••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Robert Sobotka ist Geschäftsführer von Telemark Marketing und Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Marktforscher (VMÖ).
Im Exklusivinterview mit medianet gibt Sobotka einen Ausblick über das kommende Marktforschungsjahr und referiert über neue Trends wie Facial Coding oder Neuromarketing.
medianet: Wie lautet Ihr Resümee zum Vorjahr – wie hat sich die Markt- und Meinungsforschung 2015 entwickelt?
Robert Sobotka: Alles in allem war 2015 ein gutes Jahr für die Markt- und Meinungsforschung.
Die Umsätze waren im Vergleich zu den Vorjahren konstant, sodass wir weder von einem Boom noch von einer Branchenkrise sprechen können, auch wenn sich die Wirtschaft noch immer in der Krise befindet. Wahljahre wirken sich immer positiv auf das Geschäft der Institute aus und so war es auch diesmal. Aus vielen Gesprächen mit meinen Branchenkollegen weiß ich, dass die meisten Marktforscher mit dem Geschäftsjahr 2015 zufrieden waren.
medianet: Welchen Nutzen hat man, wenn man einen professionellen Marktforscher beauftragt?
Sobotka: In der Marktforschung gibt es zahlreiche Anwendungsbereiche, wo Projekte den Auftraggebern wesentliche zählbare Resultate bringen. Wenn man Kunden z.B. nach der Zufriedenheit mit ihrer Versicherung befragt, sind die Ergebnisse heute genauer und richtiger denn je: Die Konsumenten haben keine Bedenken, ihre kritische Meinung ungeschminkt zu äußern. Und gerade das sind wichtige Erkenntnisse für die Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen weiterhin zu verbessern und an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen.
Wenn man an Mystery Research- Projekte im Handel denkt: Bei diesen Projekten decken anonyme Tester objektive Fehler in den Verkaufsorganisationen auf, die auch wiederum zu Verbesserungen im Sinne der Konsumenten führen. Ein weiteres Beispiel sind Medienanalysen oder Werbetrackings. Wenn Befragte angeben, welche Zeitung sie lesen oder an welche Werbespots man sich erinnern kann, sind die Antworten und in weiterer Folge die Ergebnisse für die Auftraggeber wichtig. Natürlich muss man methodisch richtig vorgehen, und der Marktforscher sollte über ausreichendes Fachwissen verfügen.
medianet: Spüren Sie den Trend zu Do-it-yourself-Umfragen? Und liegt darin eine Gefahr?
Sobotka: Ja, dieser Trend ist zu spüren – und ja, er ist gefährlich: Nicht fachgerechte Befragungen führen oft zu falschen Ergebnissen. Im Internet findet man Software, mit der man einfache Online-Befragungen selbst erstellen kann.
Aber die Fragebogenprogrammierung ist nur ein kleiner Teil eines Marktforschungsprojekts. Ein fachkundiger Marktforscher berät bei der Methodenauswahl, achtet auf eine repräsentative Stichprobenziehung, wertet die Ergebnisse aus und hilft auch bei der Interpretation der Ergebnisse.
Wenn jemand einmal ein Kochbuch gelesen hat, so kann er noch lange kein Hauben-Restaurant eröffnen. Analog ist man durch die Lektüre eines Marktforschungsfachbuchs noch lange kein Experte. Zudem werden die Aufgaben und Anforderungen durch die zunehmende Komplexität der Fragestellungen immer größer.
medianet: Oft treffen Unternehmungen ohne fundierte Marktforschung falsche Entscheidungen. Kann man hier eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen?
Sobotka: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich Marktforschungsprojekte für die Auftraggeber rechnen. Die meisten Projekte werden laufend durchgeführt und wiederholt. Folglich bringen diese Projekte den Auftraggebern einen ‚Return-on-Investment' oder zumindest einen wichtigen Informationsgewinn.
Ob man alle Fehlentscheidungen oder Unternehmenspleiten durch vermehrte Marktforschung verhindern könnte, traue ich mir seriöserweise nicht zu sagen. Nur eines ist für mich sicher: Wenn die Firmen vermehrt auf die Stimmen des Marktes und der Kunden hören würden, gäbe es heute noch eine Reihe von Unternehmen, die in den letzten Jahren von der Bildfläche verschwunden sind. Entscheidungen zu treffen, ohne einen Blick auf den Markt und die Kunden zu werfen, ist immer ein Risiko.
medianet: Gibt es neue Trends in der Marktforschung?
Sobotka: Ja, selbstverständlich! Die Branche entwickelt sich rasant weiter – allein wenn man an die neue Medien denkt, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hat.
Soziale Netzwerke werden zunehmend zur Informationsgewinnung genützt. Die Verwendung von Suchmaschinen, eCommerce und Apps am Smartphone liefert Verhaltensdaten. Die Anforderungen an den Marktforscher werden aber dadurch immer höher: Er muss über die Vielzahl an Quellen Bescheid wissen und wird in Zukunft viel mehr zu einem Datenanalyst, der den Betrieben sagt, wo sie die richtige Information finden, verknüpft diese sinnvoll miteinander und wertet diese für die Auftraggeber aus. Außerdem werden weitere Fragestellungen wie bisher durch Primärerhebungen analysiert.
Zusätzlich wurden in den letzten Jahren gerade in der qualitativen Marktforschung viele neue Methoden entwickelt. Die Facial Coding- oder die Erkenntnisse des Neuromarketing werden unter anderem in der Werbewirkungsforschung praxisnah umgesetzt. Der VMÖ hat im vergangenen Jahr bei seinen Fachveranstaltungen einen Schwerpunkt auf innovative Methoden der qualitativen Marktforschung gesetzt – und gerade diese Veranstaltungen sind auf großes Interesse gestoßen.
medianet: Was sind die Pläne und Ziele des VMÖ 2016?
Sobotka: Der VMÖ möchte sein Repertoire als Dienstleister der Branche weiter ausbauen. Wir haben auch heuer monatlich eine Fachveranstaltung geplant, etwa zu Behavioural Economics, Customer Journey oder Markenliebe. Im Juni planen wir eine fachspezifische Veranstaltung in Kooperation mit den deutschen Verbänden ADM und DGOF zum Thema IT-Sicherheit in der Marktforschung.
Diese Veranstaltungen sind nicht nur für unsere Mitglieder gedacht, sondern sollen auch breitere Kreise für die Themen der Marktforschung interessieren. Zusätzlich planen wir eine Imagekampagne für die Branche, die im Herbst gestartet wird und eine breitere Öffentlichkeit von der Wichtigkeit unserer Branche überzeugen soll. Und dann wollen wir auch noch das Thema ‚Ausbildung' für den Beruf des Markt- und Meinungsforschers weiterverfolgen. Die Aufgaben sind umfassend und vielfältig. Dem VMÖ wird auch 2016 sicher nicht langweilig.