••• Von Ulrike Schöflinger
LECH AM ARLBERG. Der Mediengipfel in Lech am Arlberg stand im Zeichen des Ukrainekriegs – das Programm wurde dementsprechend adaptiert. Dennoch blieb Raum und Zeit für andere brandaktuelle Themen wie Media Literacy und große Fragen wie: Wer ist eigentlich Journalist?
Schon bei der Eröffnung, in der Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner die Offenheit Österreichs zur und für das Friedensprojekt Europa betonte, wurden die Realitychecks der teilnehmenden Medienleute und Experten zunehmend dystopisch.
Es braucht mehr Transparenz
Im Interview mit Raffaela Schaidreiter bezeichnete EU-Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas die Gemeinschaft als Work in Progress, das noch viel Potenzial in Sachen Medien, Energiebeschaffung, Demokratie und Frieden habe. In einigen Punkten waren sich alle Beteiligten einig: Europa ist zusammengerückt. Die Regulierung von Medieninhalten kann nicht den Tech-Giganten überlassen werden. Die Plattformen gehören geregelt, es braucht die Transparenzpflicht. Die EU ist gefordert, den seit 2020 verhandelten Digital Service Act voranzutreiben.
Wie schwierig es ist, stimmige Informationen zu verbreiten, erläutert Politikwissenschaftler Peter Filzmaier: „Es ist eine Frage des Vertrauens” und das Vertrauen stehe in Zeiten von „Lügenpresse”-Vorwürfen auf dem Prüfstand. Es gibt immer noch Tabuthemen wie Integration und Sprache – und klassische Medien erreichen immer weniger Menschen. Das bestätigt Clara Rauchegger, EU-Rechtsexpertin: „Die Zeiten des Monopols von Journalismus als offizielle Quelle ist vorbei.” Auch andere Quellen verbreiten Infos, deren Inhalte nicht verifiziert und daher oft als Propaganda eingestuft werden müssten.
Wie kann gegen diesen Trend gearbeitet werden? Mit Bildung und Medienkompetenz. „Und mit Bildung”, so Filzmaier, „meine ich nicht nur die Schulen, sondern auch in der Jugendarbeit, im Social Working, in Sport- und anderen Vereinen und in der Erwachsenenbildung.”
Hochkarätige Diskussionen
Was Journalistinnen und Journalisten dazu beitragen können, reflektierte eine hochkarätige Runde, moderiert von Katharina Schell (APA) mit Alexandra Föderl-Schmid (stv. CR Süddeutsche Zeitung), Otmar Lahodynsky (Ehrenpräsident Association of European Journalists), Gerold Riedmann (CR Vorarlberger Nachrichten), Verhaltensökonom Matthias Sutter und Patricio Hetfleisch (Medienexperte).
„Qualitätsjournalismus ist ein Lösungsansatz. Wir müssen durch unsere Arbeit den Unterschied machen”, betonte Föderl-Schmid. In den USA sei ein positiver Effekt bei der NYT oder bei der Washington Post eingetreten, auch die Süddeutsche Zeitung registriere Zuwächse.
„Ich sehe schon eine Chance. Wir können unsere Aufgaben wahrnehmen, recherchieren, tiefgründige Investigationen durchführen und die Fakten überprüfen.” Matthias Sutter hält fest: „Nur mit Transparenz kann wieder Vertrauen hergestellt werden”, und Gerold Riedmann stellt die Frage: „Wer definiert, wer Journalist ist oder nicht?”
Ob für guten Journalismus Geld verlangt werden soll, scheidet die Geister. Der Zugang zu verlässlicher Information sollte laut Medienexperte Hetfleisch niederschwellig bleiben. Das steht der Überlegung entgegen, wonach qualitative hochwertige Arbeit einen Mehrwert darstellt und dafür durchaus Geld verlangt werden kann.
Wichtig: Medienkompetenz
Aber alle dazu vorgebrachten Argumente führen letztlich zu einem Konsens: Journalismus sei Arbeit, und es sei wichtig, die Medienkompetenz zu erhöhen. Und Folgendes müsse ein neues Mission Statement für Journalistinnen und Journalisten beinhalten: Unabhängigkeit, Transparenz, „Daten, Daten, Daten”, den Protagonisten genau auf die Finger zu schauen und richtig einordnen zu lernen.
Was es auch brauche, sei Geld. Nicht nur, um die Qualität zu sichern, sondern auch, um Medienmacher und Redaktionen vor strategischer Einschüchterung zu schützen. Beginnend beim Ausschluss von Pressekonferenzen, wie es Dossier-CR Florian Skrabal schon mehrfach erlebt hat, bis zu Klagefluten oder wirtschaftlichen Mitteln wie einem Inseratenstopp.
Ein strukturelles Problem
„Es ist ein strukturelles Problem”, berichtet Matthew Caruana Galizia, Sohn der in Malta ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia. Den Namen seiner Mutter will er als Mahnung verstanden wissen.
Daniela Kraus, Generalsekretärin vom Presseclub Concordia und Moderatorin dieses Talks, verwies auf das neue Schulungs-Programm „Rechtsdienst Journalismus” gegen Slapp-Klagen, das ein Resultat des Ansteigens solcher Fälle ist.
Journalismus im Krieg
Kriegsreporterinnen berichteten darüber, wie schwierig es geworden ist, Journalismus vor Ort in den Krisengebieten zu machen. Es kostet Geld, ist aufwändig – und psychisch äußerst belastend. Kriegsreporterin Petra Ramsauer: „Die Ukraine macht es besonders schwierig. Ich weiß, dass ich nur von einer Seite berichte und das muss immer wieder betont werden.” Natalie Amir (ARD) ist der Überzeugung, die Zuschauer mit Berichten vor Ort mitnehmen zu können, aber „es ist unsere Verantwortung, von der ganzen Welt zu berichten und nicht nur aus der Ukraine”.
Amir: „Es herrscht leider Quotendruck und Geld- oder Bereitschaftsmangel.” Der Druck auf Qualitätsjournalismus nehme zu. Fazit: Die Zeit scheint reif für einen verpflichtenden Kodex, eine Bildungsoffensive und die Unterstützung von Reportern vor Ort.