Neue Möglichkeiten, neue Regeln
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Privatsphäre Der Bundestrojaner steht in der Kritik, ein unverhältnismäßiges Überwachungsinstrument darzustellen.
MARKETING & MEDIA Redaktion 20.09.2019

Neue Möglichkeiten, neue Regeln

Die Digitalisierung hat viele netzpolitische Belange auf die tägliche Agenda gesetzt. medianet hat die Parteien zu ihren Plänen befragt.

Fälle wie jener von Martin Sellner machen es vor: Ende August löschte YouTube den Kanal des Identitären-Chefs, der dort rassistische und rechtsextremistische Inhalte verbreitet hatte. Die Maßnahme der Videoplattform erging nur wenige Wochen, nachdem YouTube angekündigt hatte, verschärft gegen Propagandavideos von Rassisten und anderen Extremisten vorzugehen und damit Hassreden von seiner Plattform zu verbannen.

Doch der Kampf gegen Hassreden und Diskriminierung kann nur schwer von den Online-Plattformen allein gewonnen werden – es braucht auch auf nationaler Ebene Regeln und Gesetze, die diesen Graubereich zwischen dem Verbot der Diskriminierung und dem Recht auf Meinungsfreiheit regulieren, darüber sind sich die Parteien einig. Darüber, wie man des Problems Herr werden soll, scheiden sich jedoch die Geister der Nationalratswahlkandidaten: Während die ÖVP etwa für eine digitale Ausweispflicht plädiert, steht die Verhinderung derselbigen ganz oben auf der Agenda von SPÖ und Neos, wenn es um netzpolitische Fragen geht.

Freiheit

Ein weiteres Thema, das in der letzten Legislaturperiode für viel Diskussionsstoff sorgte, ist die Vorratsdatenspeicherung. Die Entscheidung zwischen Freiheit und vermeintlich mehr Sicherheit wurde von der türkis-blauen Koalition nicht zuletzt im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft zugunsten der Vorratsdatenspeicherung vorangetrieben, wie ein internes Dokument, das unter anderem dem ORF vorlag, zeigt. Gegenüber medianet spricht sich die FPÖ mittlerweile jedoch klar gegen die Speicherung von Daten elektronischer Kommunikation auf Vorrat aus, ebenso wie die SPÖ und Die Grünen. Die ÖVP hebt das Thema auf EU-Ebene, wurde die EU-Richtlinie über Vorratsdatenspeicherung doch 2014 vom EuGH für rechtswidrig erklärt.

Streitpunkt Bundestrojaner

Mit der Frage über den Grad der Überwachung der Österreicher im Netz geht auch die Diskussion über den sogenannten Bundestrojaner einher. Dieser soll – initiiert durch ÖVP und FPÖ – ab April nächsten Jahres Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen schwerer Straftaten die Entschlüsselung von Nachrichten ermöglichen, die über Messenger-Dienste wie WhatsApp verschickt wurden. Das stieß auf massive Kritik bei SPÖ und Neos, die das Gesetz beim Verfassungsgerichtshof prüfen lassen. Für sie stellt die Einführung des Bundestrojaners eine unverhältnismäßige Überwachung der Bevölkerung dar, die dieser durch die Verletzung ihrer Privatsphäre mehr schade, als ihr zu nutzen. Einig sind sich die sechs Spitzenparteien darüber, dass die zunehmende Marktmacht von Online-Konzernen eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer bzw. internationaler Ebene erfordert, und dass die EU hier verstärkt regulativ agieren sollte.

Kein Zwei-Klassen-Internet

Auch zum Thema Netzneutralität sind die Parteien in weitgehendem Konsens: Alle sehen die Gleichbehandlung von Nutzern und Inhalten als unabdingbar. Für die ÖVP käme unter Umständen eine Ausnahme bei Diensten, die im öffentlichen Interesse stehen, infrage – etwa wenn es um Wissenschaft, Medizin oder Forschung geht – , um deren Funktion zu gewährleisten. (ls)

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