Interventionen müssen eine Sackgasse sein
© APA/Herbert Neubauer
MARKETING & MEDIA Redaktion 15.10.2021

Interventionen müssen eine Sackgasse sein

VÖZ-Präsident Markus Mair über Begehrlichkeiten der ­Politik Medien gegenüber und wie damit umzugehen ist.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Im Zuge der Hausdurchsuchungen in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale wurde eine politische Lawine losgetreten, die vom Verdacht der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung bis hin zum Rücktritt des Bundeskanzlers Sebastian Kurz reichte. Unter anderem ermittelt die WKStA wegen des Verdachts des Lancierens manipulierter Umfragen in hei­mischen Medien, was wiederum die heimischen Medienmacher in den Fokus der Causa rückte.

medianet nahm dies zum Anlass und bat den VÖZ-Präsidenten Markus Mair um seine Einschätzung der Lage.

medianet: Herr Präsident, im Sog der Ermittlungen gegen unter anderem Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz steht wieder die Inseratenvergabe der Bundesregierung im Fokus der Kritik. Wie beurteilen Sie die aktuelle Causa und wie sehr schaden solche Schlagzeilen auch der Glaubwürdigkeit der Medien?
Markus Mair: Die Entwicklungen der letzten Tage haben sicherlich dazu beigetragen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, aber auch in Medien erschüttert wurde. Ich denke allerdings, dass es sich dabei um spezifische Erscheinungen handelt und man nicht den Fehler begehen darf, jetzt alles über einen Kamm zu scheren.

Das Aufdecken von Missständen ohne Einschränkung sowie kritische Berichterstattung, die sich ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlt, sind unverzichtbare Leistungen der publizistischen Medien für unsere demokratische Gesellschaft. Das muss auch weiterhin unser unverrückbarer Anspruch bleiben und wird auch heute in einem hohen Ausmaß erfüllt. Davon getrennt zu betrachten sind Themen wie staatliche Presseförderung und öffentliche Werbeschaltungen, die nicht in Verbindung mit der Berichterstattung stehen. Kooperationen mit Meinungsforschungsinstituten, die sich jeglicher Transparenz entziehen, wie es offenbar der Fall war, sind ohnedies – unabhängig von einer strafrechtlichen Kom­ponente – kritisch zu hinterfragen.

medianet: Werden Sie die aktuellen Geschehnisse nutzen, um unter Umständen mit dem neuen Bundeskanzler nicht nur die Inseraten-Vergabepraxis der Bundesregierung, sondern auch mit Nachdruck eine bessere Dotierung die Presseförderung zu diskutieren und was wäre Ihr Vorschlag für eine objektive Vergabe der sogenannten Regierungsinserate?
Mair: Mit Sicherheit werden wir das Gespräch mit dem neuen Bundeskanzler suchen. Wir werden sowohl beim Thema Medientransparenz, bei dem der VÖZ seinerzeit im Interesse der gesamten Branche eine Lösung erwirkt hatte, weitergehende Verbesserungsvorschläge machen. Denn ich bin überzeugt: An der Schnittstelle öffentliche Hand und Medien darf in keinster Weise der Eindruck entstehen, dass es zu einer Vermengung von Interessen kommt. Die Reform und Aufstockung der Presseförderung, ebenfalls seit vielen Jahren ein Anliegen unseres Verbandes, ist selbstverständlich auch ein Thema. Vorschläge zur Reform gibt es unsererseits genug.

medianet: Vor geraumer Zeit machte der Vorwurf Ihres ehemaligen Styria-Vorgängers und nunmehrigen VGN-Eigentümers Horst Pirker Schlagzeilen, als er quasi die Omertà brach und über einen Umstand berichtete, der in der Branche mehr oder weniger als ein öffentliches Geheimnis gehandelt wird, dass nämlich aufgrund kritischer Artikel – in diesem Fall im Zusammenhang mit dem Finanzministerium – das komplette Anzeigenvolumen des BMF bei der VGN gestrichen wurde. Sind Ihnen solche Praktiken auch in anderen Fällen bekannt und hatte man schon in der Styria oder anderen VÖZ-Mitgliedern damit zu tun?
Mair: Selbstverständlich gibt es immer wieder Diskussionen mit Werbekunden – nebenbei bemerkt nicht nur mit der öffentlichen Hand –, die sich durch die Berichterstattung nicht korrekt behandelt fühlen. Ich denke, hier muss man im Dialog klarmachen, welche Leistungen mit einer Werbeschaltung abgedeckt sind, und dass man dadurch keinerlei Anspruch auf Beeinflussung der Berichterstattung erlangt. Die Aufrechterhaltung dieser ‚Firewall' ist für die Glaubwürdigkeit unserer publizistischen Produkte absolut erforderlich. Der zitierte Fall zeigt ja auch, dass die VÖZ-Mitgliedsunternehmen nicht bereit sind, nachzugeben, auch wenn das möglicherweise wirtschaftliche Nachteile bedeutet.

medianet: Durch die Chats kam auch ‚Ihr' Presse-CR Rainer Nowak ins Visier der öffentlichen Diskussion. Unter anderem schrieb Nowak sinngemäß, er könne der Redaktion schlecht einen Bericht verbieten, der schon in der APA gestanden sei. Das klingt nicht nach striktem Abweisen eines Interventionsversuchs. Waren die Chats Thema zwischen Ihnen und Presse-CR Nowak? Er selbst hat in einer anderen Causua auch ­öffentlich dementiert, dass etwa je eine manipulierte Umfrage in der Zeitung gelandet sei, was auch mit Fakten belegbar sei.

Mair: Bei den Mitgliedern des VÖZ gibt es eine strikte Trennung zwischen dem Verkauf von Anzeigen und der journalistischen Arbeit in den Redaktionen. Damit wird die unabhängige Arbeit der Journalisten gewährleistet. In diesem Zusammenhang darf ich auch auf die erfolgte Erklärung des Vereins der Chefredakteure verweisen, die wir seitens des VÖZ und der Styria Media Group uneingeschränkt unterstützen. Selbstverständlich werden konkrete Anlassfälle auch mit den Chefredakteuren diskutiert. Sollte es zu Interventionen kommen, dann ist es wesentlich, dass sie dort auch schon wieder enden, wo sie platziert wurden. Das war in dem von Ihnen genannten Fall so, wurde besprochen, aufgearbeitet und kritisch gewürdigt, mit mir und in der Presse-Redaktion.

medianet:
Kommen wir zur Causa an sich zurück: Erwarten Sie sich aufgrund der aktuellen Vorgänge nun Bewegung in der Diskussion, wie künftig Bund und Länder ihre Kommunikationsetats vergeben werden – etwas, wovon auch die Bundesländerzeitungen künftig profitieren können, wenn Regierungsinserate nach objektivierbaren Parametern vergeben würden.
Mair: Ich denke ja. Ein erster wesentlicher Schritt zu mehr Professionalisierung im Rahmen der Anzeigen von Gebietskörperschaften wurde mit der Ausschreibung und Vergabe von Werbeschaltungen des Bundes in der Höhe von 180 Mio. Euro für vier Jahre an drei Mediaagenturen geschaffen. Ich denke, darauf kann man aufbauen und das System entsprechend transparenter gestalten. Wir werden uns bei dieser Diskussion definitiv einbringen, da wir selbstverständlich das Interesse haben, dass Werbung in Medien verlegerischer Herkunft weiterhin über jeden Verdacht erhaben ist.

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