Gastkommentar ••• Von Katharina Schell
WIEN. Jetzt hat die KI schon wieder etwas angestellt. Sie hat ein Interview erfunden und in einer Illustrierten herausgebracht. Denn auch wenn Die Aktuelle mit „Das erste Interview” aufmachte: Es ist – vorsichtig formuliert – eher unwahrscheinlich, dass der vor zehn Jahren verunglückte Formel 1-Sportler Michael Schumacher mit dem in allen Farben des Regenbogens sehr grell schillernden Blatt spricht. Aber es war ja auch die KI! Böse KI. Pfui! Als Konsequenz musste die Aktuelle-Chefredakteurin gehen, und wir sollen nun über ethische Aspekte der KI im Journalismus reden.
Das ist eine gute Idee, aber aus falschem Anlass.
„Täuschend echt”
Bitte alle einmal aufzeigen, die überrascht waren, dass eine Illustrierte vom Zuschnitt der Aktuellen ein wenig – wieder sehr vorsichtig formuliert – irreführend „berichtet”. Wenn man an der Supermarktschlange den Blick über die bunten Titelseiten schweifen lässt, kommt man ja aus dem Staunen gar nicht heraus. Ein Scoop nach dem anderen! Und im Blattinneren haben diese reißerischen Aufmacher dann etwas weniger Wahrheitsgehalt als die durchschnittliche Wiener Volkssage.
So wie im Fall des „ersten Interviews”. Ungewöhnlich transparent daran allenfalls, dass der Fake bereits auf dem Titelblatt angedeutet wurde – „täuschend echt” nämlich sei es. Weil die KI, in diesem Fall das Portal characters.ai, eben so schön formulieren kann.
Die Klatschpresse erfindet seit Jahren Headlines, die eine Geschichte suggerieren, die so nicht stimmt. Eine Ethik-Debatte wird nicht geführt. Verwendet aber die Klatschpresse eine KI, um eine Geschichte zu suggerieren, die so nicht stimmt, bricht ethische Panik aus? Sorry – aber da kann die arme KI nun gar nichts dafür. Mediale Fälschungsskandale haben wir bereits früher erlebt, ganz ohne Künstliche Intelligenz. Über Fakes versus Facts reden wir seit Jahren. Was neue Technologien erleichtern: rascheres und in manchen Fällen wohl auch perfekteres Fabrizieren der Täuschung. Wer „täuschend echten” Journalismus macht, darf sich nicht wundern, wenn sich die Userinnen und User getäuscht fühlen. Ob mit KI oder ohne.
Ethikdebatte, ja aber …
Haben wir also kein Ethik-Thema, wenn es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in unserer Branche geht? Aber ja doch. Es gibt so viel zu besprechen. Wie transparent legen wir dar, welchen Anteil solche Systeme am Entstehen unserer Artikel und Beiträge haben? Welche Daten sind wir bereit, einer KI zur Verfügung zu stellen? Wie gehen wir mit inhärenten Voreingenommenheiten, dem berüchtigten – und evidenten – Bias der Algorithmen um? Wie viel (journalistische) Autonomie wollen wir an Maschinen abgeben?
Alles sehr komplizierte Fragen, über die wir nachdenken und reden müssen. Das ist anstrengend und mühsam. Wir sollten es uns aber nicht leicht machen und auf ein Ethik-Thema, das kein KI-Thema ist, ausweichen.