”
In ganz anderem Kontext, aber auch in einem Markt, der bis dato wenig bearbeitet war, bewegt sich sportsbusiness.at, ein B2B-Portal. Gründer Michael Fiala erklärt: „Im Fall von sportsbusiness.at war die digitale Plattform relativ schnell etabliert und der finanzielle Aufwand hat sich dabei in Grenzen gehalten. Die Herausforderung liegt aber darin, ob sich der erhoffte Business-Plan auch realisieren lässt. Dies ist aus meiner persönlichen Sicht auch ein wenig eine Wunder­tüte.”

Den richtigen Ansatz verfolgen

Bei den gegebenen Marktverhältnissen scheint es wichtig, die Ausrichtung konsequent zu verfolgen, wie er weiters sagt: „Unsere B2B-Ausrichtung erlaubt es uns, auf herkömmliche, digitale Assets wie zum Beispiel Banner- und Display-Werbung komplett zu verzichten. Dadurch erreichen wir unter unseren Lesern eine extrem hohe Akzeptanz. Mir ist jedoch bewusst, dass dieses Konzept bei B2C-Plattformen nur sehr schwer funktioniert.”

Ritter-Wurnig braucht so einen Ansatz, man setzt derzeit in erster Linie auf Mitgliedsbeiträge. „Durch die anhaltend hohe Inflation bleibt das aber sehr schwierig. Außerdem sind wir als Dienstleister für andere Medienhäuser tätig. In letzter Zeit denken wir intensiv darüber nach, andere Einnahmequellen zu erschließen”, meint er.
Porák bzw. andererseits setzen auch auf die Community: „Über 1.600 Menschen unterstützen uns monatlich finanziell, bis Ende April wollen wir 2.000 Abonnenten haben. Damit können wir einen Newsletter und einen tiefgehend recherchierten Beitrag pro Woche sowie vier gedruckte Magazine im Jahr herausbringen. Außerdem arbeiten wir mit Anzeigenkunden zusammen, die einen zweiten Finanzierungsstrom bieten sollen.” Darüber hinaus sucht man nach weiteren Finanzierungsquellen, um langfristig eine stabile Finanzierung aufzustellen: „Das bleibt aber herausfordernd.”

Distributionsfragen

Um Bekanntheit und somit Reichweite zu generieren, setzen alle auf Social Media. Allerdings ändert sich diese Welt mitunter sehr schnell, was man beispielsweise bei X, vormals Twitter, seit geraumer Zeit selbst beobachten kann. Die Spielregeln sind oft im Wandel. „Es ist die Hölle”, sagt Porák. „Unsere stärkste Plattform war immer Twitter; seitdem es X heißt, ist es für uns als Medium sehr schwierig, mit unseren Inhalten durchzudringen.” Insgesamt registriere sie, dass die Plattformen immer größeren Aufwand und immer höheren Production-Value einfordern, „aber es ist für uns nicht leistbar, schöne Videos zu produzieren, um unsere Artikel zu vertreiben. Wir sehen den einzigen Ausweg darin, die Vertriebskanäle wie zum Beispiel Newsletter selbst zu besitzen.”

Ähnlich zwiegespalten ist man auch bei tag eins. „Über 60 Prozent unserer Abonnenten lernen uns via Social Media kennen. Gleichzeitig sehen wir die Abhängigkeit von großen Plattformen auch als Problem. Auch deshalb setzen wir auf eine Newsletter-first-Strategie. Unsere Leser sollen Gewohnheiten im Zusammenhang mit unserem Angebot entwickeln.”
In der Sport-B2B-Nische ist es offenbar, wie vielleicht in anderen Special Interest-Bereichen, einfacher, wie Fiala ausführt: „Wir sind mit sportsbusiness.at in eine absolute Nische gegangen, wodurch sich unsere Inhalte sehr stark von anderen Plattformen abgrenzen. Insofern punkten wir mit unserem Content und haben speziell auf LinkedIn eine große und aktive Community aufbauen können.”

Wunsch an die Politik

Egal in welchem relevanten Teilbereich der Gesellschaft – mehr Medien können nie schaden. Bei sportsbusiness.at läuft es, man wollte ohnehin ohne Förderung erfolgreich sein. Aber: „Obwohl wir sehr stark auf Qualitätscontent setzen, können wir keine Fördermittel lukrieren, weil wir diverse Kriterien nicht erfüllen. Wenn man dann sieht, wie viel öffentliches Geld für andere Medien zur Verfügung steht, tut das schon weh.” Fairness wünscht sich auch tag eins. Dazu brauche es die Politik, denn statt einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, „wird etablierten und reichweitenstarken Medien durch Förderungen und Inserate massiv unter die Arme gegriffen. Einen Geldregen von 200 Millionen Euro schüttet die Bundesregierung jedes Jahr aus; kleine Onlinemedien erhalten davon keinen Cent.” Als digital-first Start-up wünscht sich auch andererseits eine Presseförderung, die neue, kleine und digitale Medien unterstützt: „Dazu fehlt es an politischem Willen. Das gefährdet die Medienvielfalt, denn in der aktuellen Transformation brauchen wir dringend neue Geschäftsmodelle und mehr Projekte, die neue Wege erproben, wie Medien im 21. Jahrhundert aussehen können.”

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