Gras drüber wachsen lassen
MARKETING & MEDIA Redaktion 08.09.2023

Gras drüber wachsen lassen

Ein Referenzbeispiel für zivilen Widerstand gegen die Folgen des Klimawandels.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

UNKOMPLIZIERT. „Green Skills” trenden. „Kenntnisse, Fähigkeiten, Werte und Einstellungen, die erforderlich sind, um in einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Gesellschaft zu leben, sie zu entwickeln und zu unterstützen”, verrät die UNIDO. Schwenk in einen Hietzinger Gemeindebau. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben es dort auf wundersame Weise geschafft, seit nunmehr drei Jahren der Armee der städtischen Rasenmäher Grenzen aufzuzeigen. Damit ist ihnen gelungen, was den „Hitzeaktionsplänen” der Stadt unter Mühen nicht gelingt. Wo Nebelduschen, Flächenentsiegelung, Brunnen und Wasserspiele als lokale Kühlzonen kaum Erleichterung bringen, ist wilde Wiese statt akkuratem Rasen die Lösung. Die Grünfläche im Gemeindebau Kongresssiedlung wird nicht kürzer als zehn Zentimeter geschnitten. „Bei 30 Grad Lufttemperatur haben Grünflächen, die kurz geschnitten sind, bis zu 63 Grad ergeben. Und wir haben es geschafft, mit unserem Wildblumenrasen (…) auf bis zu 26 Grad runtergekommen”, wird der Umweltberater vom „Team Wiesendoktor” zitiert. Das Gras wird seit drei Jahren nicht bewässert – es ist nicht notwendig. Das ist Balsam für die Seelen jener, die sich jeden Sommer die Frage stellen, ob es in der Stadt nicht sinnhafter wäre, sich – als Geschwisterfraktion der Straßenblockierer – auf den kargen Grünflächen vor städtischen Wohnhäusern anzuketten. Dann, wenn die Rasenpflege mit schwerem Gerät anrückt, um das strohige Gestrüpp auf Wimbledon-Maß zu kürzen (acht Millimeter, falls es Sie interessiert). Jede gute Idee sei es wert, geprüft zu werden, so Wiener Wohnen. Aber warum einfach, wenn’s kompliziert geht?

Übrigens werden in Wien schon rund 200 Gebäude mit sogenannter Fernkälte – „smarte grüne Technologie” – gekühlt. Da die Kunden kürzlich damit überrascht wurden, dass die Fernwärme – „führend in umweltfreundlicher Wärmeversorgung” – erstens den Preis verdoppelte, und, zweitens, zu Spitzenzeiten zu zwei Drittel mit Gas produziert, schürt das Zweifel.

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