Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
ZUG HÄLT. Vor einem guten Jahr schmückte diesen Kommentar folgende Einleitung: Es könne nicht sein, dass die Kartellwächter auf nationalen Märkten die vermeintlichen Monopole von Pipifax-Unternehmen beschneiden und parallel dazu globale Digitalkartelle wuchern lassen. Themen waren die Marktmacht der Big Five – Apple, der Google-Mutter Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook – und die rechtlichen Grauzonen rund um „nicht-entgeltliche Austauschbeziehungen”.
Eine ähnliche Problematik erleben wir jetzt ganz ohne virtuellen Interpretationsspielraum auf dem harten Boden europäischer Schienen. Der deutsche Siemens-Konzern und der französische Rivale Alstom müssen die Fusionspläne ihrer Zugsparten begraben – die EU-Kommission untersagt den Zusammenschluss. Die Hersteller der Hochgeschwindigkeitszüge ICE bzw. TGV wollten mittels Fusion dem chinesischen Staatskonzern CRRC Paroli bieten.
Laut Bloomberg hat CRRC im Bahn-Bereich schon jetzt einen weltweiten Marktanteil von über 70 Prozent. EU-Wettbewerbskommissarin Vestager widerspricht Kritikern. Die EU-Regeln seien dazu da, um offenen und fairen Wettbewerb in Europa zu gewährleisten, sagte sie am Mittwoch in Brüssel: „Unsere Firmen bleiben so wachsam. Ein Unternehmen wird im Ausland nicht wettbewerbsfähig sein können, wenn es nicht auch zu Hause Wettbewerb hat.” Sie kennen den Witz? Das Licht am Ende des Tunnels ist unter Umständen der entgegenkommende Zug.
Tatsache ist: Die Kernstrategie, um langfristig im globalen Wettbewerb mitzuhalten, heißt Innovation. Tatsache ist aber auch, dass Innovation im Hochtechnologiebereich teuer ist – und einfacher, wenn man das Know-how bündelt. Der Fairness halber: In 30 Jahren haben die EU-Wettbewerbshüter mehr als 6.000 Fusionen genehmigt und nur ein paar Dutzend blockiert. Darauf berief sich auch Kommissionspräsident Juncker in seiner „Botschaft an diejenigen, die sagen, dass die Kommission aus blinden, dummen, starrköpfigen Technokraten besteht”.